Frisierte Mofas: So gefährlich ist das Tuning

Mit simplen Bauteilen wird ein Mofa-Roller zur Rennmaschine getunt. In Uerdingen und Hüls gibt es die meisten Freaks.

Krefeld. Rollerfahren ist geil. Aber auf einer führerscheinfreien Aprilia mit Maximaltempo 25 durch Krefeld schleichen, das wollen weder Steffi noch Marc. Richtig geil ist ein Scooter erst, wenn er mindestens 100 „Sachen“ schafft.

Also schlagen sie im Internet bei „Stage 6“ nach und bestellen sich diskret für weniger als 200 Euro einen dickeren Zylinderkopf, der das 50-Kubikzentimeter-Maschinchen auf 70 Kubikzentimeter aufmotzt, dazu eine leistungsfähige Zündbox, deren Stecker exakt zur Serienmaschine passt, eine Spezialkurbelwelle für kleines Geld und vielleicht noch einen fernbedienten Drehzahlbegrenzer, der sich beispielsweise mit Klicks am Bremsgriff steuern lässt. So kann man bei Kontrollen die Polizei an der Nase herumführen, glauben Steffi und Marc. Sie haben sich vertan.

„Selbstverständlich kennen wir die Tricks der Kids“, sagt Ralf Kessing, kommissarischer Leiter der Verkehrsinspektion in der Polizeiwache Süd an der Hansastraße. Dort wird jeden Tag ein mobiler geeichter Rollenprüfstand in einen Streifenwagen geladen. Die „Ausbeute“ der Roller-Kontrollen ist bemerkenswert. Nach einer realistischen Schätzung sind zwei Drittel aller in Deutschland zugelassenen führerscheinfreien Scooter „frisiert“. „Da werden in Deutschland Millionen Euro verdient“, weiß Polizeikommissar Jürgen Stein, der im Verkehrsdienst häufig Tempo-Sünder auf zwei Rädern jagt.

„Midracepower auf dem Hinterrad zur Schule/überhol’ ich 25er, das sind doch immer Schwule“, verbreitet ein angeblich 19-jähriger „Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik“ im Internet und hat auch den Spruch drauf, der sich an manchen Hauswänden und Garagentoren in Krefeld wiederfindet: „Scooter-tuning is not a crime“ — keine Straftat. Doch da liegen die Freaks falsch.

Wer seinen gedrosselten Serien-Scooter von einer Pferdestärke auf zehn und mehr PS „pimpt“, fährt ohne Fahrerlaubnis und ohne Versicherungsschutz, riskiert sein Leben und auch das anderer. Es drohen eine Führerscheinsperre und ein Eintrag ins Strafregister. Beides kann eine berufliche Karriere empfindlich stören.

Polizeikommissar Jürgen Stein nennt ein Beispiel: „Marc fährt mit seinem getunten Roller in die Seite eines Porsche. Der Schaden beträgt 15.000 Euro. Die Haftpflichtversicherung nimmt den Unfallverursacher in der Regel mit 5000 Euro in Regress.“ In der Verantwortung sind bei Minderjährigen auch die Erziehungsberechtigten, vor allem jene Eltern, auf deren Namen die Versicherung abgeschlossen ist.

So bekam die Mutter des Jungen, der innerhalb von vier Tagen zweimal in Hüls mit seinem getunten, aber ansonsten abgewrackten Roller erwischt wurde, zwei Anzeigen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis an den Hals. Jürgen Stein: „Sie muss erst einmal glaubhaft machen, dass sie von nichts wusste.“

Der Prüfstand zeigte eine Maximalgeschwindigkeit von 115 Stundenkilometern an — und davon war der Kulanzwert bereits abgezogen. Optimal „frisierte“ Roller bringen es sogar auf 140 Stundenkilometer. Kein Interesse hat die Polizei an Mofa-Rollern, die vom Werk schneller als erlaubt sind. Jürgen Stein: „Wenn einer 28 oder selbst 33 km/h schafft, interessiert uns das nicht.“ Grundsätzlich werden vom Messergebnis sechs Stundenkilometer abgezogen.

Die Mitarbeiter des Verkehrsdienstes wurmt es, dass vielen Eltern egal ist, wie der „Bock“ beschaffen ist, auf dem ihr Nachwuchs sitzt. „Die Kurbelwelle eines hochfrisierten Rollermotors macht bis zu 14.000 Umdrehungen pro Minute. Das hört sich an wie eine Kettensäge“, appelliert Jürgen Stein an die Eltern, auf den Sound zu achten. „Und wenn sie schon nichts hören, dann sollten sie wenigstens mal fühlen, ob Druck auf der Bremse ist.“ Der Hülser Freak hatte an seinem Scooter die Vorderbremse ganz entfernt. Motto: Ich will doch fahren, nicht stehen.

Anderes Beispiel: Die Schule war früher aus, der 16-jährige Uerdinger testete auf der Parkstraße seine frisch eingebauten Teile. Die Polizei war zur Stelle, der Beamte meinte zum Roller-Piloten: „Dein Talent könntest du ja auch anders nutzen“. Der Junge kontert: „Welches Talent? Das kann jeder in zehn, fünfzehn Minuten. Ist doch Kindergarten, einen Roller von 25 Stundenkilometern auf Tempo 70 oder 80 zu bringen.“

„Amphetamine for your engine“ (Amphetamin für deinen Motor) heißt es in der Internet-Werbung eines Tuning-Spezialisten. Bikini-Mädchen kuscheln sich an einen Auspuff, natürlich kein Serienprodukt. Die Beamten vom Verkehrsdienst vergleichen das mit der Drogen-Szene: „Da werden junge Leute regelrecht angepiekst. Später sollen sie ihr richtiges Motorrad oder ihr Auto aufmotzen. Das macht was her bei der Konkurrenz und den Mädchen. Alle wollen in der Riege mitspielen.“

Drogen spielen sowieso eine Rolle in der Szene, die sich besonders in Hüls und Uerdingen (jeweils 40 junge Leute) entwickelt hat. Es sei durchaus normal, dass auf dem Scooter ein zugekiffter Schüler sitzt, wissen die Polizeibeamten. Da kommt dann noch ein weiterer strafrechtlicher Aspekt hinzu.

Erst kürzlich verunglückte ein 16-jähriger Viersener mit seinem frisierten Mofa in Mönchengladbach tödlich: Er war mit hoher Geschwindigkeit und ungebremst gegen den Wagen einer 22-Jährigen geprallt. Die Frau erlitt einen Schock, ihr fünfjähriges Kind blieb unverletzt. Der 16-Jährige hatte sich im Alkoholrausch auf seinen Scooter gesetzt.

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