Dune ist ist eine mitreißende, brachiale, atemlose Sinfonie aus Spektakel, Sound und Storytelling, die so nur im Kino funktionieren kann. Eine filmische Odyssee, die ebenso fesselnd wie episch ist. Mit einer unfassbaren Tiefe in seinem Universum, mit all seinen Häusern, Planeten, Regenten, Völkern. Mit großen Budgets lassen sich große Massenschlachten entfesseln, rabiate Gewalt auf den Kino-Schirm beamen und doch gibt es nur wenige, denen es in den letzten Jahrzehnten trotz hunderter Millionen US-Dollar Budgets gelungen ist, wirklich epische Filme zu erschaffen. Vielleicht weil Belagerungen und Schlachten nur in ihrem Kontext emotionalisieren können: Auch ein gewisser Peter Jackson lässt sich viel, viel Zeit, um seine Charaktere aufzubauen, bevor die Schlacht von Helms Klamm losbrechen ließ vor nunmehr zehn Jahren.
Und ja, dafür braucht es starke Schauspieler: Oscar Isaac (Star Wars: The Force Awakens), Zendaya (Spider-Man: Homecoming), Jason Momoa (Aquaman, Game of Thrones) – Schauspieler, die mit ihren Rollen für Marvel und Star Wars in den letzten Jahren eher unterfordert wurden, können hier zeigen, was sie können an der Seite von Golden-Globe-Gewinnerin Rebecca Ferguson, die schon in The Greatest Showman stark aufgespielt hat. Und Newcomer Timothée Hal Chalamet, der eine unglaublich starke Leinwandpräsenz hat. Der ganze Geschichten mit seinen Augen erzählen kann, richtig gut. Denis Villeneuve ist auch ein talentierter Regisseur, der es richtig brutal krachen lassen kann (Sicario), der den großen Auftritt und die Monstrosität der Schlacht liebt. Aber auch kein Problem damit hat, einfach Stille wirken zu lassen und Totalen sehr lange zu halten – wie in Blade Runner 2049, so in Dune. Auch Der Herr der Ringe: Die Gefährten funktionierte einst so; quasi reine Exposition, reines Vorerzählen der Geschichte und Bauen der Welt, wobei uns Dune viel, viel öfter in den Kinositz drückt mit seiner Opulenz, für die sich Peter Jackson bis zum zweiten Film Zeit nahm.
©Warner Bros Pictures
Das ist, pardon – einfach geil. Das ist diese Bildgewalt, die nur das Kino entfesseln kann, auch wenn wir heute alle riesige 65 Zoll OLEDs mit Dolby-Atmos-Surround-Anlage im Wohnzimmer haben. Raketen der Harkonnen starten von weit über uns, von einem Spice-Harvester und zischen auf die Erde hinab, die Fremen verbrennend, die dort unten zum Angriff geblasen hatten. Spice ist die wichtigste Ressource in diesem Universum, in der nach einem tausende Jahre währenden Krieg gegen die Maschinen Technologie durch eine Art Droge ersetzt wurde, die Menschen unglaublich schnell rechnen und denken lässt – nur Spice ermöglicht es Raumschiffe durch den Kosmos zu steuern. Dabei fühlen wir uns immer wieder wie in Der Herr der Ringe, weil das Werk viel mit seiner Sprache spielt – „Dreams are memories from the deep. And memories are voice from the deep“, sagt es, nur in einer anderen, einer Alien-Sprache, die wir nicht verstehen – wir sehen nur die Übersetzung, aber es wirkt. Wir fühlen uns auf einen anderen Planeten transferiert. Dafür sorgt auch der fantastische Soundtrack von Hans Zimmer, der sich gefühlt mit jedem seiner Werke (Black Hawk Down, The Dark Knight, König der Löwen, Dunkirk) neu erfindet. Er harmoniert stark mit Villeneuve, der ein eigensinniger Regisseur ist: Wer Sicario gesehen hat, der weiß, wie kompromisslos und hart die Action ist, die uns der Kanadier um die Ohren haut. Man nehme Sicario und übertrage diese Kompromisslosigkeit auf die extremen Massenschlachten mit tausenden Soldaten eines Der Herr der Ringe und wir haben Dune. Müssen wir mehr sagen?
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Eine besonders spannende Rolle spielen dabei die Sandwürmer, die diese Über-Monstren sind, denen sich nicht mal die mächtigen Armeen der Artreides und Harkonnen stellen – es sind mysteriöse Wesen, gigantische Monster, die die komplette Leinwand ausfüllen und genau diese Momente liebt Villeneuve. Dune hat eine unglaublich intensive Bildsprache: Die Kamera ist nah an den Protagonisten dran, das Bild extrem scharf, wir können jede Falte sehen, jede Wunde, jede Narbe und unseren Figuren immer sehr klar in die Augen schauen, die oft mit blau leuchtenden Pupillen nochmal intensiver wirken. Der Film ist digital gedreht, daher kommt diese extreme Schärfe – und wurde dann auf 35 Millimeter übersetzt, so entsteht dieser ikonische IMAX-Look, den wir sonst nur von Christopher Nolan kennen. Die Nähe der Kamera zur Figur ist Villeneuve wichtig und auch richtig, denn es ist schwer für Schauspieler, gegen die Opulenz eines 165 Millionen US-Dollar schweren Blockbusters anzuspielen, bei denen ja oft in der CGI-Post-Production der eigentliche Filme entsteht. Besonders spannend ist dabei diese Diskrepanz zwischen Visuals und Voice – Stimmen flüstern oft, auf geheimnisvolle Art, dann schreien sie förmlich, um Befehle zu geben und Macht zu vermitteln.
Ein einzigartiger Film mit einem einzigartigen Look & Feel
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Dune ist unglaublich gut darin, seine Geschichte über Kostüme zu erzählen, die oft wirken wie königliche Gewänder des europäischen Mittelalters im Mix mit ägyptischen Pharaonen. Die Geschichte wird oft fast schon zeremoniell erzählt, im zweiten Drittel mit starker, lauter Stimme, häufig von Generälen, gespielt u.a. von Star-Wars-Star Oscar Isaac. Es ist schwer zu erklären, ohne zu viel zu verraten, aber was Dune unglaublich gut macht und nur wenige Filme vermögen, ist es, die Kultur seiner Völker in Bildsprache zu übersetzen. Ein Film ist kein Roman, der sich 50 Seiten Zeit lassen kann, zu erzählen, worum es geht, er muss die Intention, die kulturellen und religiösen Gepflogenheiten seiner Protagonisten relativ schnell rüberbringen – das ist insbesondere bei diesem Werk wichtig, denn Dune: Der Wüstenplanet dürften nur noch wenige in dieser extremen Detailverliebtheit im Kopf haben. Die Königshäuser hier sind nicht weniger komplex als in einem Game of Thrones, ein Kunststück dies in wenige Szenen herunter zu brechen. Der einzigartige Ton von Dune dient noch einem weiteren Zweck, denn der Film versucht, sich als neues Mega-Franchise zu etablieren. Sehenswerte Kritik von Nerdkultur:
Natürlich will Villeneuve neben einem Game of Thrones, einem MCU von Marvel oder Der Herr der Ringe stehen. Um dieses komplexe, mitunter durchaus krude Universum zu etablieren verbringt der Regisseur einen Großteil der Laufzeit damit, sein Publikum in diese seltsame neue Welt zu entführen, schwelgt in reichhaltigen Details und führt die Geschichte durch Kulturen und Schauplätze, die sich alle auf wunderbare Weise voneinander unterscheiden. Nichts ist hier konventionell, das ist es, was so viel Spaß macht: Wo ein Star Wars konventionelle Kampfjets aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in den Weltraum schickt (und uns auch damit über viele Jahrzehnte faszinierte), verwandelt Dune Raumschiffe in abgerundete Gebäude, die aus dem Skizzenbuch eines Apple-Designers stammen könnten. Von Arrakis über Caladan bis hin zu Giedi Prime – das Klima jedes neuen Ortes beeinflusst alles, was die Zivilisationen betrifft, und die Architektur, die Farbpalette und die Kulissen unterstreichen die schillernde Fantasie der Filmemacher.
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Alles ist ganz oft im Panorama-Shot festgehalten, unglaublich groß, als Zuschauer fühlen wir uns regelrecht klein in diesem Universum. Giedi Prime scheint einem H.R.-Giger-Albtraum entsprungen zu sein, während die höllischen Wüsten von Arrakis nicht nur die Art der Fahrzeuge und Kleidungsstücke bestimmen, mit denen man die ständigen Sandstürme und die sengende Hitze überlebt, sondern auch die Verhaltensweisen und Bräuche der Bewohner. Die Planeten und ihre Häuser sind es, warum Frank Herberts Roman so lange als unfilmbar galt – eigentlich ist Dune eher für eine Serie wie Game of Thrones gemacht, zu komplex ist die Ausgestaltung seiner vielen kulturellen Zentren auf den unterschiedlichen Planeten. Das ist auch der Grund, warum Dune Part One heißt. Dieses Werk braucht einen zweiten Teil, vielleicht auch einen Dritten, um auserzählt zu werden. Und da Warner jetzt HBO besitzt, dürfte Dune auch das nächste Game of Thrones werden. Dieser Stoff schreit nach einer TV-Serie. Dune ist auch sehr viel mehr Game of Thrones, als das seichte Star Wars. Es ist ziemlich düstere und erwachsene Science Fiction, auf die man sich einlassen muss.
Ein unglaublich komplexes Werk, faszinierend in einen Film übertragen
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Es gäbe so viel über Dune zu erzählen: Die Art und Weise, wie es sich arabischer Kultur, Geschichte und Symbolik nähert, um die Geschichte von Paul (Timothée Chalamet) zu erzählen, der keiner der beiden Kulturen angehört, aber der Film zieht zumindest eine klare, deutliche Linie zwischen dem Verhalten der Fremen und der ungebeugten, ungebrochenen, Natur von Arrakis selbst und zeigt damit eine entscheidende Nuance innerhalb der Welten, die er darstellt. Dune behandelt viele komplexe Themen, die von intergalaktischer Politik bis zu religiösem Fanatismus oder auch Geopolitik reichen: Der Duke und Regent des Wüstenplaneten möchte den Krieg mit dem dort lebenden Volk der Fremen beenden und beauftragt dafür seinen Sohn Paul, der jedoch Visionen und Träume hat, die ihn in einen … sagen wir mal, Gewissenskonflikt werfen. Denn seine Träume zeigen eine andere Zukunft, als sie sich sein Vater wünscht…
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Es gelingt Villeneuve und seinen Autoren, den Spagat zwischen reichhaltiger Geschichte mit tiefgehenden, gut geschriebenen Charakteren und opulenter Action zu schaffen, die nun mal das Kino braucht für einen Sommer-Blockbuster in einer Welt, die sich “alien“ anfühlt – viel schwerer definierbar, als etwa in einem Star Wars, visuell, aber auch kulturell. Es gibt da eine Welt, in der zum Erhalt von 20 Bäumen, die religiös gepriesen werden, stets 100 Menschen sterben und man nimmt das einfach so hin, weil es ja schon immer so war. Villeneuve lässt in solchen Momenten ganz oft seine Landschaft und Städte sprechen, weniger nur seine Bewohner. Er betritt damit neues Terrain, weil er ein Universum innerhalb eines Filmes erklärt, der nie langweilt, sondern stets mitreißt und uns hinterher philosophieren ließ wie einst das Ende von BioShock Infinite…
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Fazit: Ein Meisterwerk, das nur im Kino funktioniert
Völlig irre, was Dune auf die Leinwand wirft: Diese Farben, diese einzigartigen Bilder, diese gigantischen Maschinen. Es gibt so unfassbar viel zu sehen, das hier ist eines dieser Werke, die kann man drei, vier, fünfmal gucken und hat noch nicht alles gesehen, weil es tausende von kleinen Details geht, die jedes einzelne Szenario umspielen. Auch ein super spannender Cast: Timothée Chalamet, der gerade mit Wes Anderson dreht, dürfte einer der großen Stars der nächsten Jahre war – er trägt jede einzelne Szene. Jessica Ferguson spielt als geheimnisvolle Strippenzieherin eine Rolle wie in Game of Thrones, Zendaya hingegen eine enorm charismatische Widerstandskämpferin. Die richtig viel kann und das jetzt auch mal zeigen darf. Unfassbare Kulissen, umspielt von Hans Zimmer, der sich gefühlt mit jedem einzelnen Film ein Denkmal setzt als größter Komponist, den Hollywood je hatte. Gibt es etwas zu zu kritisieren? Ja, die Antagonisten sind vielleicht ein bisschen zu Klischee-böse und Action im Nahkampf geht oft sehr schnell durch – so wie in Blade Runner 2049. Auch müssen viele Charaktere noch weiter ausgearbeitet werden, aber das war in Der Herr der Ringe ja auch so. Ganz ehrlich, wie uns dieser Film in den Kinosessel gedrückt hat, Wahnsinn. Was ein Film – reingehen, Spaß haben, drüber reden. Pro:
- Der epischste Film seit Der Herr der Ringe
- Unfassbar gut und tief ausgearbeitetes Universum
- Jeder Planet hat seine eigene Bildsprache
- Opulente Massenschlachten wie bei Peter Jackson
- Starke Schauspielleistung durch die Bank
Contra:
- Weniger Kritikpunkt, muss man aber wissen: Das ist kein Film, wo es 2 Std. lang nur kracht, es gibt sehr viel zu erzählen
- Nahkampf-Szenen werden mitunter unnötig schnell abgespult
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