Übernahme weiter geplant

Elon Musk erklärt sich den Twitter-Mitarbeitern

17.06.2022
Von Redaktion Computerwoche
Kauft er Twitter oder kauft er nicht? Elon Musk wandte sich mit freundlichen Worten an die Twitter-Mitarbeiter. Unterdessen haben die SpaceX-Beschäftigten keine Lust mehr auf das großsprecherische Gehabe ihres Chefs.
In einem einstündigen Gespräch hat sich Elon Musk bemüht, den Twitter-Mitarbeitenden die Sorgen zu nehmen.
In einem einstündigen Gespräch hat sich Elon Musk bemüht, den Twitter-Mitarbeitenden die Sorgen zu nehmen.
Foto: Rokas Tenys - shutterstock.com

"Ich möchte, dass Twitter zu einer besseren Zivilisation beiträgt", sagte Musk am Donnerstag (16. Juni 2022) in einer Frage-und-Antwort-Stunde mit rund 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Social Networks. In den Wochen davor hatte er öffentlich über Twitter hergezogen und den Eindruck erweckt, als wolle er sein 44-Milliarden-Dollar-Übernahmeangebot wieder zurückziehen. In dem virtuellen Mitarbeitergespräch benahm sich der Multimilliardär nun so, als gehöre ihm das Unternehmen bereits.

Musk hatte dem Kauf im April zugestimmt, danach aber seine Übernahmeabsicht mehrfach wieder in Frage gestellt, da ihm das Twitter-Management angeblich Informationen über die tatsächliche Reichweite des Social Networks vorenthalte. Die Rede war von "Fake-Konten", mit denen die bisherigen Eigner den Kaufpreis künstlich aufgebläht hätten. Beobachter interpretierten diese Behauptungen eher so, als hätte Musk Angst vor der eigenen Courage bekommen und suche nun nach einem Weg, die Übernahmeankündigung ohne Gesichtsverlust wieder rückgängig zu machen.

"Die Natur des Universums besser verstehen"

Doch von einem Rückzieher bei Twitter war nun nicht mehr die Rede. Musk ging in einer überschwänglichen, manchmal auch abschweifenden Rede auf so unterschiedliche Themen wie Wachstum, möglichen Personalabbau, Anonymität, chinesische Apps, die Existenz außerirdischen Lebens und sogar die "kosmische Natur" von Twitter ein. So hoffe er, dass Twitter der Menschheit helfen könne, "die Natur des Universums besser zu verstehen".

Die Frage, die sich Beobachter angesichts des öffentlichen Auftritts stellen, ist, ob es der Tesla-Gründer nun wirklich ernst meint mit Twitter. Immerhin sagte Musk im von Twitters Chief Marketing Officer (CMO) Leslie Berland moderierten Gespräch, er wolle den Dienst auf mehr als eine Milliarde Nutzer weltweit ausweiten, was nahezu eine Vervierfachung der derzeitigen Nutzerzahl bedeuten würde.

Ann Lipton, Professorin für Unternehmensführung an der Tulane Law School, glaubt, dass Musk erneut taktiert. "Ich nehme an, dass er zweigleisig fährt", sagte sie gegenüber der New York Times, "vielleicht will er den Preis drücken oder das Geschäft doch noch absagen. Kommt es zustande, möchte er womöglich zusätzliche Investoren gewinnen". Sie fügte hinzu: "Wenn er öffentlich mit den Mitarbeitern spricht und versucht, ihre Bedenken zu zerstreuen, beruhigt das vielleicht weitere potenziellen Investoren. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das sein Plan B oder sein Plan A ist."

Twitter-Mitarbeiter dürfen im Home-Office arbeiten

Musk nahm auch zum Thema Remote Work Stellung, nachdem er den Mitarbeitenden seiner Unternehmen Tesla und SpaceX erst vor wenigen Tagen in deutlich formulierten Memos mitgeteilt hatte, dass er von ihnen erwarte 40 Stunden pro Woche im Büro anwesend zu sein. Die Beschäftigten von Twitter hatten die Diskussion mit Sorge verfolgt, konnten sie während in der Corona-Pandemie doch weitgehend aus dem Home-Office arbeiten. Musk sagte nun, die Entwicklung von Software sei etwas anderes als die tägliche Arbeit an Autos. Er sei bei Twitter offener für Remote Work, obwohl er auch dort einen schwindenden Corpsgeist befürchte, wenn sich die Menschen nicht mehr persönlich träfen.

Zu der Frage, ob es bei Twitter zu Entlassungen kommen werde, äußerte sich der Tesla-Chef sibyllinisch: "Im Moment übersteigen die Kosten die Einnahmen", sagte er. "Das ist keine gute Situation."

Unklar blieb auch, in welche Richtung Musk Twitter weiterentwickeln möchte. Offenbar strebt der Mitgründer des Bezahldienstes PayPal die Integration von Zahlungstechnologien an. Im Idealfall könnten Nutzer über Twitter Geld hin- und herschicken, ähnlich wie das bei Produkten wie Venmo oder Square Cash möglich sei. Er erwähnte auch die chinesischen Apps WeChat und TikTok als vorbildlich: WeChat sei auf erstaunliche Weise in das tägliche Leben der Menschen in China eingebettet, und TikTok sei alles, nur "nicht langweilig".

Musk, dem auf Twitter mehr als 98 Millionen Follower treu sind, hatte die Twitter-Übernahme in der Überzeugung angekündigt, das Potenzial des Dienstes werde bei weitem nicht ausgeschöpft. Er wolle das Unternehmen zunächst von der Börse nehmen und dann funktional grundlegend erneuern. Mit seinen ungestümen Auftritten in der Öffentlichkeit hat der Tesla-Gründer allerdings schon Einiges an Porzellan zerschlagen. Einige Twitter-Mitarbeiter zeigten sich wegen der oft provokanten Tweets und der oft unklaren Firmenpolitik besorgt.

SpaceX-Beschäftigte finden ihren Boss peinlich

Am Donnerstag verbreiteten zudem Mitarbeitende des Raumfahrt-Unternehmens SpaceX ein Memo, in dem sie die Auftritte ihres Chefs - auch auf Twitter - ausdrücklich rügten. Es werfe ein schlechtes Licht auf die Mitarbeiter. "Elons Verhalten in der Öffentlichkeit ist eine häufige Quelle der Ablenkung und Peinlichkeit für uns", heißt es in dem Brief, über den The Verge berichtete. "Als CEO und prominentester Sprecher ist er das Gesicht von SpaceX - jeder Tweet, den Elon sendet, ist de facto eine öffentliche Erklärung des Unternehmens." Musks Auftritte repräsentierten nicht "die Arbeit, die Mission und die Werte" des SpaceX-Personals.

Mit diesem Feedback im Hinterkopf trat Musk vor die Twitter-Mitarbeitenden. Kein Wunder, dass er sich versöhnlich und empathisch zeigte. Der reichte Mensch der Welt betonte, er wolle Twitter zu einer inklusiven Plattform machen und nicht zulassen, dass kriminelle Handlungen über das Netzwerk ausgeführt werden könnten. Er wolle auch niemanden zwingen, seinen echten Namen auf Twitter zu verwenden. Pseudonyme seien wichtig, um politische Ansichten auf dem Dienst ausdrücken zu können.

Auf die Frage, ob er vorhabe, CEO von Twitter zu werden, wenn er das Unternehmen übernehme, äußerte sich Musk unverbindlich. Letztendlich sehe er sich auch bei Tesla nicht als klassischen CEO, er verwies auf seinen dortigen Titel Technoking. Andererseits habe er viele Ideen für Produktverbesserungen, die er unbedingt einbringen wolle. "Ich erwarte, dass man in dieser Hinsicht auf mich hören wird", so die Ansage des künftigen Twitter-Chefs. (hv)