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Freedom Phone US-Konservative sollen überteuertes Billig-Smartphone kaufen

Mit diesem »unzensierbaren« Smartphone sollen sich rechte Amerikaner gegen die Dominanz der Technologiekonzerne wehren. Die Technik aber kommt aus China, und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist fragwürdig.
Website für das Freedom Phone: »Komplett. Unzensiert«

Website für das Freedom Phone: »Komplett. Unzensiert«

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Erik Finman behauptet zu wissen, wie man zu Geld kommt. In einem Video, das er im Juli auf Twitter postete , bezeichnete er sich als »jüngsten Bitcoin-Millionär der Welt«. Er habe es im Silicon Valley geschafft und schon viel erreicht, aber nun wende er sich von »Big Tech«, also den großen Technologiekonzernen ab, um für das Recht auf freie Meinungsäußerung zu kämpfen. Dafür habe er auch schon das passende Mittel entwickelt, das »Freedom Phone« und dessen unzensierbaren App Store.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Projekt von Finman für mediale Aufmerksamkeit sorgt. Im Jahr 2018, Finman war gerade 19 Jahre alt, finanzierte er den Prototyp eines »Dr. Octopus«-Anzugs. Inspiriert von einem vielarmigen Bösewicht aus »Spiderman«-Comics sollte das Exoskelett Menschen mit Bewegungseinschränkungen helfen, ein normales Leben zu führen.

Die rechten Apps sind vorinstalliert

Ganz ähnlich klingt nun, was Finman für das Freedom Phone verspricht. Das Gerät sei für freie Meinungsäußerung und den Schutz der Privatsphäre optimiert, heißt es auf der Website seiner Firma. Zudem werde es mit Anti-Tracking-Tools ausgeliefert und habe seinen eigenen, unzensierbaren App Store, den »Patri App Store«, für Parioten. Außerdem seien die Chat-App Parler und die des TV-Senders One America News Network (OAN) vorinstalliert.

Bei Anhängern von Ex-Präsident Donald Trump rennt Finman damit offene Türen ein. Das unter rechten Amerikanern populäre Twitter-Gegenstück Parler war von Trump-Anhängern unter anderem beim Sturm auf das Kapitol in Washington zur Kommunikation und Organisation genutzt worden. Apple und Google hatten die Apps daraufhin aus ihren App Stores geworfen, Amazon sie von seinen Cloudservern verbannt.

OAN wiederum steht im Ruf, rechte Verschwörungsfantasien zu verbreiten, wurde von Donald Trump während seiner Amtszeit regelmäßig auf Twitter zitiert. YouTube hatte den konservativen TV-Kanal zeitweise geblockt, weil der für ein angebliches Wundermittel gegen Covid-19 geworben hatte.

ClearOS statt Freedom OS

Aus Freedom OS, das Finman ursprünglich als Betriebssystem für sein Smartphone angepriesen hatte, ist allerdings nichts geworden. Stattdessen werden die Geräte nun mit ClearOS ausgeliefert, zu dem Finman schreibt: »Wir haben das erste massenmarkttaugliche Handy-Betriebssystem entwickelt, das auf Freiheit, Sicherheit und Datenschutz basiert.«

Tatsächlich gab es ClearOS Mobile jedoch schon lange vor dem Freedom Phone. Deren Hersteller, die Softwarefirma Clearcenter, behauptet, die Software gebe ihren Nutzerinnen und Nutzern die volle Kontrolle über ihre »digitale Identität, Privatsphäre und Sicherheit«. Zugleich listet sie mehr als 20 Handyhersteller auf, auf deren Geräten das System »eventuell« laufen könnte. Als Basis dient die freie Version von Googles Android.

Billig-Hardware aus China

Bei der Beschreibung der Hardware spart Finman nicht an Superlativen. Das Gerät habe einen randlosen Bildschirm, einen superschnellen Prozessor und mehrere Kameras, sagt er in seinem Video. Nach einem Blick auf das Datenblatt sollte man diese Aussagen mit einem guten Schuss Skepsis betrachten.

Dass der Prozessor acht Kerne hat, trifft heute auf fast alle Smartphone-Chips zu. Um welches Prozessormodell es sich konkret handelt, wird im Datenblatt aber nicht erklärt. Der Speicherplatz ist mit 4 GB Arbeitsspeicher und 64 GB Massenspeicher eher mager ausgestattet und der Bildschirm hat mit 720 × 1560 Pixeln eine für aktuelle Smartphones eher niedrige Auflösung.

All diese Daten allerdings passen zum Hersteller, den Finman laut eigenen Angaben für die Fertigung seiner Telefone auserkoren hat: Die Vorzeigehandys für amerikanische Konservative werde nämlich von dem chinesischen Billigproduzenten Umidigi hergestellt, wie er in einem Interview mit »The Daily Beast « erklärte. Welches Modell dieser Firma als Grundlage für das Freedom Phone dient, verrät Finman allerdings nicht.

Mit Blick auf das Preisschild des konservativen Smartphones scheint das auch verständlich, denn auf dem stehen 499,99 Dollar. Die Mobiltelefone von Umidigi hingegen werden auf der Handelsplattform Aliexpress zu Preisen zwischen 100 und 200 Dollar angeboten.

»Bestellen Sie jetzt«

Aber das alles scheint die Fans nicht zu stören. Die erste Charge jedenfalls ist »wegen überwältigender Nachfrage« schon ausverkauft, heißt es vom Unternehmen. Wie viele Exemplare des Freedom Phone Finman damit bereits abgesetzt hat, ist allerdings unklar. Die nächste Lieferung wird in seinem Onlineshop für November angekündigt. »Bestellen Sie jetzt, um sich Ihr Gerät zu sichern«, heißt es dazu auf der Seite.

Ganz mag sich Freedom Phone dann aber doch nicht von »Big Tech« lösen, zumindest nicht, wenn es ums Geld geht. Denn wer das unzensierte Smartphone nicht mit seiner Kreditkarte bezahlen will, kann das auch ganz modern von seinem iMac oder iPhone aus erledigen, per Apple Pay.