Spotify-Rückzug von Neil Young und Joni Mitchell: Wer ist Joe Rogan?

Joe Rogan moderiert einen der weltweit erfolgreichsten Podcasts: „The Joe Rogan Experience“.

Joe Rogan moderiert einen der weltweit erfolgreichsten Podcasts: „The Joe Rogan Experience“.

Wer jung sei, sich gesund ernähre und regelmäßig Sport mache, der benötige keine Corona-Impfung – so fing es an mit der Kritik im vergangenen Frühjahr. Es war das erste Mal, dass Joe Rogan in seinem Podcast „The Joe Rogan Experience“ mit einer fragwürdigen Theorie aufhorchen ließ. Der vorläufige Höhepunkt: Mit Neil Young und Joni Mitchell ziehen sich zwei Musiklegenden von der Streamingplattform Spotify zurück – weil sie nicht möchten, dass ihre Musik dort zu hören ist, wo Rogan und seine Gäste, darunter der Verschwörungstheoretiker und Virologe Robert Malone, seine Theorien verbreiten dürfen.

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Doch wer ist der Mann, der für eine kontroverse Diskussion sorgt? Dessen Sendung 270 Menschen aus Wissenschaft, Medizin, Physik und Gesundheitswesen dazu brachte, einen offenen Brief an Spotify zu schreiben? Der dennoch Bernie Sanders und Edward Snowden in seinem Podcast – einem der meistgehörten weltweit – diskutieren lässt, dem aber gleichzeitig Transphobie, Rassismus und nun Verschwörungstheorien vorgeworfen werden?

Joe Rogan: Vom Stand-up-Comedian zum Podcast-Star

Joe Rogan wird 1967 als Joseph James Rogan geboren, wollte als Kind Kickboxer werden. Doch mit 20 Jahren beginnt er seine Karriere als Stand-up-Comedian. Nebst Bühnenerfahrungen spielt er in Filmproduktionen mit, kommentiert im Fernsehen Kämpfe der Vereinigung Ultimate Fighting Championship und startet als TV-Moderator durch.

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Doch seine eigentliche Karriere begann erst 2009, als Joe Rogan mit dem Podcast „The Joe Rogan Experience“ startete – jener Podcast, der nun für den Zwist sorgt. „The Joe Rogan Experience“, bis 2021 unter anderem auf iTunes zu finden, ist einer der meistgehörten Podcasts weltweit, einzelne Folgen wurden bis zu 16 Millionen Mal heruntergeladen. Auf dem Streamingdienst Spotify, der seit 2021 für 100 Millionen US-Dollar die Exklusivrechte an dem Format hat, soll Rogan auf monatlich mindestens elf Millionen Hörerinnen und Hörer kommen.

Joe Rogan wird Homophobie und Rassismus vorgeworfen

Doch von Beginn an war Joe Rogan umstritten. Er nutzte das N-Wort in seinen Sendungen und sprach sich dagegen aus, dass Transgenderfrauen bei Kampfsport-Events gegen CIS-Frauen antreten dürfen. Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation MoveOn bezeichnete ihn als Person, die dafür bekannt sei, „Transphobie, Homophobie, Islamophobie, Rassismus und Misogynie“, also Frauenfeindlichkeit, zu propagieren.

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Trotzdem war Joe Rogan, der sich auch öffentlich für den legalen Konsum von Cannabis, LSD und anderen Drogen einsetzt, erfolgreich. Er schaffte es, die großen Stars zum Gespräch in seinen Podcast zu holen. Sie diskutierten gemeinsam mit ihm aktuelle Ereignisse der Weltpolitik oder was die Menschen eben so umtrieb – von Ernährung bis Philosophie. Meist kamen bekannte Menschen aus Politik und Wissenschaft, manchmal auch Autoren und Autorinnen oder Journalistinnen und Journalisten. Tesla-Gründer Elon Musk war dabei, Bernie Sanders (den Rogan unterstützt) ebenfalls – und das im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl. Auch ein dreistündiges Exklusivinterview mit Whistleblower Edward Snowden gehört zu Rogans Erfolgen.

Fake News zur Corona-Impfung: Anthony Fauci legt sich mit Joe Rogan an

Nur kurze Zeit nach dem Spotify-Deal begann die Corona-Radikalisierung Rogans. Im Frühjahr 2021 war es der Spruch, dass sich junge, sportliche und gut ernährte Personen keine Gedanken um eine Corona-Schutzimpfung machen müssten. Auf öffentliche Kritik von US-Virologe Anthony Fauci, Corona-Berater des Weißen Hauses, entschuldigte sich Rogan und bezeichnete sich selbst als „moron“, übersetzt Trottel, der keine ausgewiesene Quelle für Informationen bezüglich der Corona-Impfung sei.

Mehrere Monate gab es keine Vorfälle mehr, doch dann verglich er die Einführung des Corona-Impfpasses mit Maßnahmen einer Diktatur und wenige Tage später ließ er verkünden, dass er seine eigene Infektion mit Covid-19 durch Ivermectin behandelt habe. Ivermectin ist ein Mittel, das etwa bei Wurmbefall bei Tier und Mensch verwendet wird – und das unter Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretikern als Heilmittel gegen Corona gilt. Längst haben offizielle Stellen, darunter die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA, davor gewarnt, Ivermectin gegen Corona einzunehmen, da es nicht wirke und zudem gefährlich sei, da es bei falscher Anwendung und zu hoher Dosierung zu Vergiftungen führen kann.

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US-amerikanische Arzneimittelbehörde warnt vor Wurmkur gegen Corona

Nur wenige Tage bevor Rogan von seiner Ivermectin-Behandlung erzählte, hatte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) bereits auf Twitter klargestellt, dass es gefährlich sein kann, das Medikament gegen Corona einzusetzen. „Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Im Ernst, ihr alle, hört auf damit“, schrieb die FDA. Der Grund: Es gab zuvor mehrere Fälle, in denen Personen mit Vergiftungen ins Krankenhaus kamen, nachdem sie sich mit einer Form von Ivermectin, das in den USA frei zugänglich ist, gegen Corona schützen wollten oder eine Covid-19-Infektion damit behandeln wollten.

Der Eklat passierte schließlich in der Sendung vom 31. Dezember, als Joe Rogan den US-amerikanischen Virologen Robert Malone in seinem Podcast zu Wort kommen ließ. Um die Brisanz beurteilen zu können, muss man wissen, dass Malone in den USA ein äußerst umstrittener Gesprächspartner ist. In seiner Doktorarbeit widmete er sich einst der Forschung mit mRNA, das er in Liposomen mischte, um so Zellen zur Produktion von bestimmten Proteinen zu bringen. Er gilt damit als Pionier auf diesem Feld und seine Arbeiten sind Grundlage für die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen Sars-CoV-2. Malone wurde zu Beginn der 90er-Jahre gar als potenzieller Medizinnobelpreisträger gehandelt.

Twitter verfolgt Zensur, wenn es um Corona, alternative Behandlungsmethoden und Kritik an Impfstoffen geht.

Joe Rogan

Gesprächsgast Robert Malone: bei Twitter wegen Fake News gesperrt

Dennoch agierte er weitgehend ungeachtet von der Öffentlichkeit, bis er sich im Sommer 2021 als Kritiker der Corona-Maßnahmen, vor allem aber der mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, einen Namen machte. Gemeinsam mit Verschwörungstheoretikern und Vertretern der Rechten lief er auf und wurde zum Vorbild in der „Querdenker“-Bewegung. Er behauptet mehrfach, die Impfstoffe hätten Nebenwirkungen wie Fehlgeburten, die Pharmaindustrie, Politik und Medien vertuschen würden, und dass das Sterberisiko nach den Impfungen hoch sei.

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Von Twitter wurde Malone einen Tag vor der Aufnahme des Podcasts wegen des Verbreitens von Fake News gesperrt – eine Sache, die Joe Rogan „irritierend“ findet, da er „alle Tweets gelesen“ habe und sie „nicht problematisch“ findet. „Twitter verfolgt eine Zensur, wenn es um Corona, alternative Behandlungsmethoden, die Kritik an Impfstoffen und die Ablehnung von Schutzmaßnahmen geht“, so Rogan weiter.

In Joe Rogans Podcast: Robert Malone vergleicht Pandemiepolitik mit Holocaust

Drei Stunden, sechs Minuten und 17 Sekunden sprachen Rogan und Malone über die Pandemie, die Wissenschaft und Maßnahmen. Dabei inszenierte sich Malone als Opfer, das nur auf „unbequeme Fakten“ verweise und Interessenkonflikte benenne, und ließ mit Aussagen aufhorchen, dass die Politik Menschen hypnotisiere, wie die Nazis es in den 20er- und 30er-Jahren in Deutschland getan hätten, als man massenhaft Menschen dazu gebracht habe, einen Führer zu wollen. Er bezeichnete die Impfungen als „medizinisches Experiment“ und erklärte, dass eine halbe Million US-Amerikanerinnen und -Amerikaner an Covid-19 gestorben seien, weil die Regierung Medikamente blockiert habe.

Auch das Medikament Ivermectin kommt in der Sendung vor. Das habe man in Indien in Uttar Pradesh erfolgreich zur Vorbeugung gegen Covid-19 genutzt, aber die Welt habe Stillschweigen über dieses Erfolgsmodell vereinbart. Gleichzeitig verbreitete Malone die Fehlinformation, dass Impfungen potenziell tödlich seien und es in den USA zu einem Anstieg bei Todesfällen nach Impfungen gekommen sei. Krankenhäuser würden Geld dafür erhalten, Unfalltote als Corona-Tote auszuweisen. Joe Rogan intervenierte nicht, sondern stimmte Malone mehrfach zu.

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Fake News bei Joe Rogan: Wissenschaftler fordern Spotify zum Handeln auf

270 Menschen aus Wissenschaft, Medizin und Gesundheitswesen taten sich daraufhin zusammen und schrieben einen offenen Brief an Spotify. In der Folge mit Malone seien „falsche, gesellschaftsschädigende Behauptungen“ aufgestellt worden, weshalb Spotify die Sendung löschen sollte – was auf Youtube, wo die Videos zum Podcast veröffentlicht werden, auch geschehen ist.

Spotify hingegen redete sich heraus – was wiederum zu einer Reaktion von Neil Young führte, die die Schlagzeilen der vergangenen Tage auslöste.

Neil Young und Joni Mitchell entfernen ihre Musik bei Spotify

Der Sänger ist in seiner Kindheit an Polio erkrankt, noch heute machen ihm die Folgen der Lähmung seiner linken Körperhälfte zu schaffen. Neil Young hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er als Polio-Geschädigter um die Bedeutung von Impfstoffen weiß. Der Musiker drohte in einem inzwischen gelöschten offenen Brief, sich von Spotify zurückzuziehen, wenn der Podcast mit Joe Rogan nicht aus dem Angebot genommen werde. Young argumentierte mit der Verantwortung, die die Plattform für die Gesellschaft habe, und damit, dass potenziell tödliche Falschinformationen verbreitet würden.

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Spotify ließ sich nicht darauf ein und Young entfernte seine Titel von der Plattform. In einer Kettenreaktion zog sich auch Neil Youngs langjährige Freundin Joni Mitchell, deren linke Hand nach einer Polio-Erkrankung im Kindesalter ebenfalls in der Bewegung eingeschränkt ist, von Spotify zurück.

Edward Snowden unterstützt Joe Rogan via Twitter

Zahlreiche Menschen diskutieren seither auf Twitter und in den sozialen Medien, ob man Spotify nun boykottieren solle. Einige Nutzerinnen und Nutzer verweisen bereits darauf, den Dienst gekündigt zu haben – und tauschen sich darüber aus, welche Plattform eine Alternative darstellt. Auch andere Musiker solidarisieren sich mit Neil Young, etwa Peter Frampton oder Sebastian Bach.

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Doch nicht alle sehen eine Gefährdung in den Aussagen von Joe Rogan und seinem Gast Malone. Da wäre etwa Edward Snowden, der den Moderator auf Twitter in Schutz nimmt. Nur Menschen, die nie eine Sendung mit Joe Rogan gehört hätten, hätten eine starke Meinung über ihn. Man müsse sich nur das Logo zur Sendung ansehen, schreibt er in einem Thread, „welcher Teil davon weckt in dir die Erwartung einer zuverlässigen medizinischen Beratung?“. Snowden kritisiert, dass Rogan als Sündenbock dafür herhalten müsse, dass die Corona-Politik für Vertrauensverluste in Institutionen gesorgt habe.

Spotify sitzt die Debatte aus

Weitere Künstler haben sich bis Samstag nicht von Spotify zurückgezogen. Zu dem Vorwurf einiger Kritiker und Kritikerinnen, Neil Young habe nur einen öffentlichkeitswirksamen Anlass gesucht, um der Plattform mit ihren niedrigen Chargen für Musikerinnen und Musikern den Rücken zu kehren, hat sich der Sänger bislang nicht geäußert.

Der schwedische Streamingdienst Spotify schweigt in der ganzen Posse bisher weitestgehend. Man bedauere den Rückzug von Neil Young und hoffe, dass er bald zurückkomme, heißt es.

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