Mikrochips:Immer kleiner, immer schneller

Mikrochips: Ein Waferscanner ist das Herzstück der Chip-Fertigung. Das Gerät scannt den Bauplan des Chips und brennt ihn auf Siliziumscheiben, die Wafer.

Ein Waferscanner ist das Herzstück der Chip-Fertigung. Das Gerät scannt den Bauplan des Chips und brennt ihn auf Siliziumscheiben, die Wafer.

(Foto: ASML)
  • Mit der "EUV-Lithografie" sollen Mikrochips künftig kleiner und schneller werden. Darunter versteht man die Chip-Produktion mit "extrem ultravioletter Strahlung".
  • Anwendungen das autonome Fahren oder virtuelle Realitäten erfordern deutlich leistungsstärkere Rechner als heute.
  • Während die Chips selbst hauptsächlich in Asien und den USA gefertigt werden, sind europäische Firmen führend bei der Herstellung der dafür nötigen Maschinen.

Von Christoph von Eichhorn

Wer eine 120 Millionen Euro teure Maschine sehen will, muss Zeit mitbringen, um sich zuvor angemessen zu kleiden. Das heißt Schuhe ausziehen, in einen weißen Ganzkörper-Anzug steigen, Kapuze über den Kopf streifen. Laborschuhe und Latex-Handschuhe anziehen, Mundschutz fixieren. Am Schluss der Prozedur, die bei Ungeübten eine Viertelstunde dauern kann, schauen nur noch die Augen hervor. In einer Schleuse, die einem Flughafenscanner ähnelt, fegt ein Luftstrom die letzten Schmutzpartikel weg.

So gelangt man in den Reinraum des ASML-Konzerns im niederländischen Veldhoven - oder eher in ein Labyrinth aus Reinräumen, verbunden von weißen Gängen, durch die ein ganzer Bus durchpassen würde. Hinter Glasscheiben schrauben Angestellte in Schutzanzügen an glänzenden Apparaturen. Stecknadelgroße Löcher im Boden saugen permanent Luft ab und erzeugen leichten Unterdruck.

Nach ein paar riesigen Zwischentüren gelangt man zur Erklärung für den ganzen Aufwand: "NXE:3400B" ist groß wie ein Wohnmobil, 180 Tonnen schwer und besteht aus hunderttausenden Einzelteilen, die alle miteinander harmonieren müssen. Dieser sogenannte "Waferscanner" ist die derzeit modernste Maschine weltweit, um Mikrochips zu produzieren; und eins der empfindlichsten Geräte, das die Industrie je entwickelt hat. Im Inneren der Maschine ätzen Lichtstrahlen in einer Vakuumkammer nanometerkleine Strukturen auf Siliziumscheiben - die Basis für Transistoren, die am Ende einen Mikrochip bilden. Jedes Staubkorn, das hineingelangt, könnte diesen Prozess stören und die Chips unbrauchbar machen.

Autopiloten stoßen manchmal schon bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h an ihre Grenzen

Etwa 30 Jahre lang haben Physiker und Ingenieure an dieser Technologie getüftelt, die nur zwei Zwecke hat: Computerchips noch kleiner und noch schneller zu machen, als sie bereits sind. In iPhones der neuesten Generation surren beispielsweise acht Rechenkerne mit insgesamt etwa sieben Milliarden Transistoren, die bis zu acht Billionen Berechnungen pro Sekunde schaffen.

Braucht es noch mehr? Anders lassen sich wohl keine virtuellen Realitäten erschaffen, künstliche Intelligenzen erwecken oder vernetzte Fabriken bauen. Und auch das Potenzial von Big Data oder des Funkstandards 5G bliebe ungenutzt. Bei all diesen Technologien wachsen die Datenmengen exorbitant, was neue Computer erfordert. So leidet die Entwicklung autonomer Autos bereits an zu geringer Rechenleistung. Heutige Autopiloten stoßen in dynamischen Situationen teilweise schon bei 60 km/h an ihre Grenzen. Obwohl Bordcomputer mehrere Billionen Rechenschritte pro Sekunde schaffen. Die Mikrochip-Industrie ist überzeugt, dass nur eine einzige Technologie in der Lage ist, den nächsten Sprung zu bewältigen: Die EUV-Lithografie, Halbleiter-Herstellung mit "extrem ultraviolettem Licht".

Man kann sich die Produktion eines Chips wie die Belichtung eines Films vorstellen. Ein Lichtmuster wird auf eine empfindliche Siliziumplatte, den Wafer, gebrannt. Das zeichnet die winzigen Leiterbahnen des Chips vor. Dieser Schritt kann etliche Male wiederholt werden, so entstehen integrierte Schaltkreise mit teilweise mehr als hundert übereinander liegenden Schichten. Die Wellenlänge des Lichtstrahls entscheidet, wie filigran diese Strukturen werden - etwa so wie es von der Dicke eines Stifts abhängt, wie fein man damit zeichnen kann. Bislang kommt Licht mit einer Wellenlänge von 193 Nanometern zum Einsatz. Schon das liegt unter jenem Bereich, den das menschliche Auge noch wahrnehmen kann.

In der EUV-Maschine, die im holländischen Reinraum installiert wird, sind es nur noch 13,5 Nanometer. Bei dieser Größenordnung stellt die Physik völlig neue Ansprüche. Licht dieser Wellenlänge ist heikel, es wird von Molekülen in der Luft absorbiert. Daher muss der ganze Produktionsschritt im Vakuum ablaufen. Man kann keine gewöhnlichen Linsen einsetzen, um das Licht zu fokussieren, weil diese das Licht einfach schlucken würden. Stattdessen braucht es extrem glatte Spiegel, die den Lichtstrahl nanometergenau reflektieren und fokussieren. Und um die EUV-Strahlung überhaupt zu erzeugen, ist ein neuartiger Laser nötig, der eigens jahrelang entwickelt werden musste.

"Was Material und Werkzeuge angeht, ist Europa essenziell für die Chip-Herstellung"

ASML Cleanroon Assembly

ASML-Reinraum im niederländischen Veldhoven

(Foto: foto: ASML, Bart van Overbeeke)

Auf der Fahrt von der deutschen Grenze Richtung Veldhoven reiht sich ein Gemüsefeld an das nächste, wenig deutet darauf hin, dass in der Nähe eine der kompliziertesten Maschinen gefertigt wird, die Europa zu bieten hat. Das Know-how für den EUV-Prozess hat derzeit nur die Firma ASML, jedoch im Verbund mit zwei deutschen Partnern. So liefert der schwäbische Optik-Konzern Zeiss die Spezialspiegel, der bei Stuttgart ansässige Laser-Hersteller Trumpf ist zuständig für den Laserstrahl. Der Markt für solche Spezialmaschinen ist klein, derzeit sind nach Angaben von ASML weltweit ganze 44 EUV-Scanner in Betrieb, weitere 30 sollen dieses Jahr ausgeliefert werden. Zu den Kunden zählen alle großen Chip-Hersteller. "Was Material und Werkzeuge angeht, ist Europa essenziell für die Chip-Herstellung", sagt der stellvertretende Trumpf-Geschäftsführer Peter Leibinger. Im "Big Game" spiele man hingegen keine Rolle.

Gemeint ist die umsatzstarke Endproduktion der Mikrochips, die Firmen wie Samsung, TSMC oder Intel dominieren. So eine "Fab", wie deren Fabriken im Fachjargon heißen, kostet bis zu 20 Milliarden Dollar und muss seine Kosten innerhalb weniger Jahre wieder einspielen. In Deutschland würde allein die Baugenehmigung länger dauern als anderswo der Betrieb, mutmaßt Leibinger. Der größte heimische Produzent Infineon schaffte es kürzlich dank eines Zukaufs in den USA immerhin unter die weltweite Top Ten.

Mehr als ein halbes Jahrhundert war die Branche von der Formel getrieben, wonach sich die Dichte der Transistoren auf einem Mikroprozessor etwa alle zwei Jahre verdoppelt, bei etwa gleichbleibenden Kosten. Diesem "Mooreschen Gesetz", 1965 von Intel-Ingenieur Gordon Moore erstmals formuliert, folgen die Hersteller noch immer wie einem religiösen Dogma. Die Leistung der Chips verbessere sich alle paar Jahre, ohne dass diese teurer würden, sagt Leibinger. "Die Weltwirtschaft hängt davon ab!"

Kleinere Mikrochips haben neben mehr Leistung einen weiteren Vorteil: Die Schaltkreise arbeiten effizienter, brauchen also für die gleiche Berechnung weniger Strom. Das ist nicht nur in E-Autos wichtig, die so viel Reichweite wie möglich aus ihrer Batterie quetschen müssen, sondern auch für den Betrieb großer Datenzentren. Auch KIs sind Energiefresser: Laut Berechnungen des MIT setzt das Training eines Deep-Learning-Programms so viel CO₂ frei wie fünf Autos in ihrer gesamten Lebensdauer. Energieeffizienz ist daher dringend notwendig, auch wenn man an Smartphones denkt. Würde ein Chip heutiger Leistung mit der Technik aus den 1970ern produziert, wäre er groß wie ein Volleyballfeld.

Schrumpfen die Chips weiter, könnten bald Quanteneffekte ihre Funktion stören

Doch wie lange lässt sich die Miniaturisierung noch fortsetzen? "Moore's Law im klassischen Sinne gilt schon seit etwa zehn Jahren nicht mehr", sagt Jonathan Finley, Professor für Halbleiter-Nanostrukturen und Quantensysteme an der TU München. Seit etwa dieser Zeit stiegen die Taktfrequenzen in gewöhnlichen Computern nicht weiter an. Ein Grund ist, dass sich die Abwärme der Stromkreise bei immer dichterer Anordnung kaum noch ableiten lässt, die Mikrochips drohen also zu überhitzen. Allerdings war die Branche bisher sehr geschickt darin, Rechner auf andere Weise leistungsfähiger zu machen - etwa indem mehrere Prozessor-Kerne parallel rechnen.

Dennoch werde man demnächst, vielleicht um das Jahr 2025 herum, an physikalische Grenzen der Winzigkeit stoßen, sagt Finley. Die EUV-Technologie ermöglicht bereits Transistoren mit einer Größe von etwa fünf Nanometern. Spätestens bei zwei bis drei Nanometern werde die Elektronik ihre Zuverlässigkeit verlieren. Die Bauteile messen dann nur noch etwa zehn Atome, und die Gesetze der Quantenphysik werden sich bemerkbar machen: Die Elektronen, die durch die Schaltkreise strömen, verhalten sich dann nicht mehr zwingend wie ein Teilchen, sondern wie Wellen. Treffen zwei dieser Wellen aufeinander, löschen sie sich schlimmstenfalls aus, und der Prozessor liefert kein Ergebnis.

Doch die Verkleinerung sei wichtig, betont Finley. So seien von der EUV-Lithografie auch Spinn-offs zu erwarten, positive Auswirkungen auf andere Bereiche, wie man sie aus der Raumfahrt kennt. Der für die Chip-Produktion entwickelte Laser könnte beispielsweise in der Medizin eingesetzt werden, vermutet der Nanoforscher - um Isotope erzeugen, die für fortschrittlichere Kernspinuntersuchungen infrage kommen. Von besseren Geräten und Programmen ganz zu schweigen. "Am Ende profitieren wir alle."

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