Junge Nutzer ticken anders

Google fürchtet TikTok und Instagram

13.07.2022
Von Redaktion Computerwoche
Der Erfolg von TikTok und Instagram hinterlässt Spuren bei Google. Neben Youtube stehen auch der Kartendienst Google Maps und das Kerngeschäft der Internet-Suche unter Druck.
Google laufen die jüngeren Nutzer davon. Ihre ersten Adressen sind nun TikTok und Instagram.
Google laufen die jüngeren Nutzer davon. Ihre ersten Adressen sind nun TikTok und Instagram.
Foto: Nattakorn_Maneerat - shutterstock.com

Vor allem junge Internet-User nutzen Social-Media-Dienste wie TikTok und Instagram als Eintrittspforten ins Internet - und nicht mehr die Suchmaschine. Ein Google-Manager sprach auf einem Event darüber und räumte ein, dass Dienste wie die Google-Suche oder auch der Kartendienst Google Maps diese Konkurrenz unangenehm zu spüren bekommen.

Das Webzine Techcrunch zitiert Prabhakar Raghavan, Senior Vice President bei Google und verantwortlich für den Unternehmensbereich Knowledge & Information. Er hatte sich auf der Konferenz "Fortune Brainstorm Tech 2022" über die Perspektiven von Googles Produkten und über die Bedeutung von KI für den Internet-Konzern ausgelassen. Raghavan sagte in einer Diskussionsrunde: "Wir lernen wieder und wieder, dass jüngere Internet-Nutzer nicht den Mindset haben, den wir kennen." Die jüngere Generation habe andere Erwartungen und stelle andere Fragen als die bekannten Zielgruppen.

TikTok und Instagram für die schnelle Recherche

"Unsere Studien zeigen, dass etwa 40 Prozent der jungen Leute nicht mehr auf Google Maps oder in der Suche nachsehen, wenn sie beispielsweise irgendwo Essen gehen wollen. Sie gehen zu TikTok oder Instagram", sagte Raghavan. Er bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer konzerneigenen Marktanalyse, die US-amerikanische Web-Nutzer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren in den Mittelpunkt stellte. Die Daten wurden bislang nicht veröffentlicht, dürften aber demnächst auf Googles Competition Site zu finden sein. Dort ist auch zu lesen, dass Anwender Produktrecherchen heute zu 55 Prozent nicht mehr bei Google, sondern bei Amazon starten.

Sollte der Trend anhalten, könnte das Googles Brot-und-Butter-Geschäft mit Anzeigen rund um die Internet-Suche beeinträchtigen. Zudem wäre ein Gutteil der Arbeit, die Google in das Organisieren, Kuratieren und Empfehlen von Inhalten innerhalb von Diensten wie Google Maps investiert hat, für die Katz. Tools, mit denen Nutzer beispielsweise interessante lokale Restaurants nach ihrem Gusto entdecken können, würden jüngere Internetnutzer dann nicht mehr erreichen.

Jüngere User wollen visuell ansprechende Inhalte

Raghavan erklärte, dass die junge Generation an "visuell reichhaltigeren Formen" des Inhalteangebots interessiert sei. Viele hätten noch nie eine Landkarte auf Papier in der Hand gehabt, dennoch sähen Kartenprodukte für Smartphones noch so aus, als sei eine klassische Papierkarte eins zu eins für das Display nachgebildet worden. Das entspreche nicht den Anforderungen jüngerer Nutzer. "Wir müssen von neue Erwartungen ausgehen, und das erfordert andere technologische Grundlagen", so Raghavan.

Google Maps nutze beispielsweise Augmented Reality, um den Usern zu helfen, sich in ihrer Umgebung zurecht zu finden, anstatt sie zu zwingen, anhand eines blinkenden blauen Punktes herauszufinden, in welche Richtung sie gehen müssen. Auf der Entwicklerkonferenz Google I/O hatte der Internetriese diese und weitere Verbesserungen an Google Maps angekündigt. So wurden neue 3D-Modi und immersive Ansichten vorgestellt, damit Google Maps weniger wie das digitale Abbild einer Papier-Landkarte erscheint.

Google-Suche in gesprochener Sprache

Auch bei der Suchmaschine ändert sich laut Raghavan eine Menge. Schon jetzt gäben in einigen Ländern 30 Prozent der Nutzer ihre Suchanfragen per Sprache ein. Jüngere Internet-User warteten auch auf neue Augmented-Reality-(AR-)Angebote, sie wollten sich nicht mehr die Mühe machen, irgendwelche Keywords schriftlich einzutippen. Google bereite sich auf eine Zukunft vor, in der Anwender nur noch ihre Phones hochhalten und eine Suche auf der Grundlage dessen zu starten, was gerade auf dem Display angezeigt wird. Dabei könnten auch AR-Brillen eine wichtige Rolle spielen.

Das alles ändert allerdings nichts daran, dass Google momentan jüngere Nutzer an TikTok und Instagram verliert. Deshalb ist aus Sicht des Internet-Giganten die Zeit für Kompromisse gekommen. Im vergangenen Herbst kündigte Google daher an, mit Meta und TikTok an Vereinbarungen zu arbeiten, um deren Inhalte in der Google-Suche zu indizieren. Erste Ergebnisse sind bereits zu sehen: Wenn Verbraucher nach einem Schlüsselwort suchen und dahinter das Wort "TikTok" eingeben, wird Google TikTok-Videos als Ergebnisse anzeigen, bevor andere Standard-Webseiten zu sehen sind.

Brand-Mail an alle Google-Mitarbeiter

Die Herausforderer TikTok und Instagram dürfte auch Google-CEO Sundar Pichai im Hinterkopf gehabt haben, als er sich kürzlich in einer konzernweiten E-Mail an alle Mitarbeitenden richtete: "Um voranzukommen, müssen wir Unternehmergeist zeigen, unseren Fokus schärfen und mehr Hunger zeigen als an den sonnigeren Tagen", schrieb der Google-Boss. In einigen Fällen müsse konsolidiert werden, wo sich Projekte überschnitten, in anderen müssten Ressourcen auf Aufgaben umgeschichtet werden, die eine höhere Priorität hätten. Außerdem kündigte der Vorstandssprecher an, Google werde für den Rest des Jahres bei Neueinstellungen auf die Bremse treten.

Google steht mit diesem eher vorsichtigen Tritt auf die Bremse allerdings nicht allein da. Auch Microsoft hatte angekündigt, einen kleineren Prozentsatz seiner Stellen zu streichen, da sich im Zuge der Inflation und der sich anbahnenden Wirtschaftskrise der Tech-Sektor insgesamt abkühle. Gewohnt brachial geht der Facebook-Konzern Meta Platforms vor: Er kündigte an, die "Low-Performer" unter den Mitarbeitenden zu identifizieren und an die Luft zu setzen. (hv)