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Streit über Trump-Tweets Der Witwer und der Präsident

US-Präsident Trump verbreitet auf Twitter Verschwörungstheorien über den Tod einer jungen Frau vor fast 20 Jahren. Jetzt wehrt sich der Witwer - und fordert die Löschung der Tweets.
US-Präsident Donald Trump (am Memorial Day in Arlington): "Vielleicht, vielleicht auch nicht"

US-Präsident Donald Trump (am Memorial Day in Arlington): "Vielleicht, vielleicht auch nicht"

Foto: ERIN SCOTT/ REUTERS

"Mein Anliegen ist einfach: Bitte löschen Sie diese Tweets." Der Ton des Schreibens, das Timothy J. Klausutis in der vergangenen Woche an den CEO von Twitter, Jack Dorsey geschickt hat, ist flehentlich. Vor 19 Jahren starb seine Frau Lori Kaye Klausutis in Fort Walton Beach, Florida. Die Behörden sahen keinen Grund zur Annahme, dass es sich um ein Verbrechen handelte. Doch seit einigen Wochen wird auf Twitter behauptet, dass es sich um einen unaufgeklärten Kriminalfall handle - und zwar von Donald Trump.

Der US-Präsident hat sich zuletzt wiederholt für Ermittlungen gegen den früheren republikanischen Kongressabgeordneten und heutigen TV-Moderator Joe Scarborough ausgesprochen. Der Grund: Lori Kaye Klausutis arbeitete in Scarboroughs Abgeordnetenbüro, am 21. Juli 2001 wurde dort ihre Leiche gefunden. Sie wurde 28 Jahre alt.

Ihr Witwer schreibt in seinem Brief, es habe sich um einen Unfall gehandelt: Seine Frau habe einen nicht diagnostizierten Herzfehler gehabt, sei ohnmächtig geworden und mit dem Kopf auf dem Schreibtisch aufgeschlagen. So lautete auch die Einschätzung der Behörden. Wenige Stunden vor ihrem Tod habe sie Freunden noch erzählt, dass es ihr nicht gut gehe .

"Ist es nicht offensichtlich? Was geschieht nun? Ein totaler Spinner!"

Doch Donald Trump zweifelt die Erklärung an - und teilt auf Twitter munter Verschwörungstheorien, wonach Scarborough etwas mit dem Tod der Mitarbeiterin zu tun haben könnte. Am 12. Mai fragte der Präsident in einem Tweet, wann endlich eine Cold-Case-Ermittlung gegen "den Psycho Joe Scarborough" aufgenommen werde. "Ist er mit einem Mord davongekommen? Manche denken das", schrieb Trump. "Warum hat er den Kongress so still und schnell verlassen? Ist es nicht offensichtlich? Was geschieht nun? Ein totaler Spinner!"

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Scarborough, der seit 1995 Kongressabgeordneter war, hatte allerdings schon am 25. Mai 2001 angekündigt, sein Amt aus familiären Gründen niederlegen zu wollen - also Wochen vor Klausutis' Tod. Im September 2001 schied er dann offiziell aus dem Kongress aus.

Inzwischen ist Scarborough allerdings wieder in der Öffentlichkeit präsent: Bei MSNBC moderiert er die Nachrichten- und Talksendung "Morning Joe". Scarborough ist ein scharfer Kritiker des Präsidenten, 2017 trat er wegen Trump aus der Republikanischen Partei aus. Der Präsident wiederum ätzt seit Jahren gegen den früheren Politiker.

Die haltlosen Vorwürfe allerdings riefen den Witwer der Verstorbenen auf den Plan. In seinem Brief an Twitter-CEO Dorsey schreibt Timothy J. Klausutis, der Tod seiner Frau sei das Schmerzhafteste gewesen, das er je erlebt habe. Es sei ihm eine eheliche Pflicht, ihr Andenken zu schützen - gegen "ein Dauerfeuer von Unwahrheiten, Halbwahrheiten, Anspielungen und Verschwörungstheorien".

"Ein normaler Nutzer wie ich würde verbannt werden"

Trump gehöre zu jenen, die auf Twitter "Galle und Fehlinformationen" verbreiteten und damit das Andenken an seine Frau herabwürdigten. Zudem verletzte der Präsident mit seinen Tweets die Geschäftsbedingungen des Netzwerks: "Ein normaler Nutzer wie ich würde verbannt werden", schreibt Klausutis an Dorsey.

Doch Twitter will seiner Forderung bislang nicht nachkommen, Trumps Tweets sind weiterhin online. In einem Statement hieß es lediglich, man bedaure den Schmerz, den die Nachrichten der Familie zufügten. "Wir arbeiten daran, bestehende Produktfeatures und -regelungen auszuweiten, damit wir Dingen wie diese in Zukunft effektiver begegnen können", hieß es weiter. Die Änderungen sollen demnach "in Kürze" wirksam werden.

Twitter hat seine Regeln in der Vergangenheit nur zurückhaltend auf Spitzenpolitiker angewandt. Der Konzern begründete seine Strategie damit, dass Politiker anhand kontroverser Tweets zur Verantwortung gezogen und Diskussionen angeregt werden könnten. Im vergangenen Jahr schränkte Twitter diese Haltung allerdings ein: Politiker stünden nicht vollends über den Regeln. Fragliche Tweets können seither mit einem Warnhinweis versehen werden. Im März markierte das Netzwerk ein von Trump geteiltes Video als "manipuliert", einige Wochen später löschte es zwei Nachrichten des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

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Am Dienstag schrieb Trump in einem weiteren Tweet, er habe sich schon 2016 bei Interviews mit Scarborough und dessen Ehefrau Mika Brzezinski gefragt, "ob Joe so etwas Schreckliches hätte tun können. Vielleicht, vielleicht auch nicht", schrieb Trump weiter. "So viele unbeantwortete & offensichtliche Fragen, aber ich werde sie jetzt nicht stellen. Werden es die Ermittlungsbehörden irgendwann tun?"

Scarborough hingegen teilte auf Twitter mehrere Berichte über den Brief von Timothy J. Klausutis. Darunter war auch ein Zitat aus der "New York Times" : Es sei "allerhöchste Zeit", den Witwer mit dem Tod seiner Frau abschließen zu lassen - "und, vor allem, Lori Klausutis in Frieden ruhen zu lassen".

mes/AP