Chipfertigung: Was steckt hinter der EUV-Lithografie?

Christoph Riedel
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Chipfertigung: Was steckt hinter der EUV-Lithografie?
Bild: ASML

tl;dr: Bei der Chipfertigung geht ohne EUV-Lithografie in Zukunft nichts mehr. ComputerBase erklärt, was hinter der neuen Evolutionsstufe der Belichtungstechnologie steckt, und blickt zurück auf die Hürden, die von der Theorie bis zur Nutzung in der Praxis genommen werden mussten.

Exkurs: Wie werden Chips gefertigt?

Halbleiterchips werden heutzutage ausschließlich mittels Foto-Lithografie gefertigt. Dabei werden Fotolacke auf Wafern belichtet und die entstandenen Strukturen im Anschluss auf das Silizium des Wafers übertragen. ComputerBase hat diesen Prozess vor einiger Zeit im Bericht Vom Silizium zum Die: So werden aus Wafern im Reinraum Chips umfassend am praktischen Beispiel geschildert.

Wafer mit Lackschicht
Wafer mit Lackschicht

Extreme UV-Lithografie

Die Belichtung von Halbleiterchips mit extrem ultravioletter Strahlung (Extreme UV oder EUV) wird bei der Herstellung neuer Prozessoren und Grafikkarten in Zukunft im Vordergrund stehen. Seit Jahren wurde darüber gesprochen, jetzt ist sie langsam marktreif. Grundlage für die nachfolgenden Ausarbeitungen ist der im Sommer 2019 in der Zeitschrift Journal of Microelectronic Manufacturing erschienene wissenschaftliche Artikel EUV Lithography: State-of-the-Art Review von Forschern der Firma HiSilicon Technologies, einer Huawei-Tochter.

Das steckt hinter der Belichtung

Die Halbleiterbelichtung mit Licht und anderer elektromagnetischer Strahlung ist für die Herstellung von Chips auf der Basis von Silizium, wie sie in Prozessoren, Grafikkarten, Mikrocontrollern und SoCs genutzt wird, essentiell. Ein Hauptmerkmal für steigende Leistung und sinkende Herstellungskosten ist die fortschreitende Verkleinerung der Strukturgrößen in der Fertigung, die immer mehr Leistung auf immer kleinerem Raum ermöglicht. Bei dieser Verkleinerung spielt die Wellenlänge der gewählten Belichtungsquelle eine zentrale Rolle, denn kleinere Wellenlängen ermöglichen kleinere minimal belichtbare Strukturen.

Grund dafür ist das Abbe-Limit, eine fundamentale Grenze für den kleinsten Punkt, auf den sich Licht mithilfe einer Linse fokussieren lässt. Das Abbe-Limit ist proportional zur Wellenlänge des Lichts und antiproportional zum Brechungsindex des Mediums. Das bedeutet: Kürzere Wellenlängen und höhere Brechungsindizes ermöglichen kleinere Strukturen.

Während in den 1970er-Jahren noch vornehmlich die sogenannte G-Linie mit 436 nm Wellenlänge verwendet wurde, endete die Entwicklung mit der Einführung von Deep UV (DUV) und 193 nm Wellenlänge im Jahr 2001. Die weitere Verkleinerung der Strukturgrößen erfolgte durch einen Zwischenschritt, der Immersionslithografie, bei der Wafer und die Belichtungsoptik in Wasser getaucht werden. Der höhere Brechungsindex des Wassers (1,44) im Vergleich zur Luft (1,00) ermöglichte eine weitere Verkleinerung der Strukturgrößen. Die Kombination aus Immersionslithografie und DUV brachte den Fortschritt der Fertigung bis zur aktuellen 10nm/7nm-FinFET-Node von Intel und TSMC zustande.

In der Lithografie verwendete Wellenlängen des Lichts
In der Lithografie verwendete Wellenlängen des Lichts (Bild: Shigeru23, CC BY-SA 4.0)

Nach Jahren der Verspätung kommt jetzt die nächste Belichtungsstufe mit einer Wellenlänge von lediglich 13,5 nm in die Massenproduktion, die die Basis für alle zukünftigen Fertigungstechnologien sein soll: EUV.

Nicht erst die kommenden AMD-Produkte auf Basis von Zen 3 und RDNA2 werden den Einzug von EUV-Produkten bei Millionen von Konsumenten einläuten. Samsung hat bereits seit vergangenem August mehrere Chips mit 7-nm-EUV im Massenmarkt, auch Huaweis High-End-Chips nutzen TSMCs EUV-Fertigung.

Grundlage der Fertigung mit EUV-Lithografie ist stets die niederländische Firma ASML, die die Belichtungsmaschinen vorerst exklusiv herstellt und die schwierige Aufgabe hat, die Erkenntnisse aus der akademischen Forschung in handfeste Komponenten umzusetzen. Der Wert der ASML-Aktie hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht.

Bild ins Innere der ASML NXE:3400B
Bild ins Innere der ASML NXE:3400B (Bild: ASML)

Zehn Jahre von der Theorie zur Praxis

Doch welche Hürden wurden beim Schritt zur EUV genommen? Welche Herausforderungen stellten sich? Und wie viel atemberaubende Technik liegt in den aktuellen Fertigungssystemen?

Die Lichtquelle

Ursprünglich wurden für die Belichtung in der Lithografie einzelne Spektrallinien der Quecksilberlampe ausgewählt. Für die Erzeugung von DUV mit einer Wellenlänge von 193 nm werden seit den 2000er-Jahren hingegen Argonfluorid-Laser eingesetzt. Die Suche nach einem geeigneten, anregbaren Lasermedium ist die Herausforderung bei der Belichtung mit immer kleineren Wellenlängen.

Die Erzeugung von Strahlung mit einer Wellenlänge von lediglich 13,5 nm stellt immense Ansprüche an die in der Lichtquelle verwendete Technik. Das Licht wird aus einem Plasma aus Zinn gewonnen, das mithilfe eines Kurzpulslasers angeregt wird. Um das Plasma zu generieren, müssen zunächst von jedem Atom eines mikroskopisch kleinen Zinn-Tröpfchens die 20 äußeren Elektronen entfernt werden. Es entstehen zwanzigfach positiv geladene Sn20+-Ionen.

Der Trumpf Laser Amplifier, wie ihn ASML verwendet
Der Trumpf Laser Amplifier, wie ihn ASML verwendet (Bild: Trumpf)

Das 21. Elektron wird anschließend mithilfe eines hochleistungsfähigen CO2-Lasers von Trumpf mit 40 bis 60 kW angeregt und erzeugt beim Rückfall in den Atomorbit die gewünschte hochenergetische Strahlung, ähnlich der Flammenfärbung beim Feuerwerk. Die Dauer des Laserpulses beträgt dabei nur 10 ns. Die Effizienz liegt bei lediglich 0,6 Prozent: Beim ASML NXE:3400B werden mit einem 40-kW-Laser 250 W EUV-Strahlung gewonnen, die die Belichtung von 140 Wafern pro Stunde erlauben. Die seit Juli hergestellten ASML NXE:3400C stellen bereits eine Weiterentwicklung dar.

Die 27 µm großen Tröpfchen aus geschmolzenem Zinn müssen dabei hochgenau mit gleicher Größe und zeitlich regelmäßig nacheinander in die Kammer getropft werden, damit der Prozess stabil ist. Das Vorgehen wird auch als Angry-Bird-Prozess beschrieben, da man den Laser im richtigen Moment zünden muss, um die Zinntröpfchen optimal zu treffen.

Da die positiv geladenen und laserbeschossenen Sn20+-Ionen sich voneinander abstoßen, besteht die Gefahr von Zinnablagerungen in der ansonsten hochreinen und unter Unterdruck stehenden Kammer. Diese Verunreinigungen stellten eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von EUV-Systemen dar. ASML löst dies, indem Wasserstoff mit sehr geringem Druck in die Kammer eingeleitet wird, der mit dem Zinn zu Zinnhydrid reagiert und sich abpumpen lässt.

Jetzt ist das Licht erzeugt, aber noch lange nicht dort, wo es zur Belichtung benötigt wird.

Reflexionssystem und Optiken

Durchlässige Optiken können aufgrund ihrer hohen Absorption im UV-Bereich nicht für EUV verwendet werden. Stattdessen muss auf reflektierende Optiken zurückgegriffen werden. Auch Schutzgase absorbieren bereits zu viel Strahlung, weswegen der gesamte Strahlengang in ein Hochvakuum-System eingeschlossen sein muss. Beide Eigenschaften unterscheiden ein EUV-Lithografiesystem deutlich von den bisher eingesetzten DUV-Systemen, weswegen passende Komponenten komplett neu entwickelt werden mussten.

Herkömmliche Spiegel aus Silber oder Aluminium eignen sich aufgrund ihrer sehr hohen Verluste nicht für die Verwendung mit EUV. Stattdessen kommen Bragg-Spiegel aus abwechselnden Schichten aus Molybdän und Silizium zum Einsatz. Diese sind mit 70 Prozent ausreichend reflektierend für 13,5 nm und können außerdem ungewünschte Wellenlängen herausfiltern.

Wie die anderen Komponenten müssen sie hochgenau gefertigt werden und hochreine Schichten mit exakter Dicke und extrem glatt polierter Oberfläche sein, um Verluste zu vermeiden. Die Kombination aus Molybdän und Silizium verhindert dabei auch eine vorzeitige Alterung und Oxidation durch die EUV-Strahlung. Die Ebenmäßigkeit der Beschichtung hat mittlerweile eine Variation von weniger als 0,5 Prozent über einen kompletten 150-mm-Wafer. ASML arbeitet hier mit Zeiss zusammen.

Der Strahlengang in der ASML NXE:3400B im Detail
Der Strahlengang in der ASML NXE:3400B im Detail (Bild: ASML)

Die Fokussieroptik besteht aus den oben genannten Gründen ebenfalls aus Reflektoren, was erneut eine Neuentwicklung erforderlich machte. Die ersten Systeme haben dementsprechend eine verhältnismäßig geringe Fokussierstärke, ausgedrückt durch die Numerische Apertur (NA) von NA=0,33, was einem Einfallswinkel von ca. 20° entspricht. Etablierte DUV-Optiken erreichen eine NA von fast 1 durch einen Einfallswinkel nahe 90°, mit Immersionslithografie steigt die NA auf bis zu 1,44. Fortschritte in zukünftigen Fertigungsschritten wie 5 nm werden deutlich von Steigerungen der NA profitieren. Verbesserte Optiken mit NA > 0,5 befinden sich zurzeit in Entwicklung und bedürfen, neben einer deutlichen Vergrößerung der Spiegelfläche, unter anderem auch der Umstellung von sphärischen auf asphärische Fokussierspiegel.

EUV-Masken

Fotomasken beschatten die Bereiche des Wafers, die nicht belichtet werden sollen, und definieren so die hergestellten Strukturen. Dies geschieht herkömmlicherweise im Durchstrahlverfahren, das heißt, dass nicht beschattete Bereiche das Licht durch die Maske lassen. Die Fotomasken für EUV-Lithografie stellen eine besondere Herausforderung dar, da EUV von sehr vielen Materialien absorbiert und in Wärme umgewandelt wird. Damit das Material nicht erhitzt und verbrennt, muss die Maske also reflektieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jede Maske für jeden Zwischenschritt ein Bragg-Spiegel ist. Die Beschattung wird durch Absorber aus Tantalnitrid erreicht. Eine Schicht aus Ruthenium dient als Infrarot-Emitter, um die in den Absorbern entstehende Hitze abzustrahlen.

Da der Strahlengang extrem empfindlich gegenüber Verunreinigungen ist, werden vor die Maske Schutzscheiben gelegt, die den Strahlengang von außen abschließen. Da diese Scheiben die EUV-Strahlung wieder absorbieren können, ist die Anwendung ein Kompromiss, um die Reinheit im Strahlengang sicherzustellen. Siliziumnitrid ist dabei ein vielversprechendes Material mit geringer Absorption, das in einigen Forschungsansätzen mit Graphit, Graphen oder Kohlenstoffnanoröhren kombiniert wird, um optimalen Staubschutz bei minimaler Dicke zu ermöglichen.

Eine weitere Herausforderung in den letzten Jahren war die Herstellung des Substrats der Maske, nachdem eine Studie gezeigt hatte, dass 75 Prozent der Defekte durch die Substratherstellung auftraten und nur 25 Prozent durch die nachfolgende Abscheidung des Bragg-Spiegels sowie der Maskenbeschichtung. Durch Optimierung der Fertigung speziell für EUV-Substrate wurde die Maskenherstellung, bei der üblicherweise Zuliefererfirmen wie Applied Materials verantwortlich sind, in den letzten zwei Jahren so weit gebracht, dass Rauheit, Verformungen und andere Defekte gering genug sind, um sie kommerziell einzusetzen.

EUV-Masken sind deutlich anfälliger für Verunreinigungen in jeder einzelnen der vielen Schichten. Da die Maske in Reflexion verwendet wird, erzeugen kleinste Veränderungen in den Materialien Phasenunterschiede im reflektierten Licht, die auf dem Wafer als sogenannte Speckle sichtbar werden. Der Effekt ist ähnlich dem Muster, das man erhält, wenn man einen Laserpointer auf eine vermeintlich glatte Wand richtet. Je kleiner die verwendete Wellenlänge, desto kleiner müssen die Phasenunterschiede sein, bevor sie das gewünschte Lithografiemuster zerstören. Da diese Phasenunterschiede darüber hinaus unsichtbar für ein Rasterelektronenmikroskop sind, müssen die EUV-Masken stattdessen mit EUV-Licht inspiziert werden (Aktinische Inspektion), was die entsprechende Messtechnik weiter verteuert. In manchen Fällen können Verunreinigungen nach der Inspektion mit einem Elektronenstrahl entfernt werden, was die Maske rettet.

EUV-Fotolack

Die letzte Komponente für die erfolgreiche Belichtung eines Wafers ist der Fotolack, der je nach Material als positiver oder negativer Lack ausgelegt wird. Nach der Belichtung wird mithilfe eines Entwicklers der belichtete bzw. unbelichtete Teil des Fotolacks, entsprechend eines positiven bzw. negativen Fotolacks, entfernt. Wichtig ist zuerst die Empfindlichkeit des Lacks für eine Belichtung mit der entsprechenden Wellenlänge von 13,5 nm. Sobald ein entsprechendes Material gefunden ist, wird versucht, den Entwicklungsprozess mit variierenden Entwicklern, Entwicklungsdauern, Lackdicken und Bestrahlungsdosen auf das gewünschte Ergebnis zu bringen. Dabei gibt es immer einen Kompromiss zwischen der erreichbaren Auflösung, der Empfindlichkeit des Fotolacks und der Linienrauheit. Für EUV wurden unzählige Materialien mit all diesen Kombinationsmöglichkeiten experimentell, teilweise mit numerischen Simulationen, untersucht, bevor man kommerzielle Lösungen vorweisen konnte.

Vergleich von Positiv- und Negativlack nach der Entwicklung
Vergleich von Positiv- und Negativlack nach der Entwicklung

Eine Besonderheit bei EUV ist die hohe Energie der einzelnen Photonen, die oft mehr als ein Elektron im Fotolack anregen und dadurch Kettenreaktionen hervorrufen können, die die Rauheit der einzelnen Strukturen gegenüber DUV deutlich erhöht. Die Rezepte der Fotolackentwicklung mussten in mühevoller Arbeit darauf angepasst werden, was die kritische Linienrauheit auf zurzeit 3,5 nm reduzierte. Außerdem können Fotolacke während der Belichtung ausgasen, was weitere Schutzvorrichtungen zum Erhalt des Unterdrucks im Strahlengang nach sich zieht.

Fazit

Es ist nicht zu leugnen: Endlich kann EUV in der Massenproduktion von Halbleiter-Wafern eingesetzt werden und die Erwartungen sind hoch. Doch wie beschwerlich der Weg hierhin war, zeigt sich erst im Rückblick über die Hürden, die mittels internationaler Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung erreicht werden konnten. ASML begann nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2001 mit den ersten Arbeiten an einem Prototyp, der schließlich 2006 erschien. Vor zehn Jahren kam es dann zu der ersten prominenten Auslieferung eines EUV-Systems an TSMC.

Ob das alles Früchte trägt und die Verkleinerung der Strukturgrößen in gewohntem Maße voranschreitet, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Die ersten Produkte aus der EUV-Fertigung für den heimischen PC wird es voraussichtlich im zweiten Halbjahr dieses Jahres geben.

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