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Rekordverdächtige Steuernachzahlung Apples doppelte Heuchelei

Es ist eine der größten Steuernachzahlungen überhaupt: Apple muss 38 Milliarden Dollar für alte Auslandsgewinne an den US-Fiskus überweisen. Tatsächlich kommt der Konzern damit gut weg.
Apples neue Konzernzentrale in Cupertino, Kalifornien

Apples neue Konzernzentrale in Cupertino, Kalifornien

Foto: NOAH BERGER/ REUTERS

Apple zahlt in den USA 38 Milliarden Dollar Steuern nach! Apple investiert 30 Milliarden Dollar in den USA! Die Schlagzeilen, die seit Mittwochabend über den iPhone-Konzern aus Cupertino, Kalifornien, im Umlauf sind, klingen fast zu schön, um wahr zu sein. Nun haben solche Sachen ja bekanntlich oft einen Haken. Im Fall Apple ist das noch untertrieben: Hier sind es gleich mehrere.

Da ist zunächst die Demut, mit der Apple-Chef Tim Cook die rekordverdächtige Steuernachzahlung in der Öffentlichkeit verkauft. "Wir haben einen tiefen Sinn für Verantwortung", schalmeite der Manager am Mittwoch . Man wolle dem eigenen Land und den Menschen, die Apples Erfolg erst möglich gemacht hätten, "etwas zurückgeben".

Etwas zurückgeben, wohlgemerkt, das man dem Fiskus erst eigenmächtig vorenthalten hatte - jahrelang und mit maximaler Dreistigkeit.

Die Methoden, mit denen der Konzern Gewinne in dreistelliger Milliardenhöhe im Ausland hin- und hergeschoben und Abgaben darauf größtenteils vermieden hat, waren so perfektionistisch wie seine Produkte. "Apple hat den Heiligen Gral der Steuervermeidung gesucht", sagte schon 2013 US-Senator Carl Levin, der einen Untersuchungsausschuss zu den Steuertricks des iPhone-Bauers leitete.

Erzwungenes Verantwortungsbewusstsein

Dank der US-Steuerreform kann Apple seine Auslandsgewinne nun größtenteils behalten: Statt wie bislang 35 Prozent muss der Konzern nur noch maximal 15,5 Prozent Steuern darauf zahlen. Die Betonung liegt auf "müssen". Denn das neue US-Steuerrecht schreibt vor, dass Unternehmen auf die Auslandsgewinne, die sie angehäuft haben, in jedem Fall einmalig Steuern zahlen. Bislang mussten sie diese Steuer erst beim Rücktransfer dieser Gewinne in die USA abführen.

Tim Cooks Ankündigung ist also gleich doppelt heuchlerisch: Der Apple-Boss inszeniert die Rückzahlung als verantwortungsvollen Dienst an der Gesellschaft, obwohl er von der US-Regierung schlicht dazu gezwungen wird. Und er unterschlägt, dass er auf die Nachzahlung einen großzügigen Rabatt bekommt.

Und das ist noch nicht alles. Tatsächlich kommt die US-Regierung Apple noch in zwei weiteren Punkten entgegen. Der Konzern bekommt, erstens, für die Rückzahlung eine großzügige Frist eingeräumt. Die letzte Rate muss erst in acht Jahren überwiesen sein. Bis dahin kann Apple zumindest einen Teil des Gelds weiter anlegen und vermehren.

Zweitens kann der Konzern die rund 252 Milliarden Dollar, die er derzeit im Ausland parkt, nun wieder auf dem Heimatmarkt USA investieren und bekommt dafür - genau! - weitere Steuergeschenke.

Denn Donald Trumps Steuerreform besagt auch, dass die meisten Investitionen bis 2025 sofort und vollständig von der Steuer abziehbar sind. "Allein durch die 30 Milliarden Dollar, die Apple in den USA investieren will, winken bei einer Körperschaftsteuer von 21 Prozent Ersparnisse von mehr als sechs Milliarden Dollar", sagt Joachim Englisch vom Institut für Steuerrecht der Universität Münster.

Unterm Strich ist die gigantische Steuerrückzahlung für Apple somit weniger schmerzhaft, als es auf den ersten Blick erscheint. Hinzu kommt: Im Kern geht es um viel mehr als nur um Apple. Die Rückzahlung des iPhone-Bauers ist nur das Symptom einer neuen, stark nationalistischen, stark protektionistischen US-Wirtschaftspolitik, die weltweite Folgen haben dürfte.

Wie die USA im Standortwettbewerb punkten

Mit ihrer Steuerreform versucht die Trump-Regierung alles dafür zu tun, dass es für US-Unternehmen unattraktiv wird, ihre Gewinne in Steueroasen zu verschieben. Neben Apple haben noch viele weitere US-Konzerne gewaltige Summen im Ausland geparkt, unter anderem die IT-Riesen Google und Amazon sowie die US-Bank Goldman Sachs. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa haben US-Firmen insgesamt mehr als drei Billionen Dollar auf Auslandskonten angehäuft.

All diese Unternehmen sollen nun nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" zu Patrioten umerzogen werden. Sie werden einerseits gezwungen, auf Auslandsgewinne Steuern zu zahlen - und andererseits durch neue Steuergeschenke dazu animiert, verstärkt in den USA zu investieren. Neben der erzwungenen Nachzahlung auf Auslandsgewinne und den sofortigen Abschreibungen auf Investitionen werden dazu noch weitere Maßnahmen ergriffen.

"Unter anderem müssen US-Unternehmen dem heimischen Fiskus auch auf künftige Auslandsgewinne einen Aufschlag zahlen, wenn die Gewinne außergewöhnlich hoch ausfallen und aus Sicht der US-Regierung im Ausland zu niedrig besteuert werden", sagt Johannes Becker, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft der Universität Münster.

"Gleichzeitig bekommen sie auf Auslandsgewinne großzügige Steuernachlässe, wenn das im Ausland erzielte Einkommen Patenten und Markenrechten in den USA zugerechnet wird", sagt Becker. Dies solle der weitverbreiteten Praxis vorbeugen, dass Konzerne Patent- und Markenrechte an Tochterfirmen in Steueroasen übertragen, von den Mutterfirmen hohe Gebühren auf diese Rechte verlangen und so die Gewinne in Steueroasen verschieben.

All diese Maßnahmen dienen dazu, möglichst viel Geld in die USA zu saugen. Für die Europäische Union ist dies gleich ein doppelter Rückschlag. Hunderte Milliarden an Steuereinnahmen, die aus Umsätzen in Europa stammen, fließen zurück in die USA. Die betroffenen EU-Staaten gehen leer aus, weil sie Steuerschlupflöcher in Ländern wie Irland zu lange nicht gestopft haben. Gleichzeitig fällt Europa im internationalen Standortwettbewerb ein Stück weit zurück.

Zusammengefasst: Apple verkauft seine geplante Steuernachzahlung in den USA als Akt gesellschaftlicher Verantwortung. Dabei wird der Konzern von der US-Regierung schlicht dazu gezwungen, endlich Abgaben auf Gewinne abzuführen, die er seit Jahren im Ausland parkt. Die angekündigte Rückzahlung des Konzerns ist zudem ein Symptom für die Nationalisierung der US-Wirtschaftspolitik.