No-Spy-Abkommen

Wie die NSA-Affäre öffentliche IT-Projekte beeinflusst

28.01.2015
Von  und
Rechtsanwalt Fabian Niemann ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Bird & Bird und spezialisiert auf die Bereiche Technologie, Urheberrecht und Datenschutz.
Rechtsanwalt Guido Bormann ist Partner der Praxisgruppe öffentliches Wirtschaftsrecht bei Bird & Bird.
Die Aktivitäten der Geheimdienste haben viele Unternehmen aufgeschreckt. Aufgrund des sogenannten "No Spy"-Erlasses von Ende April ergeben sich daraus vor allem rechtliche Fragen. Ganz besonders, wenn es um das Vergaberecht bei öffentlichen Ausschreibungen geht.

Gefühlt begann mit den Enthüllungen von Edward Snowden im Sommer 2013 eine neue Epoche im Datenschutz. Das Vertrauen in die Sicherheit von "europäischen Daten", die in den USA gespeichert sind, erreichte den Nullpunkt. Rufe wurden laut, dass personenbezogene Daten (also Daten, die in einem Bezug zu einer natürlichen Person stehen - nur solche sind von deutschem Datenschutzrecht erfasst) aus der EU überhaupt nicht mehr in die USA transferiert werden dürfen. Mehr noch: es dürfe auch keinen Zugang auf in der EU lagernde oder gesammelte Daten mehr aus den USA geben. So die oberste Instanz der deutschen Datenschützer.

Europäischer Datenschutz und Datentransfers in die USA gehen nicht zusammen.
Europäischer Datenschutz und Datentransfers in die USA gehen nicht zusammen.
Foto: IckeT - Fotolia.com

Die Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder verfasste im Juli 2013 eine Presseerklärung, wonach "der Transfer von personenbezogenen Daten in die USA nicht mehr genehmigt" würde und zudem geprüft werde, ob bestehende US-Transfers "ausgesetzt" werden müssen. Ein Paukenschlag, der für viel Verwirrung im Markt gesorgt hat. Denn fast jedes größere Unternehmen steht in Handelsbeziehungen mit den USA und tauscht (auch personenbezogene) Daten aus. War das nun alles illegal? Bedeutete die Stellungnahme der Datenschützer quasi ein Handelsembargo?

Datentransfers in die USA

Snowden offenbarte der Welt zunächst einmal, dass Geheimdienste fleißig Informationen, sprich Daten, sammeln. Was angesichts der Aufgaben eines Geheimdienstes nicht wirklich überraschte. Was allerdings überraschte, war dessen Ausmaß. Klar wurde, die NSA speicherte auf Vorrat unbegrenzt Kommunikationsdaten, Telefongespräche und Emails in riesigen Rechenzentren. Dieses Ausmaß, verbunden mit dem Umstand, dass die meisten großen Internet- und Cloud-Anbieter (wie Amazon, Facebook, Google und Microsoft) in den USA, also der unmittelbaren Herrschaftssphäre der NSA sitzen, führte zu der genannten Reaktion der Datenschützer.

Mittlerweile hat sich die erste Aufregung gelegt. Tatsächlich verschwieg die oben erwähnte Presseerklärung, dass US-Transfers in der Regel gar nicht genehmigungsbedürftig sind und in die Zuständigkeit des Gesetzgebers, nicht aber der Datenschutzbehörde fallen. Das wäre so, als wenn die Steuerfahndung verkünden würde, die Selbstanzeige sei aufgehoben. Natürlich wussten die Datenschutzbehörden das. Ihnen ging es einzig darum, Aufregung im Markt und Druck auf die USA und die Politik über deutsche Unternehmen zu erzeugen. Das gelang zumindest teilweise.

Denn die EU stellt derzeit ihre datenschutzrechtlichen Beziehungen mit den USA auf den Prüfstand und denkt über Verschärfungen nach, US-Größen wie Microsoft und Google wenden sich relativ aggressiv gegen ihre eigene Regierung. US-Transfers gibt es aber in der Privatwirtschaft nach wie vor, sie werden nicht unterbunden, und sie sind auch datenschutzrechtlich nicht illegal. Anfang April hat sogar die sogenannte "Artikel 29 Datenschutzgruppe", in der die nationalen Datenschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, ausdrücklich die Cloud-Angebote von Microsoft als EU-datenschutzkonform bewertet. Datenschutzrechtlich wichtig sind demnach eine sorgfältige Anbieterauswahl und eine rechtliche Prüfung der Vertragswerke. Grundsätzlich unzulässig sind US-Transfers nicht. Vor diesem Hintergrund muten die Äußerungen der deutschen Politik für den öffentlichen Sektor, insbesondere der "No Spy"-Erlass, sowohl verspätet als auch übertrieben an.

Auswirkungen aufs öffentliche Vergaberecht

Öffentliche Vergaben werden durch die aktuellen, oben skizierten Entwicklungen zunächst nicht grundlegend verändert. So bleibt der allgemeine Ablauf des Vergabeprozesses unberührt. Er hängt grundsätzlich davon ab, welche Vergabeart einschlägig ist und von der ausschreibenden Behörde gewählt wird. Dabei werden im Wesentlichen drei Arten von Vergabeverfahren unterschieden: das "offene Verfahren", das "nicht offene Verfahren" und das "Verhandlungsverfahren", die beiden letztgenannten jeweils mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb.

Das offene Verfahren

An einem offenen Verfahren kann sich zunächst jedes nationale, europäische oder internationale Unternehmen beteiligen, das ein Interesse an dem ausgeschriebenen öffentlichen Auftrag hat. Nach Abruf der Vergabeunterlagen - der technischen Leistungsbeschreibung, der Teilnahmebedingungen für das Vergabeverfahren, des Vertrags sowie weiterer Unterlagen im Einzelfall - gibt das Unternehmen ein Angebot mit den von Ihm abgeforderten Nachweisen, Erklärungen, Preisen und sonstigen Informationen ab.

Das nicht offene Verfahren

Im nicht offenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren steht vor der Angebotslegung zunächst ein Teilnahmewettbewerb. Von allen (in- und ausländischen) Unternehmen, die Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag signalisiert haben, werden in einem ersten Schritt nur diejenigen ausgewählt, die über die notwendige Eignung verfügen - über die fachliche, technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie Gesetzestreue und Zuverlässigkeit. Nur diese Unternehmen sind im weiteren Vergabeverfahren berechtigt, ein Angebot für den Auftrag abzugeben. Bei dem Verhandlungsverfahren kommt als Besonderheit hinzu, dass allein bei dieser Ausschreibungsform die öffentliche Hand mit den einzelnen Bieterunternehmen über die Modalitäten des ausgeschriebenen Auftrags verhandeln kann - beispielsweise Vertragslaufzeit, Vertragsstrafen, Haftung oder Preise.