Apple-Strategie:Tim Cook zeigt neues Spielzeug für Entwickler

Tim Cook

Tim Cook auf der Bühne: Er hat eine Strategie für Apple gefunden

(Foto: AP)

Kunden sind zwar wichtig. Aber Entwickler sind erst einmal wichtiger. Die neue Strategie von Tim Cook könnte aufgehen.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Wer Bling-Bling erwartet hatte, verstand von der Keynote der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC wahrscheinlich nur Blabla. Auf den ersten Blick stellte der Konzern in San Francisco erstaunlich wenige spannende Funktionen für seine neuen Betriebssyteme Mac OS X 10.10 Yosemite und iOS 8 für iPhones und iPads vor, die der Konkurrenz voraus sind. Und zu neuen Geräten gab es, erwartungsgemäß, keine Neuigkeiten.

Und doch war die WWDC-Keynote die wichtigste Apple-Veranstaltung seit langem. Denn hinter dem Abfeiern mancher mittelmäßiger Features (wie der Selbstverständlichkeit, dass der drahtlose Datentausch Airdrop jetzt zwischen Mac und iOS-Geräten funktioniert) und dem Marketing-Sprech "Das beste xyz aller Zeiten" zeichnet sich ab, dass der Konzern aus Cupertino einen Plan für die Zukunft hat.

Die Strategie lässt sich mit dem Satz beschreiben: Ködere sie, und binde sie an dich. Apple verknüpft die Mac-Welt mit dem iOS-Universum, über eine optische Annäherung bis hin zur Tatsache, dass sich die Computer gegenseitig erkennen und auf dem iPhone gestartete Apple-Anwendungen wie E-Mail nun auf dem Mac-Computer vollenden lassen.

Mobil und Mac kommen sich ganz nahe

Eine einheitliche Produkterfahrung über Geräte-Grenzen hinweg ist ein gutes Argument für zahlungskräftige Kunden, sich komplett von Apple ausstatten zu lassen. Das ist der Köder, um den Weg in die Umklammerung des Apple-Ökosystems zu finden.

Einzig Microsoft mit seiner Windows-Welt geht einen ähnlichen Weg, PC- und Mobil-Windows immer stärker einander anzugleichen. Doch der Konkurrent aus dem amerikanischen Nordwesten verkauft nur wenige Windows-Telefone und verdient kaum Geld an der Hardware.

Die Apple-Strategie ist auch dort erkennbar, wo der Kern der diesjährigen WWDC liegt: in den neuen Möglichkeiten für Entwickler. CEO Tim Cook hat offenbar begriffen, wie wichtig die Software-Bastler sind, die Apples Geräte mit Leben füllen.

Mit Swift hat der Konzern deshalb eine eigene Programmiersprache entwickelt. Ein gigantisches Projekt, das mit der Entwicklung der ersten iPhone-Software vergleichbar ist.

Swift - ein gigantischer Schritt

Swift ist, so der erste Eindruck der Entwickler-Community, deutlich simpler gehalten als die Sprachen, die bislang häufig in der App-Programmierung zum Einsatz kamen. Der Preis für diese Vereinfachung: Swift ist auf die Apple-Betriebssysteme ausgelegt, der Quellcode ist nicht öffentlich nachvollziehbar, sondern geheim.

Wer sich als Programmierer also von den neuen Möglichkeiten locken lässt, kettet sich zwangsläufig an den Konzern, dessen Software und dessen Geräte. Das erinnert nicht nur zufällig an die Strategie, die Microsoft einst mit Windows verfolgte, das für Programmierer unumgänglich war. Sollte Swift über seine Beliebtheit in der Entwickler-Community einen kräftigen Sog entwickeln, könnte sich am Ende hier der Wettbewerb der Betriebssysteme entscheiden - und nicht, wie viele annahmen, durch die besseren Geräte.

Apple setzt auf die Anwendungen der Zukunft

Im Kampf um die Entwickler ist Apple auch mit zwei anderen Projekten eingestiegen: Programmierer können iPhone und iOS zu Schnittstellen-Gadgets für das vernetzte Heim ("Homekit") und zur Plattform für ihre Gesundheitsanwendungen ("Healthkit") machen.

Das Smartphone als Fernbedienung für den Haushalt, die auf den Befehl "Gute Nacht" alle Rollläden schließt und die Alarmanlage anschaltet; als Gesundheitsgadget, das über Sensoren vom Herzschlag bis zum Blutzuckerspiegel alles misst und bei Abweichungen von der Norm automatisch den Arzt alarmiert. An solchen Zukunftsvisionen wird gerade in den Softwareschmieden der Welt fiebrig gebastelt.

Alle großen Smartphone-Hersteller wollen zu den Plattformen werden, auf denen wir unser Leben per Wischgeste verwalten - und Apple hat gute Chancen, solche Anwendungen für einen Massenmarkt zu öffnen - und ganz nebenbei dafür die entsprechende Sensoren-Hardware zu produzieren, beispielsweise Kopfhörer mit eingebauten Messgeräten.

Auch die Identifizierung durch den Fingerabdruck, was bisher das Telefon entsperrt, könnte so eine Anwendung der Zukunft sein. Apple hat das Feature nun auch für Entwickler freigegeben, die mit ihm beispielsweise neue Bezahlsysteme basteln können.

Tim Cook hat eine Strategie

Ob all diese Pläne so aufgehen, wie Apple sich das vorstellt? Und werden sie dafür sorgen, dass der Konzern weiterhin mit seinen Hardware-Verkäufen die gigantischen Gewinnerwartungen der Börse erfüllen kann?

Die Antwort gibt es in einigen Monaten, wenn Apple seine neuen Produkte vorstellen wird. Eine Antwort aber hat die WWDC gegeben: Tim Cook hat eine Strategie für den Konzern nach der Ära Steve Jobs gefunden. Und sie könnte funktionieren.

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