Das erste Wasteland veröffentlichte Brian Fargo anno 1988, seine spielerische Freiheit und knallharten Kämpfe in der schwarzhumorigen Postapokalypse sicherten ihm schnell Kultstatus und machten es später zum Vorbild für Fallout. Aber diese alte Glanzzeit ist lange vorbei, Fargos neues Team inXile Entertainment ist bislang vor allem für das witzige, aber nicht überragende The Bard's Tale bekannt. Und jetzt also Wasteland 2, das erste in der Riege der großen Kickstarter-Rollenspiele, die ein neues Zeitalter für das Genre einläuten wollen.
Gleich vorneweg: Den Kultstatus des ersten Wasteland wird der Nachfolger wohl nicht erreichen - aber ein riesiges, komplexes Fest für Rollenspielveteranen ist er trotzdem geworden. Den Vorgänger muss man dafür übrigens nicht kennen, auch wenn uns das neue Wasteland 15 Jahre später ins gleiche Endzeit-Szenario entführt und nicht mit Anspielungen geizt.
Aber die Ausgangslage ist schnell kapiert: Ein nuklearer Krieg, den heute niemand mehr so recht erklären kann, hat die Erde in eine verseuchte Wüste verwandelt und den Großteil unserer Zivilisation vernichtet. Zurückgeblieben sind Siedler, Banden von Plünderern und irre Kultisten, die sich alle verzweifelt ans Leben klammern. Und dann sind da noch wir, die Desert Rangers, die nicht nur überleben wollen, sondern auch einen Hauch von Recht und Ordnung in die Wüste zurückbringen möchten.
Wasteland 2 in der Ranger Edition
Neben der normalen Verkaufsversion von Wasteland 2 für rund 30 Euro gibt es noch die Ranger Edition (zum Release für 37 Euro bei Amazon.de). Neben der Vollversion des Spiels enthält diese Fassung noch ein gedrucktes Handbuch, den offiziellen Soundtrack, eine ausgedruckte Karte der Spielwelt (fehlte nur in unserer Version für das Boxenstopp-Video, ist sonst aber dabei), fünf Sammler-Postkarten, ein Wendeposter und einen Download-Key für das erste Wasteland-Spiel.
Steam, GOG und Retail-Fassung
Wasteland 2 gibt es sowohl zum Download als auch im Laden als Retail-Version. Die DVD-Version muss auch an ein Steamkonto geknüpft werden, die GOG-Version kommt ohne DRM-Maßnahmen aus.
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Acht Fäuste für 29 Fertigkeiten
Das Herz von Wasteland 2 sind die harten Entscheidungen, die man als Gesetzeshüter in einer gesetzlosen Welt treffen muss. Das fängt schon bei der Charaktererstellung an: Statt nur eines Helden drillen wir uns gleich ein Team von vier Rangern. Und ehe wir uns versehen, haben wir uns schon zum dritten Mal in liebevoller Detailarbeit eine Gruppe zusammengeklickt und sie gleich wieder über den Haufen geworfen.
Selbst ein Quartett kann längst nicht alle der 29 Fertigkeiten meistern, wir müssen also genau überlegen, welche Stärken und Schwächen unsere Truppe haben soll. Medizinkenntnisse, Wortgewandtheit, Schlösserknacken, Waffenspezialisierung? Alles wichtig, alles nützlich, aber für alles haben wir einfach nicht genügend Fertigkeitspunkte - gerade das macht den Anfang von Wasteland 2 zum Eldorado für Heldenbastler, die am liebsten über jeder einzelnen Charaktereigenschaft brüten.
Feste Klassen kennt das Spiel dabei keine, ein Hacker kann genauso gut als Scharfschütze oder Sprengmeister fungieren. Somit liegt es ganz an uns, unsere Gruppe auf unseren Spielstil zuzuschneiden. Das gilt auch für die sieben Attribute. Intelligenz gibt uns beispielsweise mehr Fertigkeitspunkte pro Level, hilft uns aber wenig im Kampf. Stärke lässt uns mehr einstecken, Koordination mehr Aktionen pro Runde ausführen. Oder doch lieber ein paar Abstriche in der Kampfkraft für einen charismatischen Recken, der leichter neue Mitstreiter findet? Keine einfache Wahl, aber eine, die sich im Laufe des Spiels auf jeden Fall bemerkbar machen wird.
Keine leichten Entscheidungen
Steht unsere Truppe, kriegen wir von unserem Vorgesetzten General Vargas im Hauptquartier unseren ersten Auftrag. Die Rangers sind scheinbar ins Visier eines unbekannten Feindes geraten, und einer der unsrigen wurde ermordet - von einem derart fortschrittlichen Roboter, wie ihn im Ödland noch nie jemand gesehen hat. Also reisen wir auf einer Weltkarte quer durchs postapokalyptische Arizona und suchen nach Spuren. Bis die Hauptstory mal etwas handfester wird als eine vage Anti-Ranger- Verschwörung, vergeht eine ganze Weile, aber uns wird derweil keineswegs langweilig.
Gleich zu Beginn erhalten wir zum Beispiel zwei Hilferufe: Unsere Handelspartnerstadt Highpool steht unter Banditenbelagerung, und im Agrarforschungszentrum wüten mutierte Pflanzen. Wir ziehen zuerst nach Highpool, die andere Quest wollen wir lässig danach erledigen. Aber da haben wir unterschätzt, wie gnadenlos Wasteland 2 sein kann. In der Stadt erhalten wir immer verzweifeltere Funksprüche aus dem Agrarzentrum, bis wir schließlich dort ankommen, ist es komplett verwüstet und leer.
Im Ödland ist ein Happy End nie garantiert, selbst mit den heldenhaftesten Absichten. Auch scheinbar unmögliche Entscheidungen müssen getroffen werden und haben Konsequenzen. Das befreite Highpool dient uns dafür fortan als Anlaufstelle zum Handeln und Heilen. Fast jede Quest kann auf unterschiedlichste Arten enden.
Zum Beispiel, wenn wir es mit Banditen zu tun kriegen, die in ihrem Territorium die Bevölkerung terrorisieren und zum Krieg gegen die Ranger rüsten. Ballern wir uns in rechtschaffenem Zorn durch ihre Reihen oder versuchen wir einen Friedensvertrag auszuhandeln? Für die Zivilisten könnte ein kurzer, aber blutiger Krieg auf ihrem Land genauso schwere Konsequenzen haben, wie die Banditen weiter herrschen zu lassen - Wasteland 2 überrascht uns oft mit Konsequenzen für unsere Handlungen, die wir gar nicht bedacht haben, die aber trotzdem völlig nachvollziehbar sind. Wir lernen schnell, dass die Dinge hier selten so schwarzweiß sind wie sie vielleicht aussehen.
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