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  3. Bitcoin in der Krise: Was taugt die Währung noch?

Geld Virtuelle Währung

Der unaufhaltsame Niedergang des Bitcoin

„Room 77“ im Berliner Bitcoin-Kiez „Room 77“ im Berliner Bitcoin-Kiez
„Room 77“ im Berliner Bitcoin-Kiez
Quelle: Sean Gallup/Getty Images
Der Bitcoin sollte eine neue Ära des Geldes einleiten. Doch sieben Jahre nach ihrer Einführung steckt die Kryptowährung in einer Krise. Denn ihr haftet ein Makel an, der sich nicht wegwischen lässt.

Überall an den Läden prangt der orangefarbene Aufkleber mit dem doppelt durchgestrichenen B. „Bitcoins accepted!“ steht daran. Die junge Frau am Marktstand zückt nur schnell ihr Smartphone, um eine Tüte Bioäpfel zu kaufen. Und hinter ihr sieht man die mit Zeitungsseiten verklebten Scheiben einer Bankfiliale: „Geschlossen.“ Überflüssig, die braucht heute niemand mehr, sagt jemand, der sich gerade sein repariertes Fahrrad abgeholt und das, klar, mit Bitcoins bezahlt hat.

Die Massen sind im Moment noch nicht bereit für den Bitcoin
Jörg Platzer, Geschäftsführer des „Room 77“

So oder so ähnlich hatten sich die Bitcoin-Apologeten den Aufstieg der digitalen Währung vorgestellt. Die ebenso virtuellen wie fälschungssicheren Münzen aus dem Internet, die sich in Sekundenschnelle transferieren lassen, sollten die gesetzlichen Zahlungsmittel überflüssig machen. Euro, Dollar und Schweizer Franken würden bald ganz alt aussehen. Doch die Realität des Jahres 2016 ist eine andere. Maue Stimmung im Berliner Bitcoin-Kiez, einem Modellprojekt von Einzelhändlern, Gastronomen und Gewerbetreibenden, das beweisen sollte, dass Online-Geld auch in der Offline-Welt funktioniert.

In der Burger-Gaststätte „Room 77“ stand eine kurze Zeit lang Berlins erster Bitcoin-Automat. Hier konnten sich Kunden das digitale Geld organisieren. Doch das Gerät ist schon vor zwei Jahren abgebaut worden. Angeblich auf Druck der Bundesbank. Die Szenekneipe ist voll, die Kundschaft unterhält sich großteils auf Englisch. Aber abgesehen von dem Leuchtschild mit dem Bitcoin-Logo, das darauf hinweist, dass Bitcoin-Zahlungen möglich sind, scheint hier im Kreuzberger Graefe-Kiez wenig auf eine neue Ära des Geldes hinzudeuten.

Kryptowährung in der Krise

Sieben Jahre nach ihrer Einführung und drei Jahre, nachdem eine größere Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wurde, befindet sich die Kryptowährung in einer Krise. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es das einstige Anarchogeld aus der Subkultur der Computer-Nerds schwer hat, sein Schmuddel-Image abzuschütteln. Immer noch verbinden viele Bürger damit den Ruch des Verbotenen, von Drogen- und Waffenkäufen in der Anonymität Dark Net.

Bitcoin
Bitcoin
Quelle: Collection Mix: Subjects/Getty Images

Offenbar stößt auch die Technik des Bitcoin an die Grenzen ihres Wachstums. Viele bezweifeln gar, dass die Blockchain, also die hinter den Internet-Münzen stehende Technologie, je eine Konkurrenz für andere moderne Bezahlsysteme werden kann. Als eine Art digitales Grund- und Orderbuch ist diese Blockchain schon jetzt überlastet, sagen manche. Möglicherweise wohnt ihr ein fataler Makel inne, der sie langfristig unbrauchbar macht.

So bleibt die Spekulation auf einen Zusammenbruch des Finanzsystems, die die digitale Währung am Leben und die Hoffnungen ihrer Jünger aufrecht hält. „Die Massen sind im Moment noch nicht bereit für den Bitcoin“, räumt Jörg Platzer, Geschäftsführer des „Room 77“ und Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Bitcoin e.V., ein. Was die Zahl der Händler betrifft, die BTC (so die landläufige Abkürzung) akzeptieren, kann er eine gewisse Ernüchterung nicht verbergen. „Viele Leute fragen sich wohl: Ich habe Bargeld, ich habe eine Kreditkarte, warum sollte ich das nutzen?“

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die angesehene Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel: „Um eine weitere Verbreitung zu finden, müssten digitale Währungen für Nutzer einen Vorteil über traditionelle Bezahlsysteme haben“, schreiben die BIZ-Experten in einer Einschätzung vom November 2015. Dieser sei für den einfachen Bürger vielfach nicht zu erkennen. Zugleich müssten die Nutzer von Digitalwährungen beträchtliche Nachteile in Kauf nehmen: So sind die Kursentwicklung und Handelbarkeit längst nicht so vorhersehbar wie bei gesetzlichen Zahlungsmitteln.

Nur 21 Akzeptanzstellen im Bitcoin-Kiez

In einer Welt, in der Internet-Trends sich mit Hochgeschwindigkeit auf dem Globus ausbreiten, kommt die Bitcoin-Bewegung nur mehr im Schneckentempo voran. Auf ganze 21 Akzeptanzstellen bringt es der Berliner Bitcoin-Kiez. Seit zwei Jahren hat sich die Zahl kaum verändert. Einundzwanzig Akzeptanzstellen in einer Stadt, in der es Zehntausende Läden und Restaurants gibt. In der virtuellen Welt des Internets gibt es etwas mehr Dynamik: Der Bitcoin-Dienstleister BitPay verzeichnet 60.000 Geschäfte, die Zahlungen in digitalen Münzen akzeptieren.

Doch was bedeutet das schon im Internet-Zeitalter? Eine 2004 gegründete Firma namens Facebook schaffte es binnen einer Dekade, eine Milliarde Nutzer anzuziehen und für sich zu begeistern. Wer glaubte, der Bitcoin würde Banken und Kreditkartengesellschaften in Windeseile vom Thron stoßen, sieht sich getäuscht: Diese Zahl nimmt sich zierlich aus neben den 450.000 Geschäften, die allein in Deutschland die Mastercard akzeptieren. Weltweit können Kunden an 36 Millionen Stellen mit der Kreditkarte Produkte und Dienstleistungen erwerben. Und sogar die Zahl der täglichen BTC-Transaktionen, wie sie von den digitalen Geldbörsen namens Wallets registriert werden, ging zuletzt zurück.

Sichere Bitcoin-Transaktionen sind prinzipiell um ein Vielfaches langsamer als Zahlungen mit Kreditkarte oder Paypal
Rainer Böhme, Professor für Informatik an der Universität Innsbruck
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Was also hält den Bitcoin am Leben? Ein Teil der Antwort: Der Bitcoin ist eine Währung für Menschen mit einer Aversion gegen das etablierte Finanzsystem. Tatsächlich war es das Wanken der Banken im Zuge des Lehman-Crashs 2008, die die Idee eines Geldes unabhängig von Kredit-Instituten erst in Gang setzte. In der Zypern-Krise von 2013 und in den Griechenland-Turbulenzen von 2015 fanden sich all jene bestätigt, die der Meinung sind: Wenn es darauf ankommt, nützt mir das Geld auf dem Konto wenig bis gar nichts. Denn im offiziellen, regulierten und staatlich kontrollierten Finanzwesen könnten Banken geschlossen, Transfers verboten werden, wie in beiden Fällen geschehen. Tatsächlich sollen Tausende Griechen den Bitcoin 2015 genutzt haben, um Vermögen außer Landes zu bringen.

Kriminelle nutzen Bitcoin weiter

Das führt zu einem anderen Teil der Antwort: Schwarzgeld, illegale Geschäfte und Terrorfinanzierung. „Aus Behördenkreisen wissen wir, dass für Terroristen und Kriminelle anonyme Wege zum Geldtransfer am attraktivsten sind“, sagt der SPD-Finanzpolitiker Jens Zimmermann. Dazu gehörten nicht nur Bargeld, sondern beispielsweise auch anonym aufladbare Kreditkarten und eben virtuelle Währungen.

Neues Beobachtungszentrum jagt Verbrecher im „Darknet“

Im sogenannten “Darknet“ kann man surfen, ohne erkannt zu werden. Oft wird das für illegale Geschäfte genutzt. Damit soll jetzt Schluss sein: Mithilfe grafischer Darstellungen sollen Verbrecher ausfindig gemacht werden.

Quelle: Die Welt

Der Bundestagsabgeordnete fordert eine schärfere Überwachung, was darauf hinausliefe, dass Bitcoin-Transaktionen nicht mehr vollkommen anonym ablaufen. Nach Überzeugung von Zimmermann könne das am Ende sogar dem digitalen Geld zugute kommen: „Damit sich virtuelle Währungen tatsächlich etablieren können, muss man sie teilweise aus der Anonymität holen.“

„Jeder, auch ein Krimineller oder Terrorist, kann Bitcoin erwerben und auf nicht legale Weise verwenden“, sagt der britische Internet-Unternehmer Peter Randall. Ebenso wie die BIZ und viele Politiker hat er Zweifel, dass die digitale Währung eine Zukunft hat. Die dahinterstehende Idee, Transaktionen ohne einen Intermediär abzuwickeln und fälschungssicher zu dokumentieren, hält er allerdings für äußerst zukunftsträchtig und auch lukrativ.

Randall selbst, der einst die Handelsplattform Chi-X groß machte, arbeitet mit Partnern an einer Blockchain, die so schnell ist, dass sie für Finanzgeschäfte eingesetzt werden kann. Sie würde etablierte Banken und Börsenbetreiber überflüssig machen.

Experte: Bitcoin wird keine Weltwährung

Eine Weltwährung Bitcoin aber werde es nicht geben, sagt Rainer Böhme, Informatiker an der Universität Innsbruck. Und das hat überraschenderweise damit zu tun, dass der Transfer von digitalen Münzen viel zu langsam ist für eine digitalisierte Wirtschaft. „Sichere Bitcoin-Transaktionen sind prinzipiell um ein Vielfaches langsamer als Zahlungen mit Kreditkarte oder Paypal“, sagt Böhme.

Der Spezialist für digitale Verschlüsselung illustriert es an einem Beispiel: „Würden wir jede Tasse Kaffee mit Bitcoin bezahlen, müsste der Verkäufer viel länger auf sein Geld warten, als der Kaffee warm ist.“ Eine schnellere Abwicklung könnte vielleicht erkauft werden, aber nur durch sehr hohe Transaktionsgebühren. „Das lohnt sich aber nur beim Autokauf, aber nicht beim Cappuccino an der Ecke“, sagt der Wissenschaftler.

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Eine weiteres Manko ist der enorme Energiebedarf, der mit der Bitcoin-Produktion einhergeht. Um die digitalen Münzen zu schaffen, müssen Computer komplizierte Rechenoperationen durchführen, die im Laufe der Zeit immer komplizierter werden und folglich immer mehr Elektrizität verzehrt. Das begrenzt die Gesamtzahl der digitalen Münzen und verhindert eine Inflationierung. Die Angaben über den Stromkonsum lassen aber jedem Klima- und Umweltschützer die Haare zu Berge stehen.

Schild in einer Kneipe in Berlin – hier steht man loyal zum Bitcoin
Schild in einer Kneipe in Berlin – hier steht man loyal zum Bitcoin
Quelle: Sean Gallup/Getty Images

Nach Böhmes Berechnungen verbrauchen die Bitcoin-Schürfer, im Jargon auch Miner genannt, durchgehend mehr als 300 Megawatt, rechnerisch muss dafür ein durchschnittliches Atomkraftwerk vier Monate lang laufen. Der Informatiker bezweifelt auch, dass es genügend Rechenleistung auf der Welt gibt, damit der Bitcoin ein globales Phänomen werden kann. Eine Weltwährung BTC? „Das würde die heute in der Breite verfügbare Speicher- und Übertragungskapazität überfordern.“

Nur noch große Player könnten es sich nach Einschätzung von Böhme leisten, die gesamte, immer länger werdende Blockchain zu speichern und regelmäßig zu überprüfen. „Das steht im Widerspruch zur ursprünglichen Vision von Bitcoin, mächtige zentrale Instanzen zu vermeiden.“

Die Idee der Blockchain behält ihren Reiz

Die Idee der Blockchain, in der Informationen fälschungssicher hinterlegt sind, hat gleichwohl ihren Reiz. „Selbst wenn die jetzigen Digitalwährungen nicht überleben, ist es wahrscheinlich, dass es neue mit ähnlicher Technologie geben wird“, schreiben die Experten der BIZ. Unternehmer Randall arbeitet auf dieses Ziel zu: Die Blockchain SETL, mit der er das Finanzwesen revolutionieren will, soll in der Lage sein, Millionen Transaktionen pro Sekunde zu dokumentieren, und nicht wie Bitcoin drei bis acht.

Geldhistoriker Hendrik Mäkeler, der das Münzkabinett der Universität Uppsala in Schweden leitet, will dagegen nicht in den allgemeinen Abgesang auf das digitale Geld einstimmen: „Ob der Bitcoin überlebt und erfolgreich wird, hängt einerseits davon ab, als wie zuverlässig und ausbaufähig sich der Algorithmus erweist. Andererseits aber auch davon, wie seine Konkurrenten sich entwickeln“, sagt Mäkeler. Im Euro sei mit der Negativzinspolitik ein Keim des Verderbens angelegt, der sein Überleben langfristig gefährden könnte. Um den Dollar stehe es nicht viel besser. „Eine Währung wie der Bitcoin, der wegen seiner Bauweise vor solchen Manipulation gefeit ist, könnte dann erst richtig entdeckt werden.“

Historisch gesehen sei es ohnehin viel zu früh, um zu sagen, ob der Bitcoin gescheitert ist oder nicht. „Der Dukaten brauchte Jahrzehnte, um zur europäischen Leitwährung zu avancieren, und so war es auch später mit dem Pfund und dann mit dem Dollar. Obwohl schon 1787 erstmals geprägt, blieb der Greenback bis zum Ersten Weltkrieg international ziemlich unbedeutend. Und erst im Jahr 1944 wurde er als Weltwährung etabliert.“ Der Bitcoin existiere jetzt gerade einmal sieben Jahre.

Zwar haben sich Prophezeiungen, der Wert des Bitcoins werde auf null fallen, als falsch erwiesen – zuletzt wurde eine digitale Münze für 380 Euro gehandelt. Seit November schwankt der Kurs zwischen 300 und 400 Euro, weitaus weniger stark als in früheren Zeiten, als solche Spannen teils an einem Tag ausgereizt wurden. Doch mit dieser Beruhigung hat er auch für Spekulanten an Attraktivität verloren.

Schon das Mittelalter kannte eine Art Blockchain

„Er bietet Geld-Nutzern also irgendetwas, für das es eine Nachfrage gibt“, erklärt Mäkeler. Interessanterweise existierte bereits im Mittelalter eine Art Blockchain: Damals wurde nicht nur der eigentliche Zahlungsvorgang dokumentiert, es kursierten zusätzlich Informationen über die Kreditwürdigkeit und insofern Zuverlässigkeit der beteiligten Akteure. Die oberitalienischen Bankhäusern tauschten solche Informationen intensiv aus, hauptsächlich in Form von Briefen. Im Fall des Handelshauses Francesco Datini sind mehr als 150.000 dieser Schreiben erhalten, erklärt der Historiker: „Die Blockchain hebt ein altbekanntes Phänomen technologisch auf eine neue Ebene.“

Bitcoin-Lobbyist Jörg Platzer freilich hält an seiner Zuversicht für das Schicksal der Kryptowährung fest: „Am Ende werden es die Banken und Zentralbanken sein, die die Menschen in den Bitcoin treiben. Dann nämlich, wenn sie die Fehlerhaftigkeit des Geldsystems erkennen.“ Noch ist der Bitcoin-Kosmos klein, so klein, dass alle digitalen Münzen zusammen nur rund 5,8 Milliarden Euro wert sind. Die Euro-Geldmenge M3 liegt bei 10,9 Billionen Euro. Sie ist allein im vorigen Monat um 44 Milliarden gewachsen, also um fast das Achtfache aller bestehenden Bitcoin-Werte.

Vielleicht ist das die Zukunft des Bitcoin: das Überleben in der Nische. Als die Währung der Skeptiker und Nerds.

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