Gutachten: Fehlende Evidenz bei Gesundheits-Apps

Der medizinische Nutzen von digitalen Gesundheitsanwendungen ist nicht verlässlich nachgewiesen, stellt ein wissenschaftliches Gutachten fest.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Gesundheits-Apps fehlt es vielfach an wissenschaftlicher Tiefe und folglich an Evidenz, stellt ein Gutachten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der TU Berlin und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) fest. Wenn Patienten sie ungeprüft anwenden, könnten sie sogar Schäden verursachen. Die Apps dürften daher nicht als digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) in das bundesweite DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden.

Untersucht wurde die Studienlage zu fünf aktuell in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommenen Gesundheits-Apps. Dazu zählt das onlinebasierte Selbsthilfeprogramm Deprexis für Menschen mit Depressionen, die digitale Gesundheitsanwendung Elevida für Menschen mit Multipler Sklerose, die Anwendung Somnio für Menschen mit Schlafstörungen, die App Velibra für Menschen mit Angststörungen sowie die Anwendung Vorvida für Alkoholkranke. Im Ergebnis genügen die untersuchten Wirksamkeitsstudien den wissenschaftlichen Standards nicht.

Die meisten der Studien zu digitalen Gesundheitsanwendungen wiesen ein "beträchtliches" Verzerrungspotential auf. Der Grund: Es war nicht möglich, anhand eines vorab veröffentlichen Studienprotokolls oder Analyseplans die Ergebnisse zu überprüfen. Die Angaben, die bei der Registrierung der Anwendungen in einem klinischen Register gemacht werden, waren nicht ausreichend, um das Verzerrungsrisiko – etwa durch systematische Fehler – zu bewerten. In allen Studien, so moniert das Gutachten, fehle die Verblindung der Teilnehmenden und Prüfer. Diese sei jedoch etwa dadurch möglich, dass etwa eine Behandlung mit einem computerbasierten kognitiven Training mit einer herkömmlichen Behandlung verglichen werde.

Bei einer möglichen Verordnung von Gesundheits-Apps seien weitere Probleme wie etwa Erprobungszeiträume, hohe Kosten, Haftung, Wirksamkeit und mögliche unerwünschte Wirkungen ungeklärt. Der Vorstand der KVB kritisiert, dass die Apps selbst nach Abschluss der Studien zur Nutzenbewertung mit unzureichender wissenschaftlicher Güte in der Versorgung bleiben. Es fehle daher die Grundlage für die Apps dauerhaft in die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung zu gelangen.

Die KVB kommt zu dem vernichtenden Ergebnis, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen nicht mehr als "eine reine Projektionsfläche für die Hoffnungen auf eine zeitgemäße Digitalisierung im Gesundheitswesen" seien. Denn ein Nachweis eines medizinischen Nutzens sei angesichts der ungenügenden wissenschaftlichen Tiefe der Wirksamkeitsstudien vielfach nicht erbracht. Die KVB fordert daher die Bundespolitik auf, den wissenschaftlichen Erkenntnissen Gehör zu schenken und die Aufnahmekriterien der Gesundheits-Apps in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachzubessern. Aktuell würde Krankenkassenbeiträge für digitale Anwendungen fragwürdigen Nutzens ausgegeben, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen dringend gebraucht würden.

(mack)