IT-Infrastruktur So abhängig ist Deutschland von Microsoft

Ohne Microsoft geht fast nichts – auch nicht in den Bundesbehörden. Quelle: AP

Ohne Microsoft kommt kaum ein Unternehmen aus – und auch die Bundesregierung ist abhängig von dem Softwarekonzern. Wie viel Geld Deutschland 2022 für Microsoft-Produkte ausgab.

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209 Millionen Euro: So viel gaben die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Behörden 2022 aus, um Software und Dienstleistungen von Microsoft zu nutzen. Die Kosten für Microsoft-Lizenzen haben sich damit innerhalb von sieben Jahren fast verfünffacht – 2015 lagen sie noch bei 43,5 Millionen. Im Vergleich zu 2021 sind die Ausgaben um zwei Prozent gestiegen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Haushaltspolitikers Viktor Perli (Linke) hervor.

Am meisten gab das Verteidigungsministerium für Microsoft-Produkte aus – fast 110 Millionen Euro. Das Innenministerium zahlte knapp 40 Millionen Euro und das Finanzministerium circa 28 Millionen Euro.

Für unbefristete Lizenzen wurden knapp 115 Millionen Euro fällig, für befristete Abo-Modelle rund 28,5 Millionen Euro. Die restlichen rund 62 Millionen zahlten die Behörden für andere Leistungen und Produkte von Microsoft.

Andere Softwareanbieter erhielten 562 Millionen Euro

Für Software-Lizenzen und IT-Dienstleistungen anderer Anbieter gab der Bund 562,3 Millionen Euro aus. Am meisten zahlten das Innenministerium mit 252,8 Millionen und das Auswärtige Amt mit 164 Millionen. Insgesamt zahlte der Bund 2022 771,4 Millionen Euro für Software und IT-Dienstleistungen.

„Die Kosten für IT-Lizenzen in der Bundesverwaltung explodieren, und die Ampelkoalition schaut tatenlos zu“, sagt Perli. „Besonders für die Microsoft-Lizenzen braucht es eine schnelle Lösung gegen die jährlich steigenden Kosten.“

Das Bundesinnenministerium (BMI) begründet die steigenden Kosten damit, dass sich etwa die Mitarbeiterzahl in Ministerien und nachgeordneten Bundesbehörden unterschiedlich stark erhöht habe – die neu einzurichtenden Arbeitsplätze müssten dann mit entsprechender IT ausgestattet werden.

Außerdem seien durch das mobile Arbeiten im Homeoffice und die Ausweitung der Nutzung von hybriden Veranstaltungsformaten die Serverinfrastruktur und die Rechenzentrumsleistungen gewachsen. Und: „Änderungen von Anforderungen hinsichtlich der IT-Sicherheit, Softwareversionen und Lizenzanpassungen führen zu steigenden Preisen“, schreibt ein Sprecher des BMIs auf Anfrage.

Open Source spielt nur eine Nebenrolle

Eigentlich hatte die Ampelregierung im Koalitionsvertrag festgelegt, in Zukunft bei IT-Projekten vor allem Open-Source-Anbietern den Vorrang zu geben. Doch immer noch ist ein Großteil der Software herstellergebunden.

Das BMI macht hierzu keine detaillierten Angaben. Spezifische Fachanwendungen könnten „aus Sicherheitsgründen“ nicht als Open-Source-Produkt genutzt werden, so das BMI. „Punktuell findet in der Umsetzung von IT-Projekten auch ein Mix aus Open-Source- und proprietärer Software Anwendung.“

Ende 2022 wurde das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) gegründet. Die Einrichtung ist eine Reaktion auf eine vom BMI beauftragte strategische Marktanalyse von 2019. „Die Bundesverwaltung ist in allen Schichten des Software-Stacks von wenigen Software-Anbietern stark abhängig“, heißt es darin. Und: „Das gilt besonders für Microsoft, dessen Produkte vielfach eingesetzt werden und eng miteinander verknüpft sind.“

Diese Abhängigkeiten würden die Digitale Souveränität der Bundesverwaltung bedrohen und das Risiko bergen, die Kontrolle über die eigene IT zu verlieren. „Dies kann zu starken Einschränkungen in Flexibilität und Handlungsfähigkeit führen“, heißt es in der Studie.

Microsoft ist auch Partner bei „souveräner“ Cloud

Auch deshalb bauen SAP und Arvato eine Cloud-Plattform für Ministerien und Behörden auf, die eigentlich 2024 starten soll, die sogenannte Delos-Cloud. Zwar ist auch Microsoft ein enger Partner der Delos Cloud – die Cloud baut auf Microsofts Azure Cloud auf – dennoch soll sie souverän sein. Technisch soll sie etwa von Microsofts Cloud-Infrastruktur getrennt bleiben, die Rechenzentren werden von Delos statt von Microsoft betrieben.

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Bisher hat sich die Bundesregierung aber noch nicht darauf festgelegt, die Delos Cloud dann auch wirklich zu nutzen: Es bestehe noch keine vertragliche Bindung von Haushaltsmitteln, heißt es vom BMI auf Anfrage, die langfristigen Kosten ließen sich derzeit nicht verlässlich bestimmen, da die genauen Nutzungsszenarien und Lizenzmodelle seitens Delos und Microsoft noch nicht feststünden. „Eine Abnahmeverpflichtung seitens der Bundesregierung besteht nicht.“

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