Interview mit VW-Chef Oliver Blume: Wann gibt es E-Autos für unter 20 000 Euro?

VW und Porsche-Chef Oliver Blume (54) am Mittwoch bei der Hauptversammlung in Berlin

VW und Porsche-Chef Oliver Blume (54) am Mittwoch bei der Hauptversammlung in Berlin

Foto: Britta Pedersen/dpa
Von: BurkhARD Uhlenbroich

Er will die Elektro-Wende bei Europas größtem Autohersteller vollbringen!

Oliver Blume (54) ist seit September Vorstandsvorsitzender von VW, muss einen der größten Umbauten der deutschen Indusrie organisieren. Dabei knirscht es gewaltig. Erst diese Woche hat Blume das Management der konzerneigenen Software-Tochter Cariad ausgetauscht.

BILD am SONNTAG: Herr Blume, Sie stellen VW auf Elektroautos um. Wann wird es günstige Einstiegsmodelle für jedermann geben?

Oliver Blume: „Die gibt es bereits. Im Golf-Segment bieten wir den ID.3 und den Cupra Born als attraktive E-Modelle an. Zusätzlich können sich unsere Kundinnen und Kunden auf verschiedene E-Autos aus dem Konzern für rund 25 000 Euro freuen. Mitte des Jahrzehnts sollen sie auf den Markt kommen.“

Wann gibt es E-Autos für unter 20 000 Euro?

Blume: „Nicht unter 2000 Euro, aber in der Preisregion um die 20 000 Euro – das ist für uns dann der übernächste Schritt. Ich halte das für eine lohnende Überlegung und ein sinnvolles Ziel für die Marke VW.“

Also wird es wieder einen richtigen E-Volkswagen wie früher den Käfer geben?

Blume: „VW will auch ganz junge Menschen für die Marke begeistern. Der Volkswagen-Konzern hat mit seiner Markenvielfalt auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Ich selbst bin als junger Mann begeistert Käfer und Polo gefahren, habe so eine Leidenschaft für den Volkswagen-Konzern entwickelt. Und es gibt sehr viele Volkswagen Kunden, die das im positiven Sinne auch so erlebt haben und dadurch eine enge Verbindung zur Marke haben.“

Sie haben letzte Woche den Vorstandsvorsitzenden und zwei weitere Top-Manager bei der IT-Tochter Cariad ausgetauscht. Hat VW einen Wackelkontakt bei der neuen Software-Entwicklung?

Blume: „Nein. Grundsätzlich wird die Software in der Automobilindustrie immer wichtiger. Zu meinem Amtsantritt als Konzernchef habe ich betont: Die Cariad ist ein Erfolgsfaktor für den Volkswagen-Konzern. Deshalb haben wir zunächst unsere Softwaregenerationen geordnet und Prozesse, Methoden und Werkzeuge optimiert. Jetzt kommt der nächste Schritt, indem wir mit einem neuen Team unsere Organisation weiterentwickeln.“

Können Autobauer einfach keine Software programmieren?

Blume: „Der Anspruch liegt darin, die Software eng mit der Fahrzeugentwicklung zu verbinden. Dafür brauchen wir Software- und Automobilexperten. So stellen wir auch den Vorstand auf. Der neue Vorsitzende Peter Bosch ist ein erfahrener Automobilmanager und Teamplayer. Unterstützt wird er von zwei Softwareexperten.“

Brauchen Sie neben Schraubern auch mehr IT-Experten?

Blume: „In jeder Fußballmannschaft braucht man die richtige Mischung im Team und die passenden Spieler auf der richtigen Position. Wenn alle Mitarbeiter die gleiche Qualifikation hätten, könnten wir das Unternehmen nicht erfolgreich in die Zukunft führen. Deshalb war die Teamaufstellung bei der Neuordnung der Cariad besonders wichtig.“

Warum und bei welchen Marken kam es zu Verzögerungen bei der Auslieferung neuer Autos?

Blume: „Im Zusammenhang mit unserer neuen Softwaregeneration kam es zu Lieferverzögerungen bei den neuen E-Modellen von Audi und Porsche. Der Audi Q6 e-tron und der Macan electric von Porsche kommen 2024 in den Markt. Aktuell testen wir die Autos und sind sehr begeistert.“

Welche Probleme gab es denn konkret?

Blume: „Beim Entwickeln einer Software sind Tausende Probleme zu lösen, bis das System fehlerfrei läuft. Deshalb ist es wichtig, umfangreich zu testen, zu analysieren und strukturiert abzuarbeiten. Dabei geht es beispielsweise um Fahrfunktionen, Informationsangebote oder Spracherkennung. Auch spielen unterschiedliche Anwendungen in den verschiedenen Weltregionen eine Rolle.“

Was für Unterschiede sind das?

Blume: „In China bedienen die Fahrerinnen und Fahrer das Auto gern per Spracherkennung und nicht mehr manuell. Dort sind beispielsweise Avatare beliebt, also künstliche Menschen, mit denen man sich unterhalten kann. Schon beim Einsteigen wird man freundlich vom Bord-Computer begrüßt. Der neue VW ID.7 hat diese Funktion übrigens bereits.“

Ist ein schnelles Navi wichtiger als die Reichweite der E-Autos?

Blume: „Das Gesamtpaket ist wichtig. Die Reichweite spielt immer eine Rolle. Genauso wichtig ist, dass die Batterien schnell aufgeladen werden können. Auch die Performance der Software hat eine große Bedeutung. In Modellen, die wir 2024 auf den Markt bringen, funktioniert die Navigation in Sekundenschnelle.“

In China hat VW seine Spitzenposition gerade erst an den einheimischen Hersteller BYD verloren. Sind die E-Autos Made in China besser oder die VW-Modelle schlechter geworden?

Blume: „In den ersten vier Monaten dieses Jahres ist der Volkswagen-Konzern beim Absatz schneller gewachsen als der chinesische Markt. Wir sind weiter Marktführer bei Verbrenner-Modellen. Unsere Stärken wollen wir auf die E-Fahrzeuge übertragen. Und der Elektromarkt wächst rasant. Vergangenes Jahr waren in China ein Viertel aller verkaufen Autos Elektrofahrzeuge. Wir erwarten, dass dies in den nächsten 2 bis 3 Jahren auf 50 Prozent ansteigen wird.“

Aber die chinesischen E-Fahrzeuge werden immer besser und sind vor allem preiswerter.

Blume: „Die Chinesen haben in den letzten Jahrzehnten viel gelernt und legen ein enormes Innovationstempo vor. Sie nutzen E-Autos für Kurzstrecken und in den großen Megacitys. In ländlichen Gebieten sind unsere Hybrid- oder Verbrennerantriebe weiterhin sehr erfolgreich. Die Marke Volkswagen hat eine große Strahlkraft. Unser Ziel ist es, der stärkste internationale Automobilhersteller auf dem chinesischen Markt zu sein.“

Gibt es in Deutschland ausreichend grünen Strom für die Elektrofahrzeuge?

Blume: „Wir haben ein klares Nachhaltigkeitsprogramm. Das gilt auch für die CO₂-Neutralität. Bereits heute beziehen alle unsere europäischen Standorte ihren externen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Mit Elli bieten wir in Deutschland 100 Prozent CO₂-freien Volkswagen Naturstrom für Privathaushalte und Unternehmen mit oder ohne Elektrofahrzeug an. Darüber hinaus sorgt der Volkswagen-Konzern selbst dafür, dass zusätzliche Wind- und Solarparks gebaut werden. Das Gesamtangebot erneuerbarer Energien ist eine Gesamtaufgabe von Politik und Wirtschaft.“

Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich erneut mit manipulierten und schmutzigen Diesel-Motoren. Erwarten Sie mit dem Urteil im Juni eine neue Klagewelle?

Blume: „Ich möchte dem Verfahren nicht vorgreifen.“

Bei der Hauptversammlung am Mittwoch in Berlin protestieren Nackt-Demonstranten gegen Menschenrechtsverletzungen in China und verlangten die Schließung der VW-Werke. Wolfgang Porsche wurde mit einer Torte beworfen. Haben Sie Verständnis für die Demonstranten?

Blume: „Mit einer Torte beworfen zu werden, hat niemand verdient. Auch eine große Persönlichkeit wie Wolfgang Porsche nicht. Eine Hauptversammlung bietet Aktionärinnen und Aktionären die Möglichkeit zum sachlichen Austausch. Bis auf Einzelne haben sich alle an die Spielregeln gehalten.“

Viele Autofahrer sind von Klima-Klebern und den Straßen-Blockaden genervt. Sie auch?

Blume: „Ich schätze konstruktives Diskutieren. Jede Idee ist willkommen. Blockieren hilft meines Erachtens wenig.“

Teaser-Bild

Foto: BILD

Dieser Artikel stammt aus BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.

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