Zum Inhalt springen
Hermann-Josef Tenhagen

Strom- und Gaspreisbremse Post von Ihrem Versorger – was Sie jetzt tun sollten

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Spätestens bis zum ersten März sollen Strom- und Gaskunden erfahren, wie viel Geld sie durch die staatlichen Preisbremsen sparen. Doch viele Unternehmen kommen mit den Briefen nicht nach – und Verbraucher sollten auf der Hut sein.
Strommasten: Die Tarife sind oft undurchsichtig

Strommasten: Die Tarife sind oft undurchsichtig

Foto:

Armin Weigel / dpa

Dieser Tage müssen Strom- und Gasanbieter ihren Kunden schreiben, wie sie die Einsparung durch die Strom- und Gaspreisbremse berechnen und wie viel die Kunden konkret sparen. Doch zum Start der Preisbremsen tauchen zwei Probleme auf:

  • Erstens sind viele der Versorger nicht rechtzeitig fertig geworden mit den Schreiben an ihre Kundinnen und Kunden. So können die Unternehmen die Berechnung der Einsparung nicht vorab kontrollieren und Fehler korrigieren lassen. Bei Anbietern wie der E.ON-Tochter Eprimo geht die Berechnung der künftigen Abschläge offenbar gerade katastrophal schief. Ein prüfender Blick ist also nötig.

  • Zweitens drängt sich immer häufiger der Verdacht auf, dass manche Anbieter die Kosten pro Kilowattstunde für die Kunden künstlich hochhalten, weil sie die Differenz jenseits der Preisbremsen den Steuerzahlern in Rechnung stellen können.

Erschreckende Empirie

Das Gesetz zur Strom- und Gaspreisbremse wie auch die Paragrafen zur Fernwärme sehen an sich einen einfachen Mechanismus vor (zu finden in EWPBG § 3 Absatz 3 , EWPBG § 11 Absatz 4  und StromPBG § 12 Absatz 2 ):

Der Anbieter schreibt den betroffenen Kunden bis zum 15. Februar, welchen Vorjahresverbrauch er für die Berechnung der Preisbremse zugrunde legt, wie hoch demnach der preisgedeckelte Verbrauch 2023 ist und wie hoch der günstigere Abschlag ist, der sich daraus berechnen lässt. Einfaches Teilen und Malnehmen eigentlich. Bei den Abrechnungen für Industriekunden sollten die Konzerne schon geübt haben, denn dort gilt der Mechanismus bereits seit Januar.

Doch ein Großteil der Anbieter ist mit der Abrechnung nicht am dafür vorgesehenen 15. Februar fertig geworden. Manche drohen auch die letzte vom Gesetzgeber vorgesehene Frist zum 1. März zu reißen .

Das ist unverständlich. Zwar werden insgesamt Millionen von Kunden von den Preisbremsen profitieren. Die Gasag in Berlin beispielsweise spricht von 700.000 Kunden, die EnBW von mehreren Hunderttausend, Mainova von 90 Prozent ihrer eine Million Kunden und Montana von der »weit überwiegenden Zahl« seiner 600.000 Kunden. Doch der intellektuelle Aufwand für die Versorger ist überschaubar, das Wirtschaftsministerium hat sogar Musterschreiben für die Energieanbieter vorgelegt :

Und einem guten Teil der Kundinnen und Kunden hätte man ja schon mitteilen können, dass sie von den Bremsen gar nicht profitieren, weil ihre Preise unter dem Deckel von 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für den Strom und 12 Cent pro kWh für Gas liegen. So zum Beispiel denjenigen unter den 1,4 Millionen Stromkunden von Vattenfall in Berlin, die einen Vertrag über zwölf oder 24 Monate haben. Sie zahlen deutlich unter 40 Cent, während die Kunden der Grundversorgung 41,4 Cent zahlen und ein bisschen von der Preisbremse profitieren .

Oder zwei Drittel der Kunden bei den Stadtwerken Osnabrück. Deren Arbeitspreise liegen niedriger, als die Preisbremse verlangt, also unter 40 Cent/kWh beim Strom und unter 12 Cent/kWh beim Gas. Für die übrig gebliebenen 60.000 Kunden schaffen die Stadtwerke Osnabrück die Berechnung aber trotzdem nicht und senken die Abschläge erst einmal nur pauschal . Was für den einzelnen Vertrag einfach klinge, sei »im Massengeschäft mit seiner Tarifvielfalt hochkomplex«, so die Stadtwerke.

Auf Kosten der Steuerzahler

Die Kosten, die Kundinnen und Kunden durch die Preisbremsen sparen, können sich die Strom- und Gasversorger beim Staat zurückholen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC  mit der Auszahlung beauftragt. Wie das im Detail funktionieren soll, wollen die Wirtschaftsprüfer nicht kundtun, sagte mir ein Sprecher von PwC am Dienstag. Zu Mandantenbeziehungen dürfe man als Wirtschaftsprüfer nichts sagen .

Dabei wäre schon interessant, wie PwC die Erstattungsanträge prüft, bevor das Staatsgeld ausgezahlt wird.

Nur zwei Beispiele:

Die Stadtwerke Münster liegen mit ihrem Strompreis in der Grundversorgung unter 40 Cent/kWh. Deshalb müssen sie alle Grundversorgungskunden beim Strom nicht anschreiben, denn die Strompreisbremse gilt für sie nicht. Kunden, die aber Ökostrom in einem Sondertarif bei den Stadtwerken beziehen, müssen laut Vertrag zwischen 50 und 60 Cent pro kWh zahlen. Einen großen Teil der hohen Kosten können sich die Stadtwerke über PwC beim Steuerzahler holen . Warum gerade der Ökostrom so teuer ist – schließlich bläst der Wind und Sonne schickt keine Rechnung – wird nicht geprüft. Und die Kunden muss es auch nicht jucken, schließlich sparen sie durch die Strompreisbremse.

Auch die Bundesnetzagentur prüft die Abrechnungen der Strom- und Gasanbieter nicht. Den Anbietern ist zwar »eine Gestaltung ihrer Preise oder eine sonstige Verhaltensweise verboten, die eine missbräuchliche Ausnutzung der Regelung zur Entlastung von Letztverbrauchern nach den Preisbremsengesetzen darstellt«, schreibt mir ein Sprecher. Die Bundesnetzagentur sei aber nicht für die Missbrauchsaufsicht zuständig. Da müsse sich im Verdachtsfall das Bundeskartellamt kümmern .

So bleibt folgende Frage erst mal ungeklärt: Ist es eigentlich Missbrauch, wenn der Strom- und Gasanbieter Eprimo von Bestandskunden in seinem Gastarif 24,42 Cent pro kWh verlangt (»Ihre bisherige Preisgarantie läuft ab«), Neukunden im gleichen Tarif aber einen Preis von 12,15 Cent/kWh anbietet? Entsprechende Schreiben liegen mir vor.

Die Preisdifferenz müsste auch hier der Steuerzahler berappen – wenn der konkrete Kunde nicht so sauer wäre, dass er diesen Nepp unterbindet und den Anbieter wechselt.

Und nun Sie!

Was können Sie also konkret tun?

1) Als Erstes prüfen Sie, ob Gas-, Strom- oder Fernwärmebremse für Sie überhaupt greifen. Zahlen Sie pro Kilowattstunde brutto (also inkl. MwSt.) mehr als 12, 40 oder 9,5 Cent? Falls nicht, machen Sie sich ein schönes Wochenende. Die Preisbremse ist für Sie nicht relevant.

2) Wenn ja, suchen Sie die Abrechnungen der vergangenen Jahre heraus:

a. Die letzte Jahresstromrechnung, wahrscheinlich aus 2022;

b. die letzte Jahresgasrechnung vor September 2022, aus dem Jahr 2021 wahrscheinlich;

c. und wenn Sie Fernwärmekunde sind, ebenfalls die letzte Jahresfernwärmeabrechnung vor September 2022 .

3) Ermitteln Sie den Jahresverbrauch und multiplizieren Sie die Zahl mit 0,8. Das sind 80 Prozent. Dann wissen Sie, welchen Teil Ihres Verbrauchs an Strom, Gas und Fernwärme Sie preiswerter bekommen. Und welchen nicht.

4) Vergleichen Sie den Preis, den Ihr Anbieter pro Kilowattstunde ohne Bremse verlangt, mit der Preisbremse. Wie hoch ist die Differenz? Multiplizieren Sie das Cent-Ergebnis mit der Zahl der Kilowattstunden, die Sie preiswerter bekommen. Wenn Ihr Strom beim Anbieter 50 Cent/kWh kostet und Sie sollten 2400 kWh preiswerter bekommen (nämlich für 40 Cent/kWh), dann wären das 2400 mal 10 Cent, macht 240 Euro.

5) Teilen Sie das Ergebnis durch 12. Jetzt wissen Sie, wie viel Geld Sie bei gleichem Verbrauch jeden Monat durch die Bremse sparen und um wie viel Ihr Abschlag in etwa sinken sollte – um 20 Euro in diesem Beispiel.

Für Januar und Februar bekommt Ihr Anbieter Geld vom Staat, das er Ihnen im März als Rabatt zusätzlich gutschreiben soll. Ihr Abschlag sollte im März also besonders niedrig sein: In unserem Beispiel einmalig 60 Euro niedriger als bisher.

Ab April gilt dann der neue, im Beispielfall 20 Euro geringere Abschlag. Den Rabatt kann Ihnen keiner mehr nehmen, bis die Preisbremse Ende 2023 ausläuft – oder bis April 2024, falls die Bundesregierung die Verlängerungsoption zieht. Erhöht Ihr Anbieter zwischendurch die Preise, steigt auch Ihr Rabatt. Und wenn Sie viel Strom oder Gas gespart haben, bekommen Sie bei der Jahresrechnung noch jede Menge Geld zusätzlich zurück – für jede eingesparte Kilowattstunde den Preis des Anbieters.

Wenn Ihr Anbieter nicht aus dem Knick kommt oder seine Zahlen auf dem Ankündigungsbrief erkennbar nicht stimmen, sollten Sie Kontakt mit ihm aufnehmen. Teilen Sie ihm mit, Sie würden den Abschlag entsprechend Ihrer eigenen Berechnung absenken. Häufig können Sie den Abschlag selbst auf der Homepage des Anbieters korrigieren. Geht das nicht und der Anbieter hat eine falsche Absenkung ausgerechnet, legen Sie Widerspruch ein. Hier finden Sie das Finanztip-Musterschreiben dafür .

Denken Sie immer daran: Der Abschlag, den Sie zahlen, basiert auf einem vernünftigen Vorschlag Ihres Anbieters, um die Jahresrechnung auf zwölf Monate aufzuteilen. Zahlen müssen Sie am Ende die Summe der Jahresrechnung.

Wenn der Anbieter den Abschlag per Lastschrift einzieht, bestehen Sie darauf, dass er die Lastschriftsumme ab März ändert. Bezahlen Sie dagegen per Dauerauftrag oder Rechnung, müssen Sie selbst den Dauerauftrag oder die einzelne Überweisung ändern.

Tun Sie das! Viel Erfolg!