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ARCHIV - 26.03.2018, Nordrhein-Westfalen, Essen: Ein Bautrupp der Bahn repariert auf der Strecke zwischen Essen und Duisburg das Gleisbett. (zu dpa: «NRW will Bankverkehr mit Millionenaufwand zuverlässiger machen») Foto: Roland Weihrauch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Roland Weihrauch

Update

Sanierungsplan bis 2030: Diese Strecken will die Bahn komplett sperren

43 Hauptstrecken will der DB-Konzern fünf Monate lang grunderneuern. Doch viele Umleitungsstrecken sind in schlechtem Zustand. Auf Fahrgäste wartet Kummer.

In Frankfurt am Main fand an diesem Donnerstag ein seit langem erwartetes Treffen der Bahnbranche statt. In einer vierstündigen Sitzung diskutierte die für das Gleisnetz zuständige Bahntochter DB Netz mit den im Eisenbahnverkehr tätigen Unternehmen einen bis ins Jahr 2030 reichenden Sanierungsplan für das deutsche Schienennetz.

Konkret sieht die Vereinbarung vor, welche Hauptstrecken zu welchem Zeitpunkt monatelang vollständig gesperrt werden. Der Vorschlag der Deutschen Bahn liegt dem Tagesspiegel Background vor.

Es geht um ein zentrales Versprechen von Verkehrsminister Volker Wissing. Der FDP-Politiker hatte im Sommer 2022 angekündigt, dass er die Bahn bis Ende des Jahrzehnts mithilfe einer Generalsanierung der überlasteten Hauptkorridore wieder zuverlässig machen will. Mit der Durchführung ist die DB Netz beauftragt.

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Damit die Vollsperrungen den Bahnverkehr nicht deutschlandweit zum Erliegen bringen, ist eine umfangreiche Planung von Umleitungen für den Fern- und Güterverkehr notwendig. Für Ersatzfahrten im Nahverkehr braucht es zudem ausreichend Busse. Auch die verschiedenen Arbeiten an den Bahnstrecken – an den Gleisen, am Bahnschotter, an den Signalen und an der Oberleitung – müssen koordiniert werden.  

43 Abschnitte mit 4200 Kilometern Gesamtlänge

Zu der Radikalkur fürs Schienennetz gab es deshalb seit November 2022 bereits vier Abstimmungsrunden. Dem Tagesspiegel Background vorliegende Präsentationsfolien für das fünfte Treffen zur „Brancheneinbindung“ an diesem Donnerstag zeigen nun detailliert die Pläne der Deutschen Bahn.

Auf die Bahn wartet ein Jahrzehnt des Bauens.
Auf die Bahn wartet ein Jahrzehnt des Bauens.

© Imago/Jürgen Heinrich

Darin werden insgesamt 43 Strecken mit einer Gesamtlänge von circa 4200 Kilometern genannt, die bei einer in der Regel fünf Monate dauernden Vollsperrung runderneuert werden sollen. Zwischen dem großen Fahrplanwechsel im Dezember und Februar soll es jedoch keine Korridorsperrungen geben.

Bisher war nur bekannt, dass die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt als erste Hauptstrecke im zweiten Halbjahr 2024, direkt nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft, generalsaniert werden soll. Zudem hatte die Bahn kommuniziert, dass im Jahr 2025 die Strecken Hamburg-Berlin und Emmerich-Oberhausen folgen. Unter der Überschrift „streng vertraulich“ wird in den Folien nun aufgelistet, wann die übrigen Strecken in Angriff genommen werden sollen.

Für 2026 plant die DB nun die Sanierung der für den europäischen Güterverkehr entscheidenden Strecken Hamburg-Hannover sowie der sogenannten rechten Rheinschiene zwischen Troisdorf bei Bonn und Wiesbaden. Im ersten Halbjahr soll zudem die ICE-Strecke Köln-Hagen gesperrt werden. Auch die wichtigste Verbindung nach Österreich über Nürnberg, Regensburg und Passau will die Bahn in zwei Schritten sanieren.

Das einzige, was sinnvoll ist, sind separate Strecken für Hochgeschwindigkeitsverkehr. Weil langsame Güterzüge die sehr schnellen ICE ausbremsen und die Kapazität der Strecke stark herabsetzen.

Schreibt Community-Mitglied Robert_Rostock
Bahnstrecke Berlin-Hannover: 2027 soll Berlins wichtigste Anbindung nach Westen fünf Monate gesperrt werden.
Bahnstrecke Berlin-Hannover: 2027 soll Berlins wichtigste Anbindung nach Westen fünf Monate gesperrt werden.

© Julian Stratenschulte/picture alliance / dpa

2027 will die DB nach derzeitigem Stand in zwei Schritten die zum transeuropäischen Kernnetz gehörende Strecke München-Rosenheim-Salzburg sperren, außerdem die für Ostdeutschland entscheidende ICE-Strecke von Berlin nach Lehrte bei Hannover. Für noch mehr Probleme dürfte jedoch die Vollsperrung der sogenannten Ruhrgebiets-Banane zwischen Köln, Düsseldorf, Dortmund und Hamm mit ihrem besonders dichten Zugverkehr führen.

Die Anbindung des Hamburger Hafens könnte 2028 erneut im Fokus stehen, wenn die Strecken von Hamburg nach Bremen und Lübeck erneuert werden sowie die Streckenabschnitte zwischen Uelzen und Stendal und Stendal und Magdeburg. Außerdem will Bahn die linke Rheinscheine zwischen Hürth bei Köln und Mainz generalsanieren.

Erst am Ende des Jahrzehnts sind 2029 die international wichtigen Verbindungen zwischen Köln und Aachen sowie Forbach bei Saarbrücken und Ludwigshafen geplant. Außerdem ist die stark überlastete Strecke Fulda-Hanau für eine Generalüberholung vorgesehen. 2030 würden unter anderem noch die Hafenanbindung Recklinghausen-Münster-Bremen sowie die süddeutschen Strecken Ulm-Augsburg und Mannheim-Karlsruhe angegangen.

Verkehrsministerium kennt Bahn-Pläne nicht

Die Deutsche Bahn erklärte dazu auf Anfrage: „Eine finale Entscheidung über die Korridore und die Reihenfolge möglicher Generalsanierungen ist noch nicht getroffen.“ Zugleich bestätigte eine Sprecherin des Konzerns, dass es sich um 43 Streckenabschnitte handele. Sie seien Teil des hochbelasteten Netzes und sollten nun zu einem Hochleistungsnetz ertüchtigt werden.

Die DB habe anhand der gemeinsam mit der Bahnbranche diskutierten Kriterien einen Vorschlag zur Auswahl und Reihenfolge der Streckenabschnitte entwickelt. „Dieses Arbeitspapier dient der DB als Grundlage für die weiteren Gespräche mit dem Bund.“ Der Plan der DB orientiert sich dabei im Grundsatz an den ohnehin seit Langem geplanten Sanierungsarbeiten. Durch das neue Konzept der Korridorsanierung soll es also möglichst wenige Änderungen geben.

Für mehr Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auf der Schiene sei ein neues Sanierungskonzept alternativlos, sagte DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber, nachdem der Tagesspiegel das Konzept veröffentlicht hatte. Er sei deshalb froh, dass man nun mit konkreten Vorschlägen in die Gespräche mit dem Eigentümer gehen könne. Beschlossen seien jedoch erst die bereits bekanntgegebenen Strecken. „Wie und wo es danach weitergeht, entscheidet der Bund.“

Das zeigt, dass die Pläne jetzt bekannt werden, ist misslich für den DB-Konzern. Denn mit dem Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing sind die Streckensperrungen bisher nicht abgestimmt. Dabei gibt es derzeit kaum heiklere verkehrspolitische Vorhaben, da auf die Bürger:innen teilweise eine erhebliche Einschränkung ihrer Mobilität – im Nah- und Fernverkehr – zukommen dürfte.

So werden die ICE und Intercity zwischen Hannover und Hamburg und Hannover und Berlin wohl mindestens eine Stunde länger unterwegs sein, wenn die entsprechenden für 200 bis 250 km/h ausgebauten Hauptstrecken gesperrt sind.

Rangierbahnhof Maschen bei Hamburg: Die Güterbahnen warnen vor einem „Kundenvergraulprogramm“ im Hafen-Hinterlandverkehr.
Rangierbahnhof Maschen bei Hamburg: Die Güterbahnen warnen vor einem „Kundenvergraulprogramm“ im Hafen-Hinterlandverkehr.

© Marcus Brandt/picture alliance/dpa

Auch die Wettbewerbsbahnen im Güterverkehr befürchten starke Einschränkungen. „Wir haben Sorge, dass bei vielen der 43 geplanten Sanierungsabschnitte eine Umleitung von Güterverkehren im bestehenden Netz mangels geeigneter Strecken nicht möglich ist“, sagte der Geschäftsführer des Verbands Die Güterbahnen, Peter Westenberger, Tagesspiegel Background.

Bisher habe die DB diese Grundbedingung der Transporteure nur für einen Abschnitt, die Riedbahn, in Ansätzen durchgespielt. „Bekundungen, im Moment noch ungeeignete Umleiterstrecken etwa durch eine vorlaufende schnelle Elektrifizierung vorab zu ertüchtigen, sind bisher sehr allgemein und nicht belastbar.“

Ertüchtigung von Umleitungsstrecken hakt

So kritisiert Westenberger, dass der zweigleisige Ausbau zwischen Uelzen und Stendal immer weiter nach hinten geschoben wird. Die DB Netz rechnet laut der Präsentation erst 2030 damit. Dabei werde diese sogenannte „Amerikalinie“ bei fast allen Vollsperrungen im Norden als Bypass benötigt, sagte Westenberger. Ohne zweigleisigen Ausbau befürchtet er ein jahrelanges „Kundenvergraulprogramm“ im Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens.

Die Verzögerung hat die Deutsche Bahn vor Ort ausgerechnet mit den Korridorsanierungen begründet. Offenbar fehlen dem Konzern nun ausreichend Planer:innen, um auch den Ausbau des Schienennetzes weiter voranzutreiben.

Auch anderswo wird die Ertüchtigung der Umleitungsstrecken laut aktuellem Ausbauplan erst nach der Generalsanierung des entsprechenden Korridors fertig, wie aus der Präsentation von DB Netz hervorgeht. Zu mancher an sich wünschenswerten Elektrifizierung heißt es auch schlicht: „nicht gestattet“.

Als Notlösung will die Bahn deshalb auf sogenannte „Diesel-Shuttles“ setzen. Sprich: DB Netz will Güterzüge samt E-Lok mit Diesellokomotiven durch nicht elektrifizierte Abschnitte schieben.

Abstriche am Ursprungskonzept gibt es auch beim Zustand der Strecken nach der Generalsanierung. Für mindestens zehn Jahre sollten die Strecken danach baufrei sein. Doch derzeit will die DB Netz nur gut fünf Jahre ohne neue Baustellen fest zusagen. An dem Ziel, dass sich das ganze hochbelastete Netz von gut 9000 Kilometern 2030 in einem guten Zustand befinden soll, hält die Bahn allerdings fest.

Zehn Prozent davon seien bereits heute in einem guten Zustand, heißt es in der Präsentation. Bei rund 5000 Kilometern lasse sich eine „sehr gute Qualität“ durch eine „neue Bewirtschaftungsstrategie“ erreichen. Bleibt ein Rest von 4200 Kilometern – dort wird in den kommenden Jahren nun generalsaniert.

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