Krieg in der Ukraine:"Damit kann man auch Kriegsverbrechen dokumentieren"

Krieg in der Ukraine: Unbemannte Flugkörper gewinnen in der modernen Kriegsführung zunehmend an Bedeutung.

Unbemannte Flugkörper gewinnen in der modernen Kriegsführung zunehmend an Bedeutung.

(Foto: Quantum Systems)

Die Gilchinger Firma Quantum Systems hat "zwei Handvoll" unbemannter Drohnen an die Ukraine verkauft. Frank Thieser, Verkaufs- und Finanzchef des Unternehmens, erklärt, wie es dazu kam und welche Rolle die Technik für die moderne Kriegsführung spielt. Ein Gespräch.

Interview von Linus Freymark

Während die Bundesregierung bis vor Kurzem noch mit sich gerungen hat, schweres Kriegsgerät an die Ukraine zu liefern, hat die Gilchinger Firma Quantum Systems das Land bereits mit Drohnen zur Luftaufklärung - Stückpreis: 180000 Euro -beliefert. Frank Thieser, Chief Sales and Financial Officer des Unternehmens, erklärt, wie es dazu kam.

SZ: Herr Thieser, Ihre Firma hat mehrere Drohnen an die Ukraine geliefert. Wie kam es dazu?

Frank Thieser: Der ukrainische Konsul in München hat aufgrund der Not seiner Regierung, geeignete unbemannte Flugkörper zur Luftaufklärung zu beschaffen, bei uns angefragt. Nachdem wir die Details geklärt haben, ist der Verkauf dann relativ schnell zustande gekommen. Zwischen Kontaktaufnahme und Lieferung lagen keine zwei Wochen. Bei unseren Drohnen handelt es sich im Übrigen natürlich nur um unbewaffnete Geräte.

Dabei sind Exporte in Kriegsgebiete oft ein riesiger bürokratischer Akt - erst recht, wenn die Güter dann auch im bewaffneten Konflikt eingesetzt werden sollen.

In unserem Fall hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle schnell und unbürokratisch gehandelt. Das ging in Rekordzeit vonstatten. Wenn wir unsere zivilen Drohnen ins Ausland verkaufen, brauchen wir immer eine Genehmigung der Behörden. Meistens dauert das ziemlich lang. Für einen Export nach Indien etwa mussten wir fünfeinhalb Monate darauf warten. Für uns als Unternehmen ist das oft ärgerlich.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es diesmal so schnell ging?

Ich denke, es gibt bei unseren Politikern einen großen Willen, die Ukraine zu unterstützen. Dann findet man auch Wege, Lieferungen schneller zu genehmigen. Man darf ja auch nicht vergessen: Wir liefern keine Panzer oder andere Waffen, sondern lediglich Drohnen zur Aufklärung. Die genaue Anzahl wollen wir nicht kommunizieren. Aber man kann sagen, dass es sich um etwa zwei Handvoll Drohnen handelt. Ein Teil ist schon vor Ort, andere werden noch geliefert.

Krieg in der Ukraine: Technologie mit breitem Einsatzspektrum: Die Drohnen aus Gilching werden zur Aufklärung eingesetzt.

Technologie mit breitem Einsatzspektrum: Die Drohnen aus Gilching werden zur Aufklärung eingesetzt.

(Foto: Quantum Systems)

"Nicht zuletzt können durch Drohnen auch Kriegsverbrechen festgestellt und dokumentiert werden"

Wie setzt das ukrainische Militär Ihre unbemannten Fluggeräte ein?

Zum einen können unsere Drohnen eben zur klassischen Aufklärung genutzt werden. So lässt sich etwa in Erfahrung bringen, wo und in welcher Stärke sich feindliche Einheiten befinden. Zum anderen können unsere Drohnen zur Schadensdokumentation eingesetzt werden, um sich ein Bild über eigene Verluste zu machen. Nicht zuletzt können durch Drohnen auch Kriegsverbrechen festgestellt und dokumentiert werden, wie sie zuletzt in Butscha und anderen Orten in der Ukraine begangen wurden. Wie das ukrainische Militär konkret unsere Drohnen einsetzt, müssen die Verantwortlichen vor Ort entscheiden.

Westliche Medien und Geheimdienste greifen oft auf Satellitenbilder zurück, um sich einen Überblick über den Kriegsverlauf zu beschaffen. Inwieweit unterscheiden sich die Informationen, die sich durch Drohnen einholen lassen?

Ein entscheidender Unterschied: Der Satellit ist nicht immer am Ort des Geschehens. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass er in Echtzeit Informationen liefert - dabei kommt es oft genau darauf an. Wenn es bewölkt ist, tut sich der Satellit zudem schwer, durch die Wolkenschicht durchzudringen. Unsere Drohnen fliegen tiefer und haben das Problem nicht. Kurz gesagt: Wenn es nicht auf Echtzeitinformationen ankommt und man nicht auf hochauflösende Bilder angewiesen ist, ist der Satellit sehr gut. Für alles andere braucht man Drohnen. Beide Optionen ergänzen sich aber auch gut.

Krieg in der Ukraine: Frank Thieser, Chief Sales and Financial Officer bei Quantum Systems

Frank Thieser, Chief Sales and Financial Officer bei Quantum Systems

(Foto: Quantum Systems)

Ihre Drohnen fanden zunächst nur für zivile Belange Verwendung. Wie bewerten Sie es, dass Sie nun auch im militärischen Kontext verwendet werden?

Da unsere Exporte genehmigungspflichtig sind, liegt die letzte Verantwortung bei den Behörden. Ob und für welche Zwecke unsere Geräte exportiert werden, entscheidet die Bundesregierung. Unsere Aufgabe ist es, die beste Technologie zu liefern, die in einem breiten Einsatzspektrum verwendet werden kann. Es ist gut, dass wir eigene Systeme herstellen können. Die technologische Souveränität Deutschlands im internationalen Wettbewerb ist extrem wichtig.

Welche Rolle spielen Drohnen in modernen Kriegen?

Sie werden immer wichtiger. 2009 hat der deutsche Oberst Georg Klein in Afghanistan den Befehl zum Angriff eines Tanklasters gegeben, bei dem mehr als 90 Zivilisten getötet wurden. Hätte man damals schon die technologischen Möglichkeiten von heute gehabt, hätte man genau gewusst, wie viele Zivilisten sich in der Nähe des Tanklasters befanden. Dann hätte man den Befehl wohl nicht gegeben. Je präziser man Aufklärung betreibt, desto besser kann man die Zahl von Kollateralschäden, sprich zivile Todesopfer, verringern. Dadurch wird viel menschliches Leid verhindert - auf allen Seiten. Der Einsatz von unbewaffneten Drohnen in militärischen Auseinandersetzungen ist meiner Meinung nach also nicht negativ zu bewerten.

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