Gerichtliches Verkaufsverbot Oppo verlässt deutschen Markt – ohne diese Handys wird das Angebot bald knapp

Der chinesische Telekommunikationskonzern Oppo wurde, ebenso wie Konkurrent Apple, vom japanischen Patentverwerter IP Bridge vorgeworfen, ein Mobilfunkpatent zu verletzen. Der klagte in München. Quelle: imago images

Mit dem chinesischen Anbieter Oppo verabschiedet sich erstmals ein Handykonzern wegen des strengen deutschen Patentrechts aus Deutschland. Infolgedessen könnte bis zu zehn Prozent des deutschen Handyangebots wegbrechen.

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Auf der Internetseite von Oppo herrscht unter den Mobilfunkangeboten seit gestern Abend gähnende Leere. Im Angebot sind nur noch Kopfhörer and andere Accessoires, aber keine Smartphones mehr. Immerhin beruhigt der Konzern seine Nutzer: „Du kannst alle deine Oppo-Produkte weiter uneingeschränkt nutzen, auf den Support zugreifen und du erhältst selbstverständlich auch alle zukünftigen Updates.“

Am Freitagnachmittag verhängte das Landgericht München 1 aufgrund einer Klage von Nokia ein Verkaufsverbot gegen den chinesischen Anbieter von Handys der Marken Oppo und dem Premiumangebot OnePlus. In den Vormonaten hatte ein Mannheimer Richter schon gegen Oppo entschieden und Nokia die Vollstreckung eingeleitet. Jetzt dürfen Handys von den beiden Marken von Oppo weder vertrieben noch vermarktet werden. Gemeinsam haben sie laut Marktforschungsgesellschaft Canalys in Deutschland einen Marktanteil von mehr als zehn Prozent.

Rückzug aus Deutschland

„Abgesehen davon, dass wir den Verkauf und die Vermarktung von bestimmten Produkten aussetzen, wird Oppo den Betrieb in Deutschland fortsetzen“, sagte Oppo-Pressesprecher Peter Manderfeld gegenüber der WirtschaftsWoche. Dennoch verabschiedet sich Oppo mit seinen Handys – zumindest vorerst – aus dem deutschen Markt, statt sich von hiesigen Gerichten unter Druck setzen zu lassen: „Die Schlacht mit den Mobilfunkpatenten erreicht damit eine neue Dimension“, sagt Patentexperte Florian Müller, der den Blog Fosspatents schreibt. „Es ist die weitreichendste Produktdurchsetzung, die jemals in Deutschland stattgefunden hat.“

In der Härte hat noch kein Player in den sogenannten „Patent Wars“ diese ultimative Konsequenz gezogen. Bei Apple waren vom Verkaufsverbot 2018 nur ältere Smartphones betroffen. Zuletzt drohten Ford und davor Daimler Verkaufsstopps, sie nahmen aber schnell eine Lizenz, um den Umsatzeinbruch zu vermeiden.

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Bei einem Wegbruch von gut zehn Prozent des Handyangebots könnte die Entscheidung von Oppo durchaus eine Handyknappheit in Deutschland auslösen. Insbesondere dann, wenn der Patentstreit mit Nokia nicht vor Weihnachten behoben werden können. Nokia klagt auf Basis teils derselben Patente auch gegen Vivo, ein anderer Hersteller des BBK-Konzerns, zu dem auch Oppo gehört. Auch Vivo könnte sich binnen sechs Monaten gezwungen sehen, den deutschen Markt zu räumen. Damit brächen weitere zehn Prozent des Handyangebots hierzulande weg. Infolgedessen würden insbesondere die preisgünstigsten Angebote am deutschen Markt nicht mehr verfügbar sein.

Smartphone Engpass droht

Der Branchenverband Bitkom warnt ohnehin, dass wegen der Chipknappheit 2022 weniger Handys in Deutschland verkauft würden als im Vorjahr. Wenn die Smartphones von Oppo, OnePlus und letztlich auch Vivo aus den Regalen verschwinden, können andere Hersteller das fehlende Angebot mitunter nicht ausgleichen, weil ihnen die Chips fehlen. Für Verbraucher hieße das zudem höchstwahrscheinlich auch höhere Preise.

Zunächst allerdings dürfen Reseller wie MediaMarktSaturn und Telefongesellschaften die Oppo-Handys, die schon in ihrem Bestand sind, weiterverkaufen. Neue Ware könnten sie sogar von Töchtern aus dem Ausland, zum Beispiel den Niederlanden, nachziehen. Dagegen könnte sich Nokia allerdings mit einer Zollbeschlagnahme wehren.

Bei Oppo dürfte reines betriebswirtschaftliches Kalkül hinter dem Abschied aus Deutschland stecken. Von weltweit geschätzt 200 Millionen Handys verkauft der chinesische Anbieter Oppo mit rund zwei Millionen Stück nur ein Prozent in Deutschland. Um dieses eine Prozent ihres Umsatzes zu retten, wäre der Konzern gezwungen eine weltweite Lizenz zu nehmen, da deutsche Gerichte auf eine weltweite Lizenznahme bestehen. Oppo aber verkauft seine Smartphones jedoch vor allem in Niedriglohnländern in Asien, Afrika und Lateinamerika – ein Massengeschäft mit sehr geringen Margen. Da kann eine Lizenz von 2,50 Euro je Smartphone, wie Nokia sie von Daimler verlangte, schnell zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen.

Am Horizont kündigt sich eine Entscheidung von geopolitischer Dimension an: Nokia klagt nicht nur in Deutschland gegen Oppo, sondern auch in Frankreich, Spanien, Großbritannien Niederlanden, Finnland und Schweden. Hängen diese Gerichte sich an das deutsche Urteil, dürfte Oppo sich komplett aus Westeuropa verabschieden. Dagegen dürfte es Nokia vor Gerichten in den Schwellenländern schwerer fallen, ein ähnliches Drohszenario aufzubauen: „Die unterschiedliche Rechtsphilosophie zwischen Deutschland und dem Rest der Welt vertieft den geopolitischen Graben zwischen West und Ost“, sagt Patenexperte Müller.

Weitere Konflikte am Horizont

Die deutschen Urteile, die drei standardessenzielle Patente von Nokia bekräftigen, geben dem finnischen Mobilfunkkonzern auch erprobte Munition für andere Konflikte. So dürfte der im Juni 2017 geschlossene Lizenzvertrag mit Apple ausgelaufen sein. Der Konflikt könnte im Herbst erneut vor deutschen Gerichten aufflackern. Ähnliches besteht mit Samsung bevor.

In München, Mannheim und Düsseldorf läuft im Herbst auch die Prozessserie von Ericsson gegen Apple an. In Deutschland hat zuletzt vor fünf Jahren ein Gericht gegen einen SEP-Inhaber entschieden – Philips unterlag damals gegen den taiwanesischen Elektronikkonzern ASUS.

In Kolumbien setzt Ericsson aktuell ein komplettes Verkaufsverbot von 5G-fähigen Geräte gegen Apple durch. Der iPhone-Hersteller wehrt sich dagegen unter Berufung auf die UN-Menschenrechtscharta – in Paragraph acht ist dort auch das Recht auf die Freiheit an der Beteiligung am Wirtschaftsgeschehen geschützt.

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