Die ersten Inhalte wurden bereits am Montag freigeschaltet und sorgten so schon für Schlagzeilen. Ob nun technisches Versehen oder smarter Marketingmove, sei mal dahin gestellt. An diesem Mittwoch fällt jedenfalls der offizielle Startschuss für Freevee in Deutschland: Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland der dritte Markt für den zweiten Streamingdienst von Amazon. Entscheidender Unterschied: Das Comeback von Werbepausen sorgt dafür, dass die Inhalte von Freevee kostenlos nutzbar sind.

Christian Hoeweler © Amazon
„Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden ein Erlebnis bieten, was sie normalerweise nur hinter einer Paywall erwarten würden, angefangen mit großartigen Inhalten“, erklärt Christian Hoeweler (Foto), Leiter von Amazon Freevee Deutschland, im Gespräch mit DWDL.de. Einerseits bietet auch Freevee eigene Originals, andererseits baut man auf eingekaufte Lizenzware, um schon bekannte Serien- und Filmtitel anbieten zu können. Drittes Standbein sind werbefinanzierte lineare Kanäle von Drittanbietern, die man kuratieren will - ähnlich dem, was Paramount bei Pluto TV bietet. Free Ad Supported TV, abgekürzt FAST, ist eines der Trendthemen des Jahres. Die Wiederentdeckung des Lean-Back-Entertainment für preissensible Kunden sozusagen.

Deutsche Originals "ein logischer Schritt"

„Wir freuen uns, gleich mit dem Freevee-Original ‚Bosch: Legacy‘ starten zu können. In wenigen Wochen folgt dann das Freevee-Originals ‚Sprung‘ aus der Feder von Greg Garcia, der mit ‚My name is Earl‘ eine meiner Lieblingsserien erfunden hat - und ‚Judy Justice‘ mit der bekanntesten TV-Richterin der USA. Und für Basketball-Fans haben wir die Dokuserie 'Uninterrupted’s Top Class: The Life and Times of the Sierra Canyon Trailblazers' im Angebot.“ Deutsche Originals für Freevee sind derzeit noch nicht in Vorbereitung, aber Hoeweler schließt das für die Zukunft nicht aus. "Es ist ein sehr logischer Schritt", pflichtet ihm Ryan Pirozzi, einer der beiden Heads of Content and Programming bei Amazon Freevee in den USA, bei.

Ryan Pirozzi © Amazon
Vom großartigen Storytelling der jetzigen Eigenproduktionen schwärmt Pirozzi (Foto). Doch wie unterscheidet sich Freevee dabei von der Schwester Prime Video? „Es ist komplementär zu Prime Video und das nicht nur weil wir kostenlos sind sondern auch in Bezug auf die Inhalte. Wir wollen die ganze Bandbreite von Inhalten abdecken“, sagt Pirozzi, ohne damit natürlich viel zu sagen. Aus dem Bereich Lizenzware sind zum Start von Freevee in Deutschland u.a. die Produktionen „Hotel Mumbai“ als Free-TV-Premiere sowie bekannte Serien wie „2 Broke Girls“, „The Night Manager“, „Person of Interest“ und „Penny Dreadful“ verfügbar. Die ersten linearen Partner-Kanäle sind BBC Food, BBC Travel, BBC History, FilmRise Serien und Craction TV sowie monothematisch Kanäle für die beiden Serien „X-Factor: Das Unfassbare“ und „Ein Engel auf Erden“. 

„Wir werden auch eine Menge Mitglieder von Prime Video mit einer vergrößerten Auswahl glücklich machen, die sie umsonst on top bekommen, wenn sie eine vergleichsweise geringe Menge Werbung akzeptieren. Umgekehrt sind wir überzeugt: Wer einmal Freevee für sich entdeckt und bisher noch kein Prime-Kunde ist, entdeckt bei der Nutzung von Freevee Inhalte bei Prime Video“, so Ryan Pirozzi. Dazu muss man wissen: Neben der Nutzung über die Freevee-Website gibt es einen eigenen Freevee-Auftritt in Form einer eigenen App nur auf den Amazon-eigenen Fire TV-Geräten.

Auf allen anderen Geräten wird Freevee einfach in Prime Video integriert, was einen schnelleren Rollout ermögliche als mit diversen Gerätepartnern erst über eine Verbreitung zu verhandeln. „Unser Launch in Deutschland fällt praktischerweise zusammen mit dem Rollout der neuen Benutzeroberfläche von Prime Video, wo Freevee sehr gut eingebunden sein wird“, freut sich Christian Hoeweler. Trotzdem bleibt kurios: Wer Freevee will, muss also auf den meisten Geräten Prime Video installieren, um dann Freevee zu nutzen, auch ohne Prime-Mitgliedschaft. Aus Amazon-Sicht ist ein Upsell zum kostenpflichtigen Prime-Abo so nie weit entfernt.

Bis zu neun Minuten Werbung pro Stunde

Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal von Freevee ist natürlich die Finanzierung durch Werbung. Die Zeit sei reif dafür, sagt der deutsche Freevee-Chef: „Wir sehen aus den Erfahrungen in den USA und Großbritannien, dass es eine hohe Akzeptanz für Werbung gibt, wenn sie nicht zu oft stört und sich dabei nicht wiederholt.“ Das klingt freundlich, doch gleichzeitig läutet Freevee ein neues Zeitalter in der Werbefinanzierung im Streamggeschäft ein, denn wo bislang meist vereinzelte Spots geschaltet wurden, setzt Freevee auf Werbeblöcke.

„Wir setzen auf MidRoll-Werbung und werden dabei nicht mehr als neun Minuten Werbung pro Stunde ausspielen, was weniger ist als man es aus dem klassischen werbefinanzierten Fernsehen kennt“, erklärt Christian Hoeweler im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Das lineare werbefinanzeirte Fernsehen darf in Deutschland maximal zwölf Minuten pro Stunde werben. Freevee bleibt unter dieser Werbelast - und zum Start ohnehin. Erste DWDL-Erfahrungen zeigen: Bislang sind es meist wenige Spots und damit weniger als neun Minuten pro Stunde, die das Programm unterbrechen. 

Entscheidend für die Akzeptanz von Werbung, ergänzt US-Kollege Ryan Pirozzi, sei auch die Art der Integration: „Die Werbungen sind gezielt platziert und starten nicht mitten in einer Szene. Wir haben ein ganzes Team, dass sich darum kümmert, damit die Werbung passgenau ausgespielt wird.“ Zusätzlich ist in der Timeline des Streams ersichtlich, wann Werbepausen kommen werden, die dann stets mit einem kurzen Hinweis „Werbung“ vor dem ersten Spot beginnen. Den Werbeverkauf regelt Amazon übrigens inhouse. „Der Verkauf von Werbung und Werbung in Streams ist nichts wirklich ganz Neues für Amazon, wenn wir z.B. an Twitch denken. Das realisieren wir intern über Amazon Advertising“, so Christian Hoeweler, Leiter von Amazon Freevee Deutschland.