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Patricia Schlesinger, 61, ist seit 2016 Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg.

© Britta Pedersen/dpa

Interview mit RBB-Intendantin Patricia Schlesinger: „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“

Die RBB-Chefin weist Rücktrittsforderungen zurück. Aber über Vertrag und Gehalt lasse sich noch mal reden, sagt sie im Interview mit dem Tagesspiegel.

Frau Schlesinger, warum empfangen Sie uns gerade jetzt zum Interview?
Ich arbeite seit Tagen an der Frage: Wann gehen wir raus. Wir haben die Dinge seit Wochen gesichtet und geschaut, wo sind die Vorwürfe begründet, wo nicht. Einmal mussten wir uns korrigieren, weil wir auf Informationen von Dritten angewiesen waren.

Sie meinen, dass Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf nachträglich festgestellt hatte, dass er mit einem der Berater für das Digitale Medienhaus des Rundfunk Berlin-Brandenburg doch schon vor der Auftragsvergabe einen Kontakt hatte?

Das war für uns ein kleiner Schock, wir hatten aber tatsächlich wirklich andere Informationen.

 Was ist noch neu für die Öffentlichkeit?
Zunächst einmal: Die Aufklärung läuft, die Compliance-Anwälte sind im Haus. Am Donnerstag waren sie das erste Mal bei mir und haben von uns umfangreiches Material bekommen. Nach der Sichtung wird es weitere Gespräche geben. Unsere Mitarbeiter werden wir zudem von der Schweigepflicht entbinden. Außerdem soll es ein anonymes Whistleblower-System geben, so dass weitere Vorwürfe, so es sie gibt, geprüft werden können.

Die Zeit drängt, beinahe täglich gibt es weitere Medienberichte. Wie viele Mitarbeiter der Kanzlei Lutz Abel sind mit der RBB-Prüfung beschäftigt?
Nach meinem Kenntnisstand fünf Anwälte mit ihren Teams.

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Dann liegen die Ergebnisse doch möglicherweise schon früher vor als in vier bis sechs Wochen?

Das war unsere Hoffnung, das ist aber auch wegen Urlaubszeiten schwierig. Ich rechne nach Auskunft der Kanzlei mit Ende September oder Anfang Oktober.

Was umfasst der Auftrag, um welche Vorwürfe geht es?
Alle.

Nicht nur die Brandenburger Landtagsabgeordneten wollen wissen, ob dazu auch der durch Wolf-Dieter Wolf vermittelte Kontakt der Messe Berlin zu ihrem Ehemann, Herrn Spörl, und die daraus resultierenden Aufträge gehört?
Soweit ich weiß, ja. Aber auch da gilt: Wir sind nicht der Auftraggeber dieser unabhängigen Überprüfung und kennen darum auch nicht den genauen Auftrag. Aber lassen sie uns die verschiedenen Vorwürfe abarbeiten.

„Wir machen hier kein Harakiri, wir gucken 2023, ob wir uns den Bau leisten können“

Fangen wir mit dem Bau des Digitalen Medienhauses an.
Wir haben vorläufig alle Aktivitäten gestoppt, auch als klares Signal, dass es noch keine endgültige Entscheidung gibt. Die soll im August 2023 fallen – unter Berücksichtigung aller wirtschaftlichen Faktoren. Wir machen hier kein Harakiri, wir schauen im nächsten Jahr, ob wir uns den Bau angesichts steigender Preise leisten können. Wir reden dabei über Wirtschaftlichkeitsberechnungen und einen Kredit über 30 Jahre Laufzeit. Notwendige Sanierungen und Instandsetzungen laufen weiter, das hat ein Volumen von 70 bis 80 Millionen Euro.

Und die 90 bis 100 Millionen Euro für das Medienhaus kommen on top?
Nein, ein großer Teil davon steckt bereits in den Sanierungs- und Instandsetzungskosten. Vom Verwaltungsrat haben wir die Genehmigung bekommen, einen Kredit über 125 Millionen Euro aufzunehmen. Mit dieser Größenordnung rechnen wir.

90, 100, 125 oder 185 Millionen Euro: Wie viel wird das Digitale Medienhaus am Ende kosten? Vorerst sind alle Aktivitäten auf Eis gelegt.
90, 100, 125 oder 185 Millionen Euro: Wie viel wird das Digitale Medienhaus am Ende kosten? Vorerst sind alle Aktivitäten auf Eis gelegt.

© Entwurf: Baumschlager Eberle Architekten

Warum dann der Stopp?
Nach der Kritik und den Vorwürfen haben wir gesagt: Wir bauen weiter, wenn wir es uns leisten können und es nachweislich sauber aufgesetzt und die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Beeinflusst hat mich dabei, dass an allem gezweifelt wird, jeden Tag kommt was Neues – und wir gehen davon aus, dass das noch eine Weile so weitergeht. Die bisherigen Kosten wurden ohne Kredite aus dem laufenden Haushalt gedeckt. Und was mir wichtig ist: ohne dabei Geld zu verwenden, das für unser Programm vorgesehen ist.

Kommen wir zu den Abendessen. Wer waren die Gäste, was die Tagesordnungen?
Die neun Treffen hatten das Ziel, den RBB besser in der Stadt zu verankern, es ging also wirklich und ausschließlich um die Interessen des Senders. Zunächst wurde nach Restaurants oder Hotels gesucht. Das war uns zu teuer. Und weil es ohnehin überschaubare Runden sein sollten, habe ich unseren Esstisch und meine persönlichen Räumlichkeiten angeboten. Die Gäste, es waren maximal elf, waren Multiplikatoren dieser Stadt und des Landes. Namen werde ich nicht nennen. Zu den Essen habe ich einen Antrag mit Gästelisten verfasst. Alles stand in unseren digitalen Akten, auch welcher Gast abgesprungen ist oder doch mit Anhang kam.

Würden Sie das noch mal so machen?
Natürlich bin ich nachdenklich geworden, ob das eine gute Idee war. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich verstehe die Fragen, aber ich halte es nach wie vor wichtig für das öffentlich-rechtliche System, Hintergrundgespräche zu führen.

„Über den Auftrag an meinen Mann hätte ich wahrscheinlich im RBB reden sollen“

Welche anderen Dinge gibt es, die Sie heute anders handhaben würden?
Über den Auftrag der Messe Berlin an meinen Mann hätte ich wahrscheinlich im RBB reden sollen, auch wenn die Compliance-Verordnung das nicht vorschreibt. Aber: es wurde nichts heimlich vollzogen, mein Mann macht seit Jahren Beratungen und er verfasst Bücher. Der Betrag von 41 000 Euro, den er für eine Beratung bekommen hat, liegt seit einigen Tagen auf einem Treuhandkonto. Weil auch mein Mann sagt: Das muss sauber sein.

In einer Belegschaftsversammlung haben Sie in harschen Worten beklagt, dass Informationen aus dem RBB gedrungen sind. Sie kündigten zudem presserechtliche Schritte an. Dass gerade eine ehemalige Reporterin und Moderatorin von „Panorama“ so agiert, stieß den Mitarbeitern auf. Würden Sie das immer noch so machen?
Ich habe zwei Punkte angesprochen: An erster Stelle muss die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe stehen und ich werde das mit aller Kraft vorantreiben. Diese Feststellung ist leider nicht durchgedrungen, vielleicht war sie nicht deutlich genug.

Was mich geärgert hat: Wir haben eine Compliance-Beauftragte, eine Revision und ein Justitiariat, wenn man etwas zum Wohle des RBB verändern will, dann kann man sich dahin wenden. Dass man rausgeht, und dann auch noch zur Springer-Presse, fand ich bemerkenswert.

Mit den Vorwürfen ist auch bekannt geworden, dass Ihr Gehalt um 16 Prozent auf 303.000 Euro erhöht wurde. Gilt das nur für die Zeit des ARD-Vorsitzes?
Das Geld war für mich nie der Antrieb, im öffentlich-rechtlichen System zu arbeiten. Bei der Begründung ging es auch um die Zeit des ARD-Vorsitzes, aber auch um die Zehnjahres-Frist durch meine zweite Amtszeit und die Vergleichbarkeit mit anderen ARD-Häusern. Aber: Die Dinge haben sich verändert und erscheinen in einem anderen Licht. Ich habe der amtierenden Verwaltungsratsvorsitzenden Dorette König angeboten, dass wir in dem Gremium mein Gehalt noch einmal besprechen. Ich will, dass auch das sauber ist. Auch die variable Vergütung für Führungskräfte ist in diesem Zusammenhang zu besprechen.

Was meinen Sie damit?
Wir haben mit Kienbaum ein aufwändiges System für die Berechnung von leistungsabhängigen Vergütungsanteilen für die oberste Führungsriege und die Geschäftsleitung erarbeitet, das im Kern auf der Erreichung von Zielvereinbarungen fußt. Ich würde gerne mit dem Verwaltungsrat diskutieren, ob wir es so fortsetzen oder anpassen sollten.  

Es gibt ja Unternehmen, bei denen es gerade nicht so gut läuft, in Folge kommt es zu Einsparungen und Einschnitten. Wäre es nicht eine gute Idee gewesen oder ist sie es immer noch, wenn die Intendantin beim RBB mit gutem Beispiel voranginge?
Ich habe dem Verwaltungsrat angeboten, nochmals über meinen Vertrag zu reden. Die heutige, gültige Version ist vor anderthalb Jahren zustande gekommen. Aus der damaligen Sicht okay, es ist mittlerweile eine moralische Frage.

„Vielleicht sieht es heute anders aus als damals“

Und moralische Fragen sind immer ganz groß.
Vielleicht sieht es heute anders aus als damals, ja.

Vielleicht?
Das ist Sache des Verwaltungsrates. Ich lege mein Gehalt nicht selber fest. Wir werden darüber sprechen, keine Frage. Wir können den Vertrag nochmal aufmachen. Das ist mein Wunsch und Vorschlag, ich  werde dem Verwaltungsrat aber keine Vorgaben machen.

Stehen in der Kritik: RBB-Intendantin Schlesinger und Verwaltungsratschef Wolf.
Stehen in der Kritik: RBB-Intendantin Schlesinger und Verwaltungsratschef Wolf.

© RBB/Oliver Ziebe

Der ebenfalls mit Vorwürfen konfrontierte Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, lässt aktuell sein Amt ruhen. Erwägen Sie das bis zum Ende der lückenlosen Aufklärung?
Ich arbeite seit Jahrzehnten im öffentlich-rechtlichen System, dessen zutiefst überzeugte Anhängerin ich bin. Ich werde diesem System weiterhin mit aller Kraft zur Verfügung stehen.

Der RBB hat auch angekündigt, mit Unterstützung des Medienanwalts Christian Schertz gegen den „Business Insider“ und andere Medien vorzugehen, die über die Vorwürfe berichten. Wer muss mit Gegendarstellungen, Antrag auf Widerruf oder Unterlassung rechnen?
Es wird daran gearbeitet, wir sind mitten im Prozess.

Sie stehen, Frau Schlesinger, jeden Tag im Feuer, „Bild“, „B.Z“, um nur einige der stets Gas gebenden Medien zu nennen. Was macht das mit Ihnen?
In der Belegschaftsversammlung habe ich gesagt: Wir werden alle Fragen gerade und sehr genau beantworten und nach der Aufklärung weitere Schritte besprechen. Genau das ist meine Mission: Den RBB, die ARD, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schützen. Ich werde darin von meiner Geschäftsleitung sehr unterstützt, das finde ich ungemein wichtig. Auch wäre der Eindruck falsch, die Mitarbeitenden des Senders würden sich in toto gegen mich wenden. Ich bekomme auch die anderen Mails, SMS und Whatsapp-Nachrichten: Halten Sie bloß durch. Das hält mich am Leben. Mein innerer Kompass funktioniert.

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Klingt nach einem Kampf, den Sie aufgenommen haben und durchstehen wollen.
Es ist eine Zäsur, keine Frage. Ich habe stets eine Politik der Offenen Tür verfolgt. Was Vertrauen angeht: das ist auch bei mir erschüttert. Damit werde ich leben müssen, das ist eine für mich zutiefst verändernde Erfahrung. Dafür ist man auch Führungskraft, dass man das aushält und immer weitermacht.

Aber wo ist der Punkt, wo Sie sagen werden, das reicht jetzt. Sucht Euch eine andere Intendantin, einen anderen Intendanten?
Da bin ich nicht. Wir produzieren hier im RBB, hier machen die Mitarbeitenden so viel gutes Programm und das in einer Situation, wo wir aus Corona kommen und immer noch in Krieg und Krise sind, da wird weder resigniert noch aufgegeben.

Wenn ich RBB-Mitarbeiter wäre und mein jetziges Gehalt anschaue, käme ich schnell auf den Gedanken, dass es nach oben gehen müsste.
Dazu kann ich gar nichts sagen, das ist Sache der Tarifparteien. Wir werden was tun, tun müssen. Was es sein wird, werde ich Ihnen nicht sagen.

„Wir sind ein wohlfeiles Opfer dafür“.

Nochmals zu den Vorwürfen: Es wirkt so, als kämen sie aus heiterem Himmel. Wie erklären Sie sich diesen heftigen Wetterumschwung?
Ich habe noch keine richtige Erklärung dafür, aber natürlich sind wir ein wohlfeiles Objekt. Ich sehe zugleich Kräfte am Werk, die uns schaden wollen.

Aber Sie wollen es nicht auf die einfache Gleichung bringen: „Business Insider“, „Bild“. „B.Z“, also Springer gegen RBB, ARD und öffentlich-rechtliches System?
Nein, aber es hat mittlerweile Kampagnencharakter. Das werden wir durchstehen müssen.

Nun sind Sie nicht nur RBB-Intendantin, sondern arbeiten auch als ARD-Vorsitzende. Setzt die aktuelle Causa auch dieses Amt unter Druck?
Im Moment haben wir mit der Aufklärung viel zu tun, müssen uns aber ARD-weit auch um die anstehende KEF-Anmeldungen zur künftigen Finanzierung der Sender kümmern. Ich habe bei der vergangenen Sitzung der Intendantinnen und Intendanten in Weimar erlebt, wie wir in der ARD zusammenrücken.

Es mangelt nicht an Solidarität aus der ARD?
Ganz und ganz nicht, das Gegenteil ist der Fall.

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