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Der Rundfunkrat wählt die Intendantin: Patricia Schlesinger (links) trat 2021 ihre zweite Amtszeit an, neben ihr steht Friederike von Kirchbach, die Vorsitzende des Gremiums.

© Oliver Ziebe/RBB

Interview mit der RBB-Rundfunkratsvorsitzenden: „Ich bin sehr alarmiert“

RBB-Rundfunkratschefin Friederike von Kirchbach über die RBB-Affäre, die Zukunft von Intendantin Patricia Schlesinger und die Rolle der Aufsichtsgremien.

Friederike von Kirchbach war Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags und Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Seit 2013 ist die pensionierte Pfarrerin Vorsitzende des Rundfunkrats des RBB. Frau von Kirchbach, wie bewerten Sie die Vorgänge rund um die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger?

Ich nehme diese Vorgänge sehr ernst. Ich habe am 15. Juli zu einer Sondersitzung des Rundfunkrates eingeladen: So etwas gibt es nur, wenn die Situation wirklich hochkomplex ist. Ich bin sehr alarmiert.

Welche Rolle spielt denn an dieser Stelle der Rundfunkrat?

Es gibt dieses schöne Wort des „organschaftlichen Miteinanders“. Es gibt Organe, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eine demokratische Institution ist, kontrollieren. Die Organe, zum einen der Verwaltungsrat, zum anderen der Rundfunkrat, haben dabei unterschiedliche Funktionen: Der Verwaltungsrat besteht aus acht Mitgliedern und überwacht die Geschäftsführung der Intendantin mit Ausnahme der inhaltlichen Gestaltung der Angebote des RBB. Vor allem im Hinblick auf finanzielle Entscheidungen wirkt der Verwaltungsrat beratend und unterstützend. Der Rundfunkrat ist für die Überwachung und Einhaltung des im RBB-Staatsvertrag festgelegten Auftrages zuständig und berät die Intendantin in allgemeinen Angebotsangelegenheiten. Hintergrund für die Zusammensetzung ist die Sicherung der Meinungsvielfalt, die sich im Programm des RBB widerspiegeln soll. Der Rundfunkrat selbst hat keinen Einfluss auf seine Besetzung.

Wer gehört denn zum Rundfunkrat?
Dem Rundfunkrat gehören 28 Mitglieder an. Sie setzen sich aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen zusammen. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben vertreten sie das öffentliche Leben und damit die Allgemeinheit der Länder Berlin und Brandenburg. Die Mitglieder sind an Aufträge von Parteien oder Organisationen nicht gebunden. Aber der Rundfunkrat ist das zentrale Gremium, denn er besetzt den Verwaltungsrat und beruft die Intendantin. Es war schon zu meiner Zeit als Vorsitzende des Rundfunkrats, dass wir Frau Schlesinger in ihr Amt berufen haben. Das ist für mich eine der wichtigsten Funktionen des Rundfunkrates.

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Warum haben Sie sich damals für Patricia Schlesinger entschieden?

Frau Schlesinger ist eine hoch engagierte Programmfrau. Sie ist eine hervorragende Journalistin, die mit vielen Preisen aufwarten konnte. Wir wollten, dass der RBB Aufwind erfährt. Denn im Vergleich mit den anderen Landesrundfunkanstalten ist der RBB nicht sonderlich gut platziert. Da hat Patricia Schlesinger durchaus wichtige Schritte vollzogen, die allerdings noch nicht ganz zu den Wirkungen geführt haben, die wir uns gewünscht haben.

Im Moment ist das RBB-Fernsehen das von den Einschaltquoten her Schlechteste aller dritten Programme – das heißt, Frau Schlesinger hat eigentlich nicht gezündet...

Ich weiss, dass immer wieder hart daran gearbeitet wird, besser zu werden. Beim RBB gibt es viele Menschen, die eine gute Arbeit machen. Immerhin hat der Sender in diesem Jahr drei Grimme-Preise erhalten.

Und was muss passieren, dass Frau Schlesinger weiter im Amt bleiben kann? Was sind die Kriterien dafür, dass sie sagen, es kann weitergehen - und ab wann sagen Sie, es kann nicht mehr so weiter gehen?

Im Moment sind sowohl der Landesrechnungshof, die Revision sowie eine Anwaltskanzlei damit beschäftigt, die Vorwürfe gegen Frau Schlesinger zu prüfen. Wir warten das Votum dieser Kanzlei ab. Und wenn diese Ergebnisse vorliegen, werden wir eine Entscheidung treffen, wie es weitergeht. Das ist der Plan.

Wie viel Zeit hat diese Kanzlei noch? Das Ansehen des RBB sinkt im Moment stündlich. Kann sich der Sender eine Hängepartie bis zum Herbst überhaupt noch leisten?

Der Termin hat sich leider verzögert, weil es um sehr komplexe Bauprobleme mit dem Digitalen Medienhaus geht. Da sind so viele Akten zu prüfen, dass die Kanzlei entgegen der ursprünglichen Aussagen wohl erst bis Ende September schaffen wird. Das ist der Stand, den wir als Rundfunkrat haben. Am 22. September ist die nächste reguläre Sitzung des Rundfunkrates, wir hoffen, dass wir dann schon erste Ergebnisse haben werden. Das schließt nicht aus, dass wir wieder eine Sondersitzung brauchen, das wird sich in der weiteren Entwicklung der Ereignisse entscheiden.

„Die Gehaltsdebatte gehört hier erst einmal nicht hin“

Eine Frage, die man sich in der Öffentlichkeit stellt, ist, warum die RBB-Intendantin annähernd doppelt so viel Gehalt bekommt, wie der Brandenburger Ministerpräsident.

Ich habe einen unglaublichen Respekt davor, was die Intendantinnen und Intendanten des Öffentlich- Rechtlichen Rundfunks leisten. Sie bekommen hohe Gehälter, das ist eine bekannte Tatsache. Es ist aber wohlfeil, das jetzt mit in den Korb der allgemeinen Vorwürfe zu werfen. Die Gehaltsdebatte kann und muss geführt werden, sie gehört hier aber erst einmal nicht hin.

Aber es gibt ein Tarifsystem des öffentlichen Diensts, das auch für viele andere Institutionen maßgeblich ist. Ein Präsident des Landesrechnungshofs, ein Präsident des Landesverfassungsgerichts, selbst ein evangelischer Landesbischof werden entsprechend Tarifgruppe B bezahlt. Müsste da nicht auch die Intendantin des RBB entsprechend eingruppiert werden?

Das ist ein interessanter Gedanke. Aber es ist im Moment weder meine, noch Aufgabe des Rundfunkrates, diese Debatte zu führen. Ich weiß, dass man an verschiedenen Orten innerhalb der ARD über Kriterien für Intendantengehälter nachdenkt, aber das ist ein anderes Thema.

In die Kritik geraten ist Patricia Schlesinger für von ihr gegebene Abendessen in ihrer Privatwohnung. Warum macht man so etwas – und: Was halten Sie davon?

Der RBB hat nun einmal noch Luft nach oben, was seine Beliebtheit betrifft. Ich glaube, dass wir Multiplikatoren brauchen. Wir brauchen Menschen, die sich für ihre Landesrundfunkanstalt einsetzen. Dass Multiplikatorinnen zu Essen eingeladen werden, ist eine rechtlich mögliche Form, die andernorts auch passiert. Aber vielleicht muss man sich auch wirklich fragen, ob im Zeitalter der Transparenz solche Abendessen in einer Privatwohnung noch zeitgemäß sind.

Waren Sie als Rundfunkratsvorsitzende selber Gast bei solch einem Essen?

Ich war da nie dabei, nein.

Friederike von Kirchbach ist Vorsitzende des Rundfunkrates des RBB. Sie wurde von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in das Aufsichtsgremium entsandt.
Friederike von Kirchbach ist Vorsitzende des Rundfunkrates des RBB. Sie wurde von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in das Aufsichtsgremium entsandt.

© Oliver Ziebe/RBB

Dann geht es um die Kostensteigerungen beim neuen Medienhaus. Wann wurden Sie das erste Mal darüber informiert?

Der Rundfunkrat ist von Anfang an über die Pläne informiert worden. In den Details wird jetzt einiges bekannt. In der nächsten Rundfunkratssitzung am 22. September wollen wir uns ausführlich über die finanzielle Situation beim Bau des neuen Medienhauses informieren lassen.

Aber sind Sie denn wirklich noch nicht darüber informiert worden?

Der Verwaltungsrat hat uns in jeder Sitzung des Rundfunkrates aus seiner Arbeit berichtet. Dort ging es natürlich auch um das digitale Medienhaus. Aber die Details, die jetzt öffentlich diskutiert werden, werden erst auf der Septembersitzung im Zentrum stehen. Also die höheren Kosten oder die Schwierigkeiten mit den Beraterverträgen. Wir wurden bei den Sitzungen immer wieder informiert, aber manche Dinge haben auch wir nur aus den Medien erfahren.

Wie ist denn Ihr persönlicher Kontakt zu Frau Schlesinger? Wie groß ist die Nähe, wie groß die Distanz zwischen Rundfunkratsvorsitzender und Intendantin?

Ich bin seit 2013 Rundfunkratsvorsitzende. Im Jahr 2016 haben wir unter meiner Leitung Frau Schlesinger als Intendantin gewählt. Seitdem arbeiten wir zusammen und das ist ein intensives Geschäft. Aber Sie dürfen nicht vergessen: Ich mache dieses Amt im Ehrenamt. Bis vor einem Jahr war ich hauptberuflich Pfarrerin in Kreuzberg. Das war mein Kontext. Im beruflichen Kontext sind wir uns eigentlich nie begegnet. Wenn rundfunkratsspezifische oder RBB-Spezifische Fragen aufgekommen sind, haben wir zusammengearbeitet. Und ansonsten hatte jeder von uns ein sehr unterschiedliches Leben. Das ist ja auch der Charme des Rundfunkrates: Alle 28 Menschen, die derzeit entsandt sind, kommen aus unterschiedlichen Kontexten. Deswegen glaube ich, dass so ein Gremium nicht nur für den RBB bereichernd ist. Wir sind nicht der coole Aufsichtsrat, der materiell von seinem Amt profitiert: Wir sind im Ehrenamt unterwegs, ich und alle anderen auch.

Wie bereiten Sie sich denn auf so eine Rundfunkratssitzung vor? Treffen Sie sich da vorher mit der Intendantin oder anderen Leuten aus dem Sender?
Die Arbeit der Rundfunkräte aller Landesrundfunkanstalten wird von der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD ( GVK) koordiniert. Wir versuchen dort unsere Verfahren zu vereinheitlichen.  Die GVK hat aber keinen offiziellen Rechtsstatus. Am Ende muss jeder Rundfunkrat selbst entschieden. Aber unsere Aufgaben werden immer komplexer. Wir versuchen uns deswegen ARD-weit abzustimmen. Jetzt gibt es jetzt bundesweit einen neuen Medienstaatsvertrag, der unseren ehrenamtlich besetzten Gremien noch mehr Aufgaben zuweist:  zum Beispiel Richtlinien festlegen, einen Qualitätsdiskurs führen.

„Wir brauchen als ehrenamtlich arbeitende Gremien mehr Unterstützung“

Deswegen brauchen wir als ehrenamtlich arbeitende Gremien mehr Unterstützung. Im Moment gibt es beim RBB ein Büro mit 1,5 Stellen, die – um nur einen Aspekt des Arbeitsumfanges zu nennen - die Sitzungen aller Gremien, also Rundfunkrat, Verwaltungsrat und sämtlicher Ausschüsse vor- und nachbereiten und den Vorsitzenden und allen, also insgesamt 36 Gremienmitgliedern, die nötige Unterstützung zukommen lassen. Aber inzwischen sind die Fragen so differenziert geworden, dass es darüber hinaus weiterer personeller Unterstützung bedarf. Wenn Sie den aktuellen Fall nehmen: Wir sind im Rundfunkrat alle Vertreter gesellschaftlicher Organisationen. Wir sind aber keine juristischen Expertinnen.

Das heißt, Sie fordern mehr Fachlichkeit und Professionalität für den Rundfunkrat?

Ganz eindeutig: Ja. Es wäre das Gute im Schlechten, wenn durch so eine Krise nun deutlich wird, dass ein Gremium, wie wir es sind, künftig anders ausgestattet sein muss. Wir brauchen mehr Support. Und ich hoffe, dass die Parlamente das auch verstehen, und das ihre dafür zu tun, dass wir künftig besser ausgestattet sind.

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Zur Fachlichkeit gehört aber auch die Kommunikation nach Außen. Warum waren Sie denn als Rundfunkratsvorsitzende nicht in der Sitzung des Hauptausschusses des Brandenburger Landtags?

Die Fragen, die der Hauptausschuss hatte, richteten sich an die Intendantin. Als Vorsitzende des Rundfunkrates habe ich dasselbe Aufklärungsbedürfnis wie der Hauptausschuss. Wenn ich alleine da aufgetreten wäre, hätte ich nur Unzufriedenheit produziert, weil ich über das laufende Verfahren nichts hätte sagen können. Mir ist auch hier wichtig zu betonen, dass wir Rundfunkräte als Vertreter der Gesellschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind. Die Landesrundfunkanstalt wird durch die Intendantin vertreten.

Und wie soll der RBB künftig wieder aus den Negativschlagzeilen herauskommen?

Wenn das von der Anwaltskanzlei im Auftrag der Compliance-Beauftragten durchgeführte Prüfverfahren keine Ergebnisse bringt, und damit auch dem entsprochen wird, was Patricia Schlesinger und Wolf-Dieter Wolf versichern, nämlich, dass sie nichts Unrechtes getan haben, dann haben wir als Rundfunkrat auch keinen Handlungsbedarf. Im Moment sind aus meiner Sicht viele Vorverurteilungen im Spiel, an denen ich mich nicht beteiligen will. Ich hoffe auf ein klares Ergebnis des Prüfverfahrens - und dann sehen wir weiter. 

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