Bundesverfassungsgericht befasst sich mit dem Rundfunkbeitrag

Ist die Erhebung des Rundfunkbeitrags verfassungswidrig und durften die Länder entsprechende Gesetze auf den Weg bringen? Am Mittwoch beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit der Zukunft des Rundfunkbeitrags.

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Bundesverfassungsgericht entscheidet über den Rundfunkbeitrag

(Bild: Pixabay / CC0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sönke Möhl
  • Anika von Greve-Dierfeld
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Nach jahrelanger Kritik und zahlreichen Prozessen steht der Streit über den Rundfunkbeitrag vor der Entscheidung. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich ab Mittwoch zwei Tage lang mit Verfassungsbeschwerden von drei Privatleuten und einem Unternehmen unter den Aktenzeichen 1BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 981/17 und 1 BvR 836/17. Das Bundesverfassungsgericht hatte dazu einen umfangreichen Fragenkatalog an den Bundestag, Bundesrat, die Landtage und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verschickt, um das Thema neu zu beleuchten. Es geht um die Frage, ob die Länder die Berechtigung hatten, entsprechende Gesetze zu beschließen. Die Beschwerdeführer sehen außerdem den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verletzt und halten die Erhebung des Beitrags unabhängig von Empfangsgeräten für verfassungswidrig. Es geht um fast 8 Milliarden Euro im Jahr. Bis zu einem Urteil dauert es nach einer mündlichen Verhandlung in der Regel mehrere Monate.

Gegner des seit 2013 gültigen Rundfunkbeitrags, der pro Wohnung fällig wird und aktuell 17,50 Euro im Monat beträgt, hatten eine regelrechte Prozessflut vor den Verwaltungsgerichten losgetreten. Auch die Landesverfassungsgerichte in Bayern und Rheinland-Pfalz haben geurteilt. In keiner Entscheidung bisher konnten sich die Kritiker durchsetzen.

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu teuer, recht tendenziell, nicht kritisch genug", sagt einer der drei privaten Kläger, Robert Splett. "Wir brauchen keine 100 öffentlich-rechtlichen Programme", kritisiert er. Der 52-jährige Informatiker zieht seit 2011 gegen den Beitrag zu Felde und zahlt seither auch nicht.

Außerdem halten es die Beschwerdeführer für verfassungswidrig, dass der Beitrag auch dann bezahlt werden muss, wenn in einem Haushalt weder Fernseher noch Radio vorhanden sind. Weitere Kritikpunkte: Mehrere Menschen in einem Haushalt können sich den Beitrag teilen, Alleinlebende müssen ihn alleine tragen. Besitzer von Zweitwohnungen seien benachteiligt, weil sie für beide Wohnungen zahlen müssen, aber nur in einer Wohnung zu einer Zeit Rundfunk empfangen können.

Der Autovermieter Sixt, der als Gewerbetreibender für seine Fahrzeugflotte Beiträge zahlen muss, streitet als vierter Beschwerdeführer am Mittwoch ebenfalls vor dem Verfassungsgericht. Die Richter des ersten Senats müssen klären, ob es zulässig ist, für Betriebe je nach Zahl der Mitarbeiter gestaffelt Rundfunkbeiträge zu erheben.

Der Leiter der Sixt-Rechtsabteilung, Andrew Mountstephens, hält den Rundfunkbeitrag für gewerblich genutzte Autos auch deswegen für verfassungswidrig, weil er nur unter Mitwirkung der Zahlungspflichtigen eingetrieben werden könne. Das sei in den bisherigen Gerichtsverfahren von Sixt zwar ausführlich vorgetragen, von den Gerichten jedoch in ihren Urteilsgründen vollkommen ignoriert worden, kritisiert er. "Der Unehrliche kann kaum erwischt werden, der Ehrliche ist der Dumme." Allein bei Sixt seien fast 50.000 Fahrzeuge mit einem monatlichen Beitrag von 5,83 Euro betroffen, sagt Mountstephens.

"Mir geht es nicht um die 17 Euro 50", sagt der langjährige Beitragsverweigerer und Initiator des Forums "GEZ-Boykott", René Ketterer, aus Trossingen. "Mir geht es ums Prinzip." Er wehrt sich gegen die, wie er es sieht, Zwangsabgabe und empfindet die hohen Gehälter etwa von Moderatoren als unsozial. "Ich werde die Verhandlung am Mittwoch genau verfolgen", sagt er.

Rechtsanwalt Sascha Giller aus Jena, der Beitragsverweigerer vertritt, spricht den Öffentlich-Rechtlichen die Neutralität ab. "Die geben gerne vor, dass sie staatsfern sind und eine neutrale Berichterstattung sicherstellen könnten. Aber das stimmt nicht. Denn die Zwangsfinanzierung ist ja durch den Staat sichergestellt – und der Einfluss der Politik auf die Intendanten immer gegeben."

Nach Überzeugung von ZDF-Justiziar Peter Weber haben die Länder mit dem Rundfunkbeitrag ein gut funktionierendes Modell zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung geschaffen. "Diese Art der Finanzierung ermöglicht es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, seinen Funktionsauftrag zu erfüllen. Der Rundfunkbeitrag stellt eine notwendige Weiterentwicklung der Rundfunkgebühr dar, insbesondere auch im Hinblick auf die Vielzahl neuartiger Empfangsgeräte."

SWR-Justiziar Hermann Eicher ergänzt: Aus verlässlichen statistischen Angaben (Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA, 2005 bis 2017) sei klar, dass mehr als 99 Prozent der Personen über 14 Jahren in Haushalten mit mindestens einem Fernsehgerät leben. "Vor diesem Hintergrund ist aus unserer Sicht der Gleichheitsgrundsatz nicht tangiert, wenn der Gesetzgeber anknüpfend an dieser hohen Prozentzahl typisiert." Anders ließe sich auch der Einzug des Rundfunkbeitrags mit vertretbarem Aufwand nicht leisten, sagt Eicher.

Über die Höhe des Beitrags entscheiden die Ministerpräsidenten und die Landtage. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermittelt dafür einen Vorschlag. (olb)