Mit Open-Source-Rakete ins All

Mit einer selbstgebauten Rakete will eine Studentengruppe aus Oregon ins All vordringen. Alles soll Open Source sein. Dafür wird Technik entwickelt, die für andere nützlich ist, darunter besonders leistungsfähige GPS-Empfänger und Langstrecken-WLAN.

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Rakete startet

(Bild: PSAS)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Raketenstart der PSAS

(Bild: PSAS)

Mit Open Source ins All. Dieses Ziel haben sich Studenten der US-Universität Portland State in Oregon 1998 gesetzt. Seither arbeitet die Portland State Aerospace Society (PSAS) darauf hin. Fernziel ist, eine Umlaufbahn zu erreichen, um einen selbstgebauten Satelliten aussetzen zu können. Auf dem langen Weg dorthin fallen Entwicklungen an, die für Dritte wertvoll sein könnten. Der nächste Raketenstart ist für den Spätsommer geplant. Das hat PSAS-Mitglied Erin Schmidt am Wochenende auf der Konferenz Space Access 2016 in Phoenix angekündigt.

Es wäre der 13. Start einer [Update]Feststoff-Rakete[/Update] der Gruppe. Die Karmán-Linie in Hundert Kilometern Höhe, die als Grenze zum All gilt, werden die PSAS-Raketen auf absehbare Zeit nicht erreichen. Vergangenen Juli, beim zwölften Start, kam Modell LV2.2 zu seinem siebten Einsatz. Die gut dreieinhalb Meter hohe Rakete erreichte fünf Kilometer Höhe und flog etwas schneller als Schall. "Uns geht es jetzt nicht um die Höhe", sagte Schmidt zu heise online, "wir wollen Konzepte testen."

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Doch ihren OreSat genannten Nanosatelliten will die Gruppe trotzdem ins All bringen: Er wird vielleicht schon nächstes Jahr von der internationalen Raumstation (ISS) aus starten. Deren Umlaufbahn liegt in etwa 400 Kilometern Höhe. Es ist der erste Satellit aus Oregon überhaupt.

Die PSAS ist nicht die einzige Studentengruppe in den USA, die eigene Raketen entwickelt. Aber die Gruppe aus Oregon hebt sich in zweierlei Hinsicht ab: Erstens bietet keine Universität in dem US-Staat Ausbildung in Luft- oder Raumfahrtdisziplinen. Es gibt also keine Professoren, die helfen könnten.

Und zweitens setzt die PSAS voll auf Open Source. Dabei konzentrieren sich die freiwilligen Mitglieder nicht unbedingt auf ihr konkretes Problem, sondern entwickeln Module in Soft- oder Hardware, die hoffentlich auch für Dritte nützlich sind. Das dauert wesentlich länger, könnte aber mehr Nutzen stiften. Dafür werden Code, Baupläne und Messdaten laufend unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht.

Ein PSAS-Projekt ist die Entwicklung eines GPS-Empfängers auf Basis eines Software Defined Radio (SDR), der auch bei Überschallgeschwindigkeit und in großer Höhe seine Position bestimmen kann. Kommerziell verfügbare Geräte funktionieren unter solchen Bedingungen nicht. Im militärischen Bereich gibt es zwar passende Produkte, doch unterliegen sie strengen Verkaufsverboten (ITAR).

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Die PSAS bekommt so eine Genehmigung natürlich nicht. "Aber selbst so etwas zu entwickeln, ist legal", berichtete Schmidt, "Wir haben eine Platine, die beim Testflug schon mehrere Satelliten gefunden hat." Bis der Hochleistungs-GPS-Empfänger Marke Eigenbau fertig ist, muss die PSAS rein auf inertiale Messeinheiten (IMU) setzen.

"Leider haben die bei jeder Messung zufällige Abweichungen. Bei den unzähligen Messungen, die wir bei einem Raketenflug machen müssen, addiert sich das zu enormen Abweichungen", beschrieb Schmidt das Problem. Mit GPS-Fixes ließen sich die Abweichungen der IMU aber korrigieren, was eine wesentlich bessere Steuerung der Rakete ermöglichen würde. Gesteuert wird über Ethernet, von einem unter Linux laufenden X86-Computer mit Atom-CPU.

Eines der Vorhaben für den OreSat ist ein 360-Grad-HD-Videostream. Jedermann soll dann in der Lage sein, das Livebild der Satellitenkamera zu empfangen und, vorzugsweise über eine VR-Brille, zu genießen. Ganz ohne Eingriff einer Regierung oder eines Konzerns. Damit das etwas wird, arbeitet die PSAS an einem Verfahren für WLAN-Übertragungen auf Basis von IEEE 802.11b über eine Distanz von 1000 Kilometern.

Die ISS-Umlaufbahn liegt zwar nur in etwa 400 Kilometern Höhe, was auch ungefähr die Umlaufbahn des OreSat werden soll. Doch wenn der Satellit am Horizont auftaucht, ist die Entfernung natürlich viel größer und kann auch 2000 Kilometer überschreiten. Auf der Erde hat die PSAS mit ihrem Übertragungsverfahren DxWiFi schon 125 km erfolgreich überbrückt, dieses Jahr soll eine Demonstration über 200 Kilometer folgen.

Dabei ist die Distanz gar nicht so das Problem. Gesendet werden soll mit 1,5 Watt, was im All legal ist. Die Herausforderung ist, die dabei anfallende Wärme abzuführen. Denn sie soll andere Teile des Nanosatelliten nicht beeinflussen.

PSAS-Mitglieder mit einer ihrer Raketen

(Bild: PSAS)

Außerdem muss die Antenne laufend zur Erde ausgerichtet werden. Um das zu bewerkstelligen, hat die PSAS ein Stabilisierungssystem mit vier Schwungmotoren gebaut. Reichen würden auch drei oder im Extremfall sogar zwei Motoren, aber Redundanz muss sein. Das Projekt soll schließlich nicht an einem kleinen Elektromotor scheitern.

Für den Empfang auf der Erde reichte den Plänen zufolge eine Antenne mit billigem Low Noise Amplifier (LNA). Zwar muss die Antenne der Laufbahn des Satelliten nachgeführt werden, doch lässt sich das auch manuell bewerkstelligen. Schmidt hofft, eines Tages Schüler dafür begeistern zu können: "Sie könnten dann im Rahmen eines Schulprojekts die Liveübertragung aus dem All empfangen."

Möglich wäre sogar eine edlere Lösung: Sollte das SatNOGS-Projekt mehr freiwillige Unterstützer gewinnen und zahlreiche Bodenstationen mit WLAN-Empfang einrichten, könnte auf diese Weise ein dezentrales Downlink-System entstehen. Doch leider hat SatNOGS zur Zeit erst sechs Bodenstationen. Sie stehen in Griechenland, den USA und Österreich. Mangels Anwendung empfangen sie auch noch kein WLAN-Signal aus dem All.

Update: Angaben zur Treibstoffart korrigiert. Die PSAS entwickelt ein Flüssigtreibstoff-Triebwerk, plant dessen Einsatz für einen Raketenflug aber erst 2019. (ds)