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Abgasexperte Peter Mock Der Mann, der aus Versehen VW ins Wanken brachte

Sein Institut gab den entscheidenden Tipp an die US-Behörden und brachte damit die VW-Affäre ins Rollen. Hier spricht Peter Mock vom ICCT über die Abgas-Tests - und erklärt, welche Folgen der Skandal in Deutschland haben könnte.
Jettas für den nordamerikanischen Markt: Volkswagen erlebt ein Waterloo - eine kleine Non-Profit-Organisation deckte den Abgas-Skandal auf

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Foto: Felix Marquez/ AP/dpa
Zur Person
Foto: ICCT

Peter Mock ist Managing Director der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) in Deutschland. "Ziel war es zu zeigen, dass die deutschen Autos in den USA sauberer sind als in Europa, weil die Normen in den Vereinigten Staaten strenger sind"

Frage: Herr Mock, die Untersuchungen Ihres Instituts haben gerade zur Folge, dass der Volkswagen-Konzern in eine echte Existenzkrise gerät. Verwundert Sie die Dimension des Falls?

Mock: Ich bin nicht wirklich überrascht. Wir haben unsere Studie vor gut einem Jahr vorgelegt  und die Auffälligkeiten bei den Fahrzeugen klar benannt.

Frage: Warum platzt die Bombe erst jetzt?

Mock: In der Studie sind die Fahrzeugmodelle nicht genannt. Dann hat die US-Umweltbehörde den Faden aufgenommen, und die Sache nahm ihren Lauf. Erst am Freitag war für die Öffentlichkeit klar, um welche Fahrzeuge es geht.

Frage: Sie und Ihre Kollegen haben angeregt, deutsche Dieselfahrzeuge genauer zu untersuchen. War Ihnen am Anfang der Tests klar, dass Sie damit einen Weltkonzern ins Wanken bringen?

Mock: Nein. Ursprünglich wollten wir Fahrzeuge von drei deutschen Herstellern prüfen. Ziel war es zu zeigen, dass die deutschen Autos in den USA sauberer sind als in Europa, weil die Normen in den Vereinigten Staaten strenger sind.

Frage: Welche Wagen haben Sie getestet?

Mock: Einen VW Jetta, einen VW Passat und einen BMW X5. Wir wollten auch einen Mercedes untersuchen, doch wir haben keinen bekommen.

Frage: Der Jetta und der Passat haben bei den Tests offensichtlich versagt. Was war mit dem BMW?

Mock: Der Wagen hat gute Ergebnisse erzielt. Es hat sich offenbar ausgezahlt, dass BMW zwei verschiedene Abgasfiltersysteme kombiniert.

Frage: Und Volkswagen?

Mock: In den VW-Modellen hat der Hersteller jeweils nur ein Reinigungssystem eingebaut. Beim Passat handelt es sich um ein SCR-System, bei dem Harnstoff - auch "Ad Blue" genannt - zugefügt wird. Beim Jetta ist es ein LNT-System, bei dem der Filter regelmäßig gereinigt werden muss.

Frage: Und beides hat nur auf dem Prüfstand richtig funktioniert...

Mock: Richtig. Auf der Straße hat die Passat-Abgasreinigung offenbar zu wenig Harnstoff bekommen und das System des Jetta wurde zu selten gereinigt.

Frage: Beim Passat wollte Volkswagen den Kunden offenbar nicht zumuten, häufig Harnstoff nachzufüllen. Und was war beim Jetta los?

Mock: Je häufiger der Abgasfilter gereinigt wird, desto mehr Sprit verbraucht der Wagen. Hersteller können in solchen Fällen aber auch einen größeren Filter einbauen. Der kostet nur 100 bis 200 Euro mehr.

Frage: Welche Folgen wird der Skandal für Deutschland und Europa haben?

Mock: Grenzwertüberschreitungen auf der Straße sind hier gang und gäbe. Gerade haben wir mit dem ADAC den Stickoxid-Ausstoß einzelner Modelle in Europa untersucht. Da gibt es einige Hersteller, die deutlich schlechter abschneiden als Volkswagen. Im derzeitigen Testzyklus NEFZ halten sie ohne Probleme den Grenzwert ein, aber im künftigen Testzyklus WLTC (der realen Fahrbedingungen näherkommen soll - d. Red.) stehen sie um ein Vielfaches schlechter da.

Frage: In Deutschland fahren also neue Autos, die die Schadstoff-Grenzwerte auf den Straßen faktisch nicht einhalten? Drohen jetzt auch hierzulande den Herstellern hohe Strafen?

Mock: Bisher gab es keine offiziellen Nachtests. Diese sollte das Kraftfahrt-Bundesamt aber dringend machen.

Frage: Welche Strafen drohen Herstellern hierzulande, deren Autos zu viel Schadstoffe ausstoßen?

Mock: Strafen sind hierzulande nicht vorgesehen. Es ist allerdings verboten, eine Software einzubauen, die die Fahrleistung auf dem Prüfstand manipuliert. Sollte eine solche Software nachgewiesen werden, müsste dem betroffenen Auto nach meinem Verständnis die Typgenehmigung entzogen werden.

Frage: Wie viele Autos könnten in Deutschland betroffen sein?

Mock: Für eine Abschätzung ist es zu früh. Es sind weitere Beweismessungen nötig. Spätestens Anfang 2016 wissen wir mehr.

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Foto: imago/Sven Simon