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EU-Verdacht auf Missbrauch von Marktmacht Razzia bei der Telekom

Die EU-Kommission hat Durchsuchungen bei mehreren europäischen Telekom-Firmen veranlasst - darunter auch die Deutsche Telekom. Die Unternehmen werden verdächtigt, ihre Marktmacht im Internetgeschäft missbraucht zu haben.
Telekom-Logo: Verdacht auf Missbrauch der Marktmacht

Telekom-Logo: Verdacht auf Missbrauch der Marktmacht

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PATRIK STOLLARZ/ AFP

Brüssel/Bonn - Die Deutsche Telekom hat bestätigt, dass sie zu mehreren Unternehmen gehört, bei denen die EU-Kommission Razzien wegen des Verdachts auf Missbrauch der Marktmacht durchgeführt hat. Die Wettbewerbshüter der EU durchsuchten bereits am Dienstag in mehreren Ländern die Büros von Telekom-Firmen, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte. Ihnen drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. Die Telekom erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 58,17 Milliarden Euro.

Außer der Telekom hat die spanische O2-Mutter Telefónica und das französische Unternehmen Orange, eine Tochter der France Télécom, den Besuch der Ermittler bestätigt. Detailliertere Informationen zu den Vorwürfen machte die EU-Kommission nicht.

Laut informierten Personen aus der Branche geht es um mögliches Fehlverhalten beim Zusammenschalten der sogenannten Backbone-Netze, über die der Internetverkehr fließt. Angestoßen habe den Fall die Beschwerde eines US-Wettbewerbers, sagten andere Insider. Dahinter steht ein seit Jahren schwellender Konflikt zwischen den Telefonunternehmen und großen Inhalteanbietern wie etwa der Google -Tochter Youtube oder Facebook.

Telekom verspricht Zusammenarbeit mit Behörden

Diese Anbieter speisen im großen Stil Daten ins Internet ein, die von den Telekom-Firmen dann bis an die Endkunden übermittelt werden. Die Durchleitung geschah bislang kostenfrei, doch seitdem die Datenmengen explodieren, wollen auch die Telekom-Konzerne ein Stück vom Kuchen abhaben. US-Firmen wie Level 3 oder Cogent haben daraus ein Geschäft gemacht und übernehmen für Internetkonzerne die weltweite Verteilung der Daten.

Die EU-Kommission selbst nannte auch keine Namen der betroffenen Firmen. Ein Sprecher der Telekom   bestätigte aber, es habe eine Nachprüfung durch die EU-Kommission gegeben. "Die Deutsche Telekom ist über die erneuten Untersuchungen im Bereich von Internetverkehr sehr verwundert", sagte der Sprecher weiter. Frühere Anschuldigungen hätten sich als haltlos erwiesen.

"Deshalb wurden entsprechende Verfahren vor nationalen Regulierungsbehörden, die sich intensiv mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt haben, eingestellt", sagte der Sprecher. Die Telekom sei im weltweiten Markt für Internetverkehr intensivem Wettbewerb ausgesetzt. "Dieser Markt wird von US-Großanbietern dominiert, insofern sind wir hier der falsche Adressat." Die Telekom arbeite eng mit den Behörden zusammen, um den Sachverhalt aufzuklären.

Auch Orange zeigte sich zuversichtlich über den Ausgang der Untersuchungen, unter anderem weil die französische Wettbewerbsbehörde bei einer früheren Untersuchung in Bezug auf den Netzbetreiber Cogent keine Vergehen festgestellt habe. Cogent hatte den Franzosen eine Drosselung von Daten aus seinem Netz vorgeworfen.

Der Kommission zufolge fand die Razzia am Dienstag statt, laut Orange dauert die Inspektion noch an und könnte sich über mehrere Tage hinziehen. Der niederländische Konzern KPN und das britische Schwergewicht British Telecommunications (BT) teilten mit, sie seien nicht betroffen gewesen.

Tauziehen um Gestaltung des europäischen Telekom-Markts

In ihrer Mitteilung betonte die EU-Kommission die Bedeutung des Marktes von Internetanbietern. Ihr Service sei äußerst wichtig, damit Verbraucher schnell und günstig im Internet surfen könnten - unabhängig vom Standort des Providers.

Laut EU-Kommission sind die Durchsuchungen ein erster Schritt und sagen noch nichts über die tatsächliche Schuld der Unternehmen aus. Eine Frist für den Abschluss der Untersuchung gebe es nicht.

Die Durchsuchungen sind eine überraschende Wendung im Tauziehen zwischen der Kommission und der Branche um die künftige Gestaltung des europäischen Telekom-Marktes. Die Unternehmen fordern schon länger eine großzügigere Regulierung mit mehr Freiheiten für Fusionen in einzelnen Ländern. Sie verweisen dabei auf stete Umsatzrückgänge, hohe Investitionen in die Infrastruktur und die Auslastung der Netze durch Internetdienste. Die Kommission zeigte sich bisher eher bereit, ein Zusammenrücken auf europäischer Ebene zu unterstützen und treibt zugleich den Kampf gegen die Roaming-Gebühren bei Telefonaten im europäischen Ausland voran.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es unter Berufung auf Berichte von Nachrichtenagenturen, die EU-Kommission gehe dem Verdacht einer Kartellbildung nach - etwa der Absprache von Preisen oder dem Aufteilen von Märkten. Tatsächlich war der Verdacht des Missbrauchs einer beherrschenden Marktposition Grund für die Durchsuchungen. Wir haben den Artikel entsprechend korrigiert.

fdi/Reuters/dpa-AFX/AFP