Porsche 996:Der letzte Elfer zum Passat-Preis

Gelbes Porsche 911 Cabrio, Baureihe 996, in der Frontansicht

Porsche 911 Cabrio, Baureihe 996, mit den unter Traditionalisten verhassten "Spiegelei"-Scheinwerfern.

(Foto: Porsche)

In den Neunzigern veränderte Porsche den 911 radikal - und verärgerte viele Fans. Nun steigen die Preise für gebrauchte Exemplare. Denn der "Spiegelei-Porsche" ist besser als sein Ruf.

Von Jan Schmidbauer

Bevor die bösen Erinnerungen wiederkehren, all die Schmähungen und Vorurteile, die diesem Auto einst entgegenschlugen, sei zunächst mal klargestellt: Ja, auch der derzeit günstigste 911er auf dem Gebrauchtwagenmarkt ist ein zeitlos schöner Sportwagen. Ein Auto, das selbst Benzinverdrossene sofort als "echten Neunelfer" identifizieren werden. Das Heck ist rund und ausladend. Das Zündschloss sitzt porschetypisch links, der Motor hinten - alles also am angestammten Platz. Und doch war vieles anders an diesem vierten Urahnen der Sportwagenikone, den die Stuttgarter auf der IAA 1997 präsentierten. So anders, dass der "996" unter Porsche-Fans bis heute, sagen wir, umstritten ist.

"Evolution 911" lautete die Werbebotschaft, mit der Porsche die Kunden damals auf die Neuerungen hinwies - eine ziemliche Untertreibung. Schon die einleitenden Worte im Verkaufsprospekt klangen eher nach Revolution: "Wir wissen, dass wir unseren Freunden so viel an Veränderungsgeschwindigkeit zumuten wie nie zuvor", hieß es da. Ein Satz, den man als Entschuldigung verstehen konnte. Oder als Warnung an eine Kundschaft, der Tradition so heilig ist wie schnelles Vorankommen.

Der 996 war für Porsche eine Zeitenwende. So gut wie jedes Bauteil hatte der Hersteller für das neue Auto ausgetauscht. Im Vergleich zum Vorgänger 993 fiel der Elfer der späten Neunzigerjahre größer aus, komfortabler, manche sagen: weichgespült. Und diese Wandlung geschah nicht nur aus freiwilligen Motiven. "Insgesamt sind unsere Elfer-Kunden - wie auch die Gesellschaft insgesamt - älter geworden", schrieb der damalige Marketingchef Gerd Mäuser in der Porsche-Kundenzeitschrift Christophorus.

Erklärungsversuche, die nicht verhinderten, dass das Auto polarisierte. Das galt auch für das Design, das vom Niederländer Harm Lagaay stammte und nicht zufällig dem des "Boxster" ähnelte: Porsche ging es Mitte der Neunzigerjahre nicht besonders gut. Um Kosten zu senken, entwickelte man den 996 gemeinsam mit dem günstigeren Roadster, der seinen Marktstart ein Jahr zuvor hatte. 40 Prozent der Teile musste sich der Elfer mit dem als "Frauenporsche" verschrienen Auto teilen, anfangs auch die Scheinwerfer. "Spiegeleier" sagten Spötter zu den Leuchten mit dem integrierten Blinker in Eidotter-Orange.

Der neue Motor war ein Verrat an der Geschichte

Der Grund für die erbittertsten Diskussionen schlummerte aber am anderen Ende des Fahrzeugs. Erstmals in der Geschichte des 911 setzte Porsche auf einen wassergekühlten Motor. Eigentlich ein logischer Schritt: Die luftgekühlten Aggregate hatten ihr Potenzial ausgeschöpft. Es war für die Ingenieure kaum noch möglich, die Abgasnormen einzuhalten und gleichzeitig die Leistung zu steigern. Doch für viele Fans der Marke war der neue Motor keine Innovation, sondern ein Verrat an der Geschichte. Porsche-Enthusiasten und Autojournalisten gleichermaßen schossen sich auf das neue Auto ein - und verpassten ihm seine berüchtigten Spitznamen: "Lavamat" lautete einer, "Lenor-Porsche" ein anderer Schmähbegriff.

Wer heute mit einem 996 unterwegs ist, stellt fest: Im Vergleich zu den Vorgängern kommt dieses Auto tatsächlich etwas nüchtern daher. Das gilt vor allem für den Innenraum. Während es in den luftgekühlten Elfern noch nach Öl, Benzin und Leder duften durfte, wirkt hier alles ein bisschen steril. Die Plastikschalter im Cockpit bezeugen den Sparwillen, den sie bei Porsche damals hatten. Und statt auf Kotflügel im Kanonenrohrformat blickt der Fahrer nur auf sehr viel Fronthaube. Man vertritt keine Minderheitenmeinung, wenn man festhält, dass die günstigere Produktion und das Schielen auf neue Kundengruppen dem Elfer etwas das Emotionale raubten.

Der vielseitigere Elfer - und der schnellere

Bei der Testfahrt rund um Stuttgart zeigt sich aber rasch, in welcher Disziplin dieses Auto besser ist als seine Vorgänger: Der 996 ist der vielseitigere Elfer - und dabei auch noch schneller. Zügig gefahrene Kurven meistert er gut, durch die komfortablere Abstimmung eignet sich der 996 aber auch für längere Autobahnetappen. Und bei hohem Tempo ist er einfacher zu bewegen als die Heckschleudern aus früheren Porsche-Tagen. Dank der längeren Spur liegt der 996 stabiler, neigt in schnell gefahrenen Kurven sogar zum Untersteuern. Es braucht schon einen schweren Gasfuß oder abrupte Lastwechsel, um Unruhe ins Heck zu bringen. Wobei ihm die Traditionalisten genau dies wieder übel nahmen: Während die alten Elfer, wie Rallye-Legende Walter Röhrl es gerne formuliert, "keine Autos für Bübchen" waren, kann der 996 auch von Anfängern schnell bewegt werden. Man kann das natürlich langweilig finden, aber auch beruhigend.

Besser als sein Ruf ist der 996 allemal. Mittlerweile hat sich das auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt herumgesprochen. Langsam, aber kontinuierlich steigen die Preise für gut erhaltene Modelle. Die Zeiten, in denen es reihenweise Autos für weniger als 20 000 Euro gab, sind vorbei. Für gute Basis-Coupés und Cabrios muss man laut der Gutachter-Firma Classic-Analytics zwischen 25 000 und 30 000 Euro einplanen. Nicht gerade wenig für einen Gebrauchtwagen. Doch im Vergleich zu den luftgekühlten Elfern, die ihren Wert zuletzt verdoppelt und verdreifacht haben und erst bei Preisen von rund 45 000 Euro starten, ist der 996 (noch) erschwinglich. Wer über die vielen Vorurteile erhaben ist, bekommt für vergleichsweise wenig Geld einen hochwertigen Sportwagen, der in rund fünf Sekunden auf Tempo hundert beschleunigt. Und den vielleicht letzten Elfer zum Passat-Preis. Billiger wird's aller Voraussicht nach nicht mehr.

Bei der Wahl eines passenden Autos sollte man aber nicht vorschnell handeln. Die Vielfalt in der Modellpalette ist groß und die Fahrzeuge unterscheiden sich nicht nur charakterlich, sondern auch bei den Folgekosten. In der Anschaffung sind die frühen Modelle mit 3,4-Liter-Motor am Erschwinglichsten. Die bis Anfang 2001 gebauten Autos bieten mit 300 PS ausreichend Vortrieb. Allerdings trägt der neu entwickelte Motor noch einige Probleme mit sich rum. Gerade zu Anfang häuften sich Berichte über Motorschäden.

Im Sommer 2001 frischten die Stuttgarter den 996 daher nicht nur optisch auf und entfernten endgültig die Spiegeleieroptik der Scheinwerfer, auch der Motor wurde überarbeitet. Der Hubraum wuchs auf 3,6 Liter, die Leistung auf 320 PS. Das neue Aggregat gilt als das Zuverlässigere, weshalb sich der Mehrpreis für die facegelifteten Fahrzeuge lohnt. Probleme mit Undichtigkeiten gibt es aber auch hier, meist am Simmering des Kurbelwellengehäuses.

Der Lenor-Porsche wurde zum meistverkauften Elfer

Extrem zuverlässig sind die Motoren der Turbo- und GT-Modelle. Sie basieren noch auf dem sogenannten Mezger-Block, dem die Robustheit eines Panzerschranks nachgesagt wird. Die schnelleren 996er führen auch zu einem zuverlässigen Grinsen des Fahrers: Besonders der GT 3, der mit seinen 360 PS (später 381 PS) und der brachialen Abstimmung so viel Rennsportgefühl vermittelt, dass von einem "weichgespülten" 911er nicht mehr die Rede sein kann. Einziges Problem: Preislich liegen gute Exemplare schon bei etwa 80 000 Euro*. Wer es sich leisten kann, darf trotzdem zugreifen. Wegen der geringen Stückzahlen bieten die GT- wie auch die Turbo-Modelle mehr Wertsteigerungspotential. Durch die komplexere Technik können diese Autos allerdings auch der Werkstattrechnung einen Extraschub verleihen.

Auswahl gibt es für Elfer-Interessierte jedenfalls genug. Bis heute ist der 996 der meistverkaufte Elfer der Porsche-Geschichte. Mehr als 170 000 Exemplare wurden abgesetzt, bevor Ende 2004 der Nachfolger 997 kam. Zumindest in ökonomischer Hinsicht rächte sich der Lenor-Porsche also an den Kritikern. "Nach 320 000 Spiegeleiern", soll Designer Harm Lagaay später mal über die gemeinsamen Verkaufszahlen von 996 und Boxster gesagt haben, "kann die Kantine nicht so schlecht gewesen sein."

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, der Marktwert des 996 GT3 liege bei rund 8000 Euro. Natürlich sind es 80 000 Euro. Den Fehler haben wir korrigiert.

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