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Schufa-Plan Minister wollen Facebook-Schnüffelei stoppen

Darf die Schufa in sozialen Netzwerken Daten sammeln? Die Pläne der Auskunftsfirma alarmieren Politiker und Datenschützer. Noch handelt es sich nur um einen Test - doch die Justizministerin und die Verbraucherministerin fordern einen Stopp der Datenschnüffelei.
Schufa-Firmenschild: Umstrittenes Forschungsprojekt

Schufa-Firmenschild: Umstrittenes Forschungsprojekt

Foto: Jens Kalaene / dpa

Hamburg - Verfassungswidrig, unzulässig, umstritten: So lauten nur einige der Reaktionen auf die Pläne der Auskunftsfirma Schufa, soziale Netzwerke zur Datengewinnung zu nutzen. Noch sind das offenbar nur Ideen, die das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik der Universität Potsdam erforschen soll. Doch schon die Pläne, die NDR Info aufgedeckt hat, sorgen für massive Kritik. Die Idee dahinter: Die bei Facebook veröffentlichten Informationen über Präferenzen und Freundeskreis könnten nützlich für die Prognose der Zahlungsmoral sein.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnt das Unternehmen davor, Nutzer von Facebook und Twitter zu durchleuchten, um ihre Kreditwürdigkeit zu prüfen. "Es darf nicht sein, dass Facebook-Freunde und Vorlieben dazu führen, dass man zum Beispiel keinen Handy-Vertrag abschließen kann", sagte Leutheusser-Schnarrenberger SPIEGEL ONLINE.

Die Justizministerin verlangt von der Schufa detaillierte Auskünfte: "Die Schufa und andere Auskunfteien sollten umfassend ihre Vorhaben, die Facebook-Daten zur Bonitätsprüfung zu benutzen, offenlegen", so Leutheusser-Schnarrenberger. "Welche Daten dazu führen, ob jemand als zahlungsfähig eingestuft wird, ist jetzt schon umstritten. Die Einstufung der sogenannten Zahlungsfähigkeit muss endlich vollständig nachvollziehbar werden."

Noch deutlicher wird FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: "Die Pläne der Schufa gehen zu weit. Soziale Netzwerke gehören wie der Freundeskreis zur Privatsphäre und dürfen daher nicht von der Schufa angezapft werden", sagte er SPIEGEL ONLINE. Deswegen solle das Unternehmen von seinen Plänen Abstand nehmen. Für die Liberalen gelte der Satz: Meine Daten gehören mir. Der Schufa-Plan zeige, wie wichtig es sei, dass jeder Einzelne sorgfältig mit seinen Daten umgehe. "So kann Missbrauch am besten verhindert werden."

Auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat von der Schufa rasche Aufklärung über das umstrittene Projekt verlangt. "Die Schufa muss die Karten auf den Tisch legen. Ich erwarte vollständige Aufklärung über die Hintergründe und Ziele dieses Forschungsauftrags", sagte Aigner dem "Münchner Merkur". "Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden."

Schufa-Beirat fordert schnelle Aufklärung

Offenbar hat die Schufa ihren eigenen Verbraucherbeirat nicht in Internet-Pläne eingeweiht. "Wir sehen es mit Befremden, dass über Inhalt und Ziel dieses Projekts mit dem Beirat vorher nicht gesprochen worden ist", schrieben einige Mitglieder des Beirats am Donnerstag in einer E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden der Auskunftei, Michael Freytag.

In der E-Mail, die der Nachrichtenagentur dapd vorliegt, fordern die Beiräte den Schufa-Chef zudem "dringend" auf, "sehr schnell offen zu legen, was die Schufa plant". Im Verbraucherbeirat der Schufa sitzen unter anderem Verbraucherschützer, Wissenschaftler und Journalisten. Die E-Mail vom Donnerstag stammt von fünf der insgesamt 15 Beiräte.

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Anleitung: So machen Sie Facebook Schufa-sicher

Foto: SPIEGEL ONLINE

"Unternehmerische Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen"

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, mahnte die Einhaltung geltender Gesetze an. "Ich hoffe, dass die Schufa die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde in Hessen über dieses Projekt informiert hat", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Selbstverständlich sind bei diesem Forschungsvorhaben die datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten." Bei der zuständigen Aufsichtsbehörde in Hessen war aufgrund des Feiertags zunächst niemand erreichbar.

Schaar warnte die Nutzer von sozialen Netzwerken: "Im Übrigen verdeutlicht dieses Forschungsvorhaben einmal mehr, wie Nutzerdaten - etwa aus sozialen Netzwerken wie Facebook - ohne Wissen der Betroffenen ausgeforscht und zu Geld gemacht werden können. Die Nutzerinnen und Nutzer sollten vorsichtig mit ihren Daten im Netz umgehen."

Der Innenexperte der Grünen, Konstantin von Notz, hält das Schufa-Projekt sogar für verfassungswidrig: "Wir fordern sowohl die Schufa als auch das Plattner-Institut auf, das Projekt sofort einzustellen", sagte der Grünen-Abgeordnete. Er bezeichnete die Pläne als "unternehmerische Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen". Durch die Facebook-Kontrolle würde Stigmatisierung zum Alltag und das verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsrecht "zum Treppenwitz".

Niemand müsse hinnehmen, "dass seine Informationen systematisch und zu den unterschiedlichsten kommerziellen Zwecken nicht nur gesammelt und verglichen, sondern zudem nach intransparenten Algorithmen bewertet werden, um diese letztendlich in fragwürdige Verhaltensprognosen einfließen zu lassen", so Notz.

Er forderte den Gesetzgeber zum Einschreiten auf. "Hier wird eine Grenze überschritten." Es dürfe kein auf Algorithmen beruhendes "Kastensystem" geschaffen werden, das die Bürger bei der Kreditvergabe oder der Wahl des Arbeitsplatzes einschränke.

Mit Material von dapd