Die EU-Kommission hat gegen Amazon eine Steuernachzahlung in Höhe von rund 250 Millionen Euro zuzüglich Zinsen angeordnet, da Amazon in Luxemburg seit dem Jahr 2003 unzulässige Steuervergünstigungen genossen habe, die gegen die EU-Beihilfevorschriften („aid rules“) verstoßen würden.
Amazon habe durch die ungerechten Luxemburger Steuervorteile drei Viertel seiner Gewinne nicht versteuert. Gezielte Steuervorteile für ausgewählte einzelne Unternehmen sind laut Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager „ohne triftigen Grund“ verboten. Vestager hat deshalb das Fürstentum Luxemburg aufgefordert, die 250 Millionen Euro Steuerersparnis von Amazon zurückzufordern. Zuzüglich Zinsen.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Luxemburg hat Amazon unzulässige Steuervergünstigungen gewährt. Dadurch wurden fast drei Viertel der Gewinne von Amazon nicht besteuert. Mit anderen Worten zahlte Amazon nur ein Viertel der Steuern, die andere, lokale Unternehmen entrichten mussten, obwohl sie den gleichen nationalen Steuerregeln unterlagen. Eine solche Begünstigung ist nach den EU-Beihilfevorschriften verboten. Die Mitgliedsstaaten dürfen multinationalen Konzernen keine selektiven Steuervergünstigungen gewähren, die anderen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen.“
Der Steuervorbescheid ermöglichte es Amazon, den größten Teil seiner Gewinne von einem Unternehmen des Amazon-Konzerns, das der Luxemburger Steuer unterliegt (Amazon EU), auf ein Unternehmen zu verlagern, bei dem das nicht der Fall ist (Amazon Europe Holding Technologies). Der Steuervorbescheid sah insbesondere vor, dass Amazon EU eine Lizenzgebühr an Amazon Europe Holding Technologies zahlt, so dass sich der zu versteuernde Gewinn von Amazon EU wesentlich verringert.
Die EU-Kommission bezweifelt die Rechtmäßigkeit dieses Konstrukts: Die Lizenzgebühren, die durch den Steuervorbescheid genehmigt wurden, seien künstlich aufgebläht worden und stünden nicht mit der wirtschaftlichen Realität im Einklang. Daher kam die Kommission zu dem Schluss, dass Amazon durch den Steuervorbescheid ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil gewährt wurde, weil der Konzern dadurch weniger Steuern zahlen musste als andere Unternehmen, die denselben nationalen Steuervorschriften unterlagen. Unterm Strich führte der Steuerbescheid dazu, dass Amazon auf drei Viertel seiner aus dem EU-Umsatz erzielten Gewinne keine Steuern zahlen musste.
Pikant: Der jetzige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte seinerzeit als Premierminister von Luxemburg Amazon mit den Steuervorteilen angelockt.
So ist Amazon in Europa aufgestellt (laut EU-Kommission)
Amazon EU und Amazon Europe Holding Technologies vertreten amazon.com in der EU, beide Tochterunternehmen sind in Luxemburg angesiedelt. Amazon EU verfügt über 500 Mitarbeiter (Stand: 2014) und ist für das Einzelhandelsgeschäft von Amazon in ganz Europa zuständig. Die Hauptaufgabe von Amazon EU besteht darin, die über die Amazon-Websites in Europa zu verkaufenden Waren auszuwählen, diese bei den Herstellern einzukaufen sowie den Online-Verkauf und die Lieferung der Waren an die Kunden abzuwickeln. Amazon hat sein Verkaufsgeschäft in Europa so organisiert, dass sämtliche Kunden, die Waren über irgendeine Amazon-Website in Europa einkauften, diese vertraglich bei der Betriebsgesellschaft in Luxemburg kauften. So verbuchte Amazon sämtliche Verkäufe in Europa und die mit diesen Verkäufen erzielten Gewinne in Luxemburg.
©EU-Kommission
Amazon Europe Holding Technologies ist eine luxemburgische Kommanditgesellschaft, die weder Mitarbeiter noch Büroräume hat noch Geschäftstätigkeiten ausübt. Amazon Europe Holding Technologies fungiert als Mittler zwischen Amazon EU und Amazon in den USA. Sie verfügt aufgrund einer mit Amazon USA geschlossenen Kostenteilungsvereinbarung über bestimmte Rechte des geistigen Eigentums für Europa. Amazon Europe Holding Technologies selbst nutzt dieses geistige Eigentum jedoch nicht aktiv. Sie erteilt lediglich Amazon EU eine ausschließliche Lizenz zur Nutzung dieser Rechte des geistigen Eigentums, und Amazon EU wickelt unter Nutzung dieser Rechte das Einzelhandelsgeschäft von Amazon in Europa ab.
EU-Kommission verklagt Irland wegen Apple
Einige EU-Mitgliedsstaaten wie Luxemburg, die Niederlande oder Irland locken Konzerne mit besonderen Steuervorteilen. Die EU-Kommission hat deshalb in einem ähnlichen Fall Irland dazu aufgefordert, von Apple 13 Milliarden Euro gesparte Steuern zuzüglich Zinsen nachzufordern. Irland kam dieser Aufforderung aber bis jetzt nicht nach. Die EU-Kommission will deshalb Irland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.