Gesundheitsgefährdung und Ausbeutung in Handy-Fabriken

Erbärmliche Zustände in asiatischen Handy-Fabriken, die für die großen Handy-Marken wie Nokia, Motorola, Samsung oder Sony Ericsson produzieren, deckte die niederländische Organisation SOMO auf.

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Erbärmliche Zustände in asiatischen Handy-Fabriken deckt die niederländische Organisation SOMO (centre for research on multinational corporations) auf. Bei Inspektionen vor Ort haben die Experten der Nichtregierungsorganisation verschiedene Missstände festgestellt. In manchen Fertigungsstätten sind die Arbeiter ohne entsprechenden Schutz hochgiftigen Substanzen ausgesetzt; anderswo werden die Mitarbeiter weit unter dem Mindestlohn bezahlt oder zu rechtswidrig vielen Überstunden gezwungen. Die Unterdrückung von Gewerkschaften und herabwürdigende Behandlung vervollständigen das Bild. SOMO erstellt derzeit einen Bericht, der die offizielle Politik (CSR) der fünf größten Handyhersteller Nokia, Motorola, Samsung, Sony Ericsson und LG mit den tatsächlichen Arbeitsbedingungen in Fabriken in China, Indien, Thailand sowie auf den Philippinen vergleicht. Das Ergebnis fällt verheerend aus.

"Die Situation wird durch die immer komplexeren Lieferketten verkompliziert. Die ausgelagerte Produktion kleiner Handy-Teile kann sich in Lieferketten von fast einem Dutzend Firmen erstrecken", heißt es in einer Vorschau auf den Report (PDF-Dokument). "Die großen Markenfirmen haben wenig Übersicht über diesen Teil ihrer Lieferkette und versagen generell dabei, Verantwortung für die schlechten Bedingungen zu übernehmen."

Für Motorola-Handys werden in der chinesischen Fabrik "Hivac Startech Film Window" Linsen hergestellt. Die Arbeiter hätten ohne Schutzmasken mit n-Hexan Acryl-Schirme reinigen müssen. Vergiftungserscheinungen bei zahlreichen Mitarbeitern seine die Folge gewesen. Erst nach drei Monaten und Anzeigen bei Behörden seien die am schwersten Vergifteten ins Krankhaus gebracht worden. Eine Betroffene habe abtreiben müssen. Die Fabrikleitung habe das Hexan durch eine Benzol-haltige Substanz ersetzt – die mindestens ebenso giftig sei.

Bei Namiki Precision in Thailand werden Teile für Nokia-Handys produziert. Arbeiter, die löten und schweißen, müssten sich ihre Schutzausrüstung selbst besorgen und bezahlen, heißt es in dem Report. Die Geschäftsleitung gebe ihnen täglich eine Ration Milch, die den Körper reinigen solle. Den Mitarbeitern war eingeredet worden, dass die Lötmasse ungefährlich sei. Tatsächlich enthält sie 40 Prozent Blei, was 2005 zu mehreren Bleivergiftungen geführt habe.

Beim thailändischen Nokia-Lieferanten LTEC und beim chinesischen Motorola-Lieferanten Giant Wireless seien exzessive Arbeitszeitüberschreitungen die Regel. Das Personal werde zu Schichten von 12 bis 13 Stunden gezwungen, oft sieben Tage die Woche.

Aber nicht nur bei den Subunternehmern liegt so manches im Argen. In Indien gibt es in keiner Handyfabrik eine gewerkschaftliche Organisation. LG India gebe zu, Gewerkschaften abzulehnen und nicht mit ihnen zu verhandeln. Mitarbeiter von Samsung und Nokia in Indien hätten erklärt, dass man ihnen bei ihrer Einstellung den Beitritt zu einer Gewerkschaft sowie gewerkschaftliche Aktivitäten verboten habe.

In vielen Fällen, etwa bei Hivac oder Flextronics in China, bekommt das Personal keine schriftlichen Arbeitsverträge. Deutlich unter dem Mindestlohn von 3,46 US-Dollar pro Acht-Stunden-Tag wird die Belegschaft der chinesischen Kangyou Electronics "entlohnt". Auch Überstunden werden nur etwa zur Hälfte bezahlt. Kangyou fertigt Ladegeräte für Mobiltelefone der Marken Nokia, Motorola, Samsung, Sony Ericsson und LG.

Da Mobilfunk-Netzbetreiber die wichtigsten Kunden der Handyindustrie sind, vergleicht SOMO auch deren offizielle Richtlinien mit ihrem realen Einkaufsverhalten. Mit KPN, Vodafone und T-Mobile wurden die drei größten Mobilfunker der Niederlande unter die Lupe genommen. "Keiner der Netzbetreiber nimmt ausreichend seine soziale Verantwortung wahr, um die Bedingungen (...) zu verbessern. Sie betonen, dass ihre Verantwortung bei den direkten Lieferanten ende", berichtet SOMO. "Aber (die Netzbetreiber) müssen die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette übernehmen, deren Erzeugnisse sie kaufen und verkaufen." (Daniel AJ Sokolov) / (jk)