Dienstagvormittag erhalte ich eine Mail mit dem Betreff “Irre Website”. Neugierig schaue ich auf den Inhalt der Mail: Nur eine URL hat mir ein Leser geschickt. www.chatroulette.com . Eine kurze Netz-Recherche ergibt, dass es sich nicht um eine Website handelt, die Schädlinge verbreitet. Von einem neuen Internet-Hype ist die Rede.
Ein 17jähriger Teenager aus Moskau hat die Website online gestellt, die es erlaubt, dass sich zwei wildfremde Menschen live per Webcam treffen. Man kann nun miteinander plaudern oder einfach auf den “Next”-Button klicken, um die nächste Zufallsbekanntschaft zu machen.
Rund 16.000 User nutzen gerade den Dienst, als ich die Website gerade aufrufe. An meinem Arbeitsrechner ist keine Webcam – mal sehen wie die kommenden Zufalls-Gesprächspartner darauf reagieren werden. In den “Terms of Service” wird noch darauf hingewiesen, dass man mindestens 16 Jahre alt sein muss, um den Dienst nutzen zu dürfen. Und man solle nichts Obszönes verbreiten.
Das Experiment kann beginnen – ich klicke auf “Play”…
Ich sehe auf der Webcam eine junge Frau und im Hintergrund läuft der Fernseher. Sie stört es wohl, dass ich keine Webcam habe, denn sie stoppt die Verbindung. Also drücke auch ich nun auch “F9” für “Next” und lasse mich mit dem nächsten Chatroulette-Nutzer verbinden.
Wie langweilig – mein Gegenüber hat ebenfalls keine Webcam und damit sehen wir beide nur leere, schwarze Screens.
Kein Bild, kein Ton.
Ein älterer bärtiger Mann der skeptisch guckt und mich mit einem schnellen Griff zur Tastatur wegklickt…
Der Typ sieht doch sympathisch aus und begrüßt mich mit einem “Hi”. Ich frage ihn, woher er kommt und er antwortet mit “busa”. Noch während ich überlege, wo den “busa” sein könnte, korrigiert er sich mit “usa”. Seine Frage ob ich ein “girl or boy” sei, beantworte ich ehrlich. Kaum habe ich geantwortet, klickt er mich auch schon weg.
Der Typ hat die Webcam auf seine – gottseidank – geschlossene Hose gerichtet.
Der Typ hat nicht mal eine Hose an…
Ah – die Webcam wird auf ein Poster gehalten, auf dem der Po einer brasilianischen Schönheit zu sehen ist.
Zwei Jugendliche die vorm PC hocken…
Der Typ hat eine Maske auf. Ich hoffe zumindest, dass es sich um eine Maske handelt…
Die zwei Minuten sind um…
Chatroulette.com strahlt eine gewisse Faszination aus. Binnen nur zwei Minuten habe ich viele Menschen rund um den Globus gesehen, die wahrscheinlich nichts anderes wollten, als ich: Unzählige User sitzen in diesem Augenblick vor ihrem Rechner und surfen vor sich hin. Chatroulette.com bietet die Möglichkeit, für einen kurzen Augenblick diese User zu beobachten.
Dabei ist das Ergebnis so bunt, wie nun mal das echte Leben ist. Man trifft also nicht nur stinknormale Menschen, sondern ebenso auch durchgeknallte Typen und Perverse. Immerhin erlaubt es die Anonymität, sich zu verstellen. Aber im Gegensatz zum richtigen Leben, kann ich einfach jemanden wegzappen, dessen Nase mir nicht gefällt. Andrerseits hat natürlich auch der Gegenüber dieselbe Möglichkeit.