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Nukleare Option Chinesische Forscher simulieren Atomschläge gegen Satelliten

Ein nuklearer Krieg in der mittleren Atmosphäre – diese verstörende Vision bringt das chinesische Militär ins Spiel. Die Waffe könnte feindliche Satelliten gezielt ausschalten, so die Vorstellung.
Virtueller Kriegsschauplatz: 80 Kilometer über der Erde enthält die Atmosphäre noch genug Luft, um einen Atompilz zu bilden

Virtueller Kriegsschauplatz: 80 Kilometer über der Erde enthält die Atmosphäre noch genug Luft, um einen Atompilz zu bilden

Foto: Getty Images

Chinesische Wissenschaftler haben untersucht, wie sich Raumschiffe und Satelliten mithilfe einer Atombombe zerstören ließen. Wie aus einem im chinesischen Fachmagazin »Nuclear Techniques« veröffentlichten Artikel hervorgeht, simulierte ein Team um den Physiker Liu Li von einem der chinesischen Armee unterstellten Nuklearforschungsinstitut per Computer Explosionen in unterschiedlicher Höhe an der Grenze zum Weltall.

Obwohl die physikalischen Abläufe äußerst komplex seien, könne das neue Modell eine Schätzung zum Radius der Explosion und zum Ausmaß des Schadens »mit großer Zuverlässigkeit« bestimmen, so die Forscher vom Northwest Institute of Nuclear Technology in Xian. Eine Bombe mit einer Sprengkraft von zehn Millionen Tonnen, in 80 Kilometern Höhe über der Erdoberfläche gezündet, könnte demnach gezielt darüber kreisende Satelliten oder andere Raumfahrzeuge aus dem Verkehr ziehen.

Dieses Ergebnis zitiert die »South China Morning Post«  und stellt einen Zusammenhang zum Satellitenprogramm Starlink der US-Firma SpaceX von Milliardär Elon Musk her. Eine im Mai veröffentlichte chinesische Militärstudie bezeichnete Starlink als Gefahr für die nationale Sicherheit. Die Tausenden Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn könnten Chinas Gegner mit Kommunikationsdiensten versorgen oder auch in Kamikaze-Manier chinesische Raumfahrzeuge zerstören. Daher müsse das Land Fähigkeiten entwickeln, um Starlink auszuschalten.

Zu gefährlich und ineffektiv

Raketenangriffe auf Satelliten, die auf US-Initiative ohnehin international geächtet werden sollen, scheiden aus. Damit ließen sich einzelne wichtige Satelliten zerstören, der dezentrale Betrieb von Starlink würde aber weiterlaufen. Der Angriff müsste also großflächiger sein, um einen Effekt zu haben. Die Herausforderung dabei: das Netzwerk der Amerikaner empfindlich treffen, ohne die eigenen Satelliten zu stören.

Liu Li und Kollegen präsentieren nun eine mögliche nukleare Antwort. Liu Lis Team zufolge gab es schon mehrere Computersimulationen zum Einsatz von Atombomben gegen Satelliten. Sie gingen jedoch meist von einer Explosion im Weltraum, außerhalb der Erdatmosphäre aus. Dort fehlt es an Luftmolekülen, weshalb die radioaktiven Teilchen schnell vom Magnetfeld der Erde zu einem strahlenden Gürtel gebündelt würden, der rund um den Globus dauerhaft die Raumfahrt von Freund und Feind gefährden würde – zu gefährlich und ineffektiv als Waffe.

In 80 Kilometern Höhe hingegen ist noch Luft, dort würde die Explosion eine Atomwolke bilden. Den Berechnungen zufolge würde die wie eine auf den Kopf gestellte Birne geformte Wolke sich innerhalb von fünf Minuten in fast 500 Kilometern Höhe ausbreiten und 140.000 Quadratkilometer bedecken – knapp 40 Prozent der Fläche Deutschlands. Raumfahrzeuge wie Satelliten in diesem Gebiet könnten von der radioaktiven Strahlung oder auch direkten Treffern durch Trümmer ausgeschaltet werden. Die meisten Luftteilchen würden anschließend zurück zur Erde fallen.

Atommacht: China hat auf dem Testgelände Lop Nor in Xinjiang von 1964 bis 1996 insgesamt 47 Atomwaffentests durchgeführt

Atommacht: China hat auf dem Testgelände Lop Nor in Xinjiang von 1964 bis 1996 insgesamt 47 Atomwaffentests durchgeführt

Foto: via www.imago-images.de / imago images/UIG

Die Simulation gebe keinen Hinweis, dass China eine solche Waffe einsetzen würde, erklärte ein anonymer Nuklearexperte aus Peking der »South China Morning Post«. Ob ein solcher Einsatz etwa zur Verteidigung gegen Hyperschallwaffen legal wäre, sei eine offene Frage.

Eine echte Atombombe zu Testzwecken in der Atmosphäre oder im Weltraum zu zünden, ist nach einem internationalen Vertrag verboten. China trat diesem Abkommen zwar nicht bei, unterzeichnete jedoch 1996 eine Vereinbarung für einen allgemeinen Stopp von Atomtests. Dieser Vertrag ist noch nicht in Kraft getreten, beendete aber das chinesische Atomtestprogramm.

Laut den Forschern aus Xian decken sich ihre Ergebnisse mit denen des »Teak-Tests«, den die USA im Jahr 1958 durchführten. Damals hatten die Amerikaner westlich von Hawaii eine Atombombe in über 70 Kilometern Höhe gezündet, um die Auswirkungen zu untersuchen.

China verfolgt seit Jahren ein ambitioniertes Weltraumprogramm und hat sich zum Ziel gesetzt, technisch zu den USA aufzuschließen. Dabei spielen auch militärische Komponenten eine Rolle. Die USA gründeten 2019 eine sogenannte Space Force, um sich auf mögliche Konflikte im Weltraum vorzubereiten.

ahh/dpa
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