BILD-Verhör mit GEZ-Chef : Droht Beitragsverweigerern Beugehaft?

Von: Hans-Wilhelm Saure

Er kassierte im vergangenen Jahr 7,978 Milliarden Euro Rundfunkgebühr von 44,87 Millionen Beitragszahlern: Seit 2011 ist Stefan Wolf (49) Geschäftsführer des Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio – besser bekannt unter dem alten Namen GEZ.

BILD sprach mit dem promovierten Wirtschaftsinformatiker und Chef von knapp 1000 GEZ-Mitarbeitern über säumige Gebührenzahler, Zwangsvollstreckungen, Hackerangriffe und den nächsten Meldedatenabgleich.

BILD: Zahlen Sie persönlich gern Rundfunkgebühren?

Stefan Wolf: Die Frage ist ungewöhnlich, aber durchaus legitim. Natürlich zahle ich persönlich gern Rundfunkbeitrag, weil ich das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender zwar selektiv, aber regelmäßig nutze.

BILD: Ist es ein Kündigungsgrund, wenn ein Mitarbeiter Ihrer Behörde sich weigert, den Rundfunkbeitrag zu zahlen?

Wolf: So einen Fall hatten wir noch nie. Juristisch hat das eine mit dem anderen aber nichts zu tun.

BILD: Ihr Haus ist den Menschen unter dem Namen GEZ bekannt. Warum haben Sie diesen Namen abgeschafft? War er Ihnen zu negativ besetzt?

Wolf: Tatsächlich hatte die Marke GEZ in den Jahren der alten Rundfunkgebühr ein negatives Image. Das war mit ein Grund für den Namenswechsel. Entscheidender war aber, dass wir in den Mittelpunkt rücken wollten, warum wir den Rundfunkbeitrag einziehen und wofür der Beitrag gezahlt wird – für das Programm von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Deshalb stehen die Sendernamen jetzt auch im Logo des Beitragsservices.

BILD: 2,96 Millionen Personen in Deutschland sind von der Beitragspflicht befreit. Was sind die Gründe dafür?

Wolf: Vom Rundfunkbeitrag befreit sind Menschen, die Ausbildungsförderung wie Bafög beziehen, ebenso die Empfänger von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter oder anderer Sozialleistungen. Die häufigsten Fälle sind Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Altersgrundsicherung.

BILD: 2016 sind die Einnahmen stärker als erwartet gesunken. Woran lag das?

Wolf: Die Erträge aus dem Rundfunkbeitrag sind im Vergleich zum Vorjahr um 153 Millionen gesunken. Wir hatten einen Rückgang erwartet, aber nicht in dieser Höhe. Die Anzahl der Befreiten ist deutlich höher, als wir das geplant hatten. Besonders hoch ist der Anstieg bei Empfängern von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung im Alter. Wir gehen davon aus, dass allein rund 600 000 Personen wegen Altersarmut vom Rundfunkbeitrag befreit sind. 

BILD: Nach der Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag müssen sogar Blinde zahlen.

Wolf: Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass wir Menschen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht diskriminieren dürfen. Blinde oder Taube zahlen deshalb nur ein Drittel des Beitrags. Nur Taubblinde sind komplett befreit, da sie weder Radio hören noch Fernsehen schauen können.

BILD: Über 4000 Menschen klagen gegen ihren Bescheid auf Rundfunkgebühr. Sind das die sogenannten Totalverweigerer?

Wolf: Die Gründe für die Klagen sind unterschiedlich. Teilweise geht es um nicht gewährte Befreiungen, teilweise um die Höhe der Beiträge und teilweise auch um grundsätzliche Fragen – zum Beispiel ob sich eine freie Religionsgemeinschaft auf Gewissensgründe berufen kann, um keinen Rundfunkbeitrag zahlen zu müssen. Mit kompletter Beitragsverweigerung kann man diese 4000 Fälle nicht gleichsetzen.

BILD: 4,56 Millionen Beitragszahler befanden sich zum Jahreswechsel im Mahnverfahren. Können oder wollen diese Leute keine Rundfunkgebühr bezahlen?

Wolf: Zum ganz großen Teil sind das Beitragszahler, die ganz einfach den Zahlungstermin verpasst haben und deshalb die erste Mahnung erhalten. Es gibt auch einen Teil, der nicht zahlungsfähig ist, aber keine Befreiungsgründe geltend macht.

BILD: Zum Jahreswechsel gab es gegen 1,46 Millionen säumige Beitragszahler Vollstreckungsmaßnahmen – also Pfändungen und Ähnliches. Halten Sie diese Zahl nicht für immens hoch?

Wolf: Der Wert ist hoch. Er ist auf den sogenannten Meldedatenabgleich von 2013 zurückzuführen. Durch die Daten der Meldeämter haben wir 4,1 Millionen Menschen gefunden, die bislang keinen Beitrag zahlten und die wir zur Beitragspflicht angemeldet haben. Diese Klärungsprozesse dauern bis heute an, deshalb gibt es noch so viele Vollstreckungsfälle.

BILD: Im nächsten Jahr soll es den nächsten Meldedatenabgleich geben. Welche Daten erhalten Sie von den Ämtern?

Wolf: Im Meldedatenabgleich kriegen wir die Meldesätze aller volljährigen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Diese Daten gleichen wir mit unseren rund 45 Millionen Beitragskonten ab. Wir versuchen herauszufinden, wer als Inhaber einer Wohnung gemeldet ist, aber bisher keinen Rundfunkbeitrag zahlt. Diese Personen werden dann von uns angemeldet.

BILD: Warum wird nach 2013 schon wieder eine Meldedatenabgleich gemacht?

Wolf: Nach fünf Jahren haben sich bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Lebensverhältnisse durch Scheidung oder Auflösung von Wohngemeinschaften verändert. Viele teilen uns das aber nicht mit.

BILD: In einigen Fällen wurden Verweigerer des Rundfunkbeitrags sogar in Beugehaft genommen. Halten Sie das für sinnvoll und angemessen?

Wolf: Beitragsverweigerer in Beugehaft zu nehmen halte ich nicht für angemessen und auch nicht für sinnvoll. Es ist aber das letzte Mittel der Vollstreckungsbehörden, um Leute zu einer Vermögensauskunft zu bewegen.

BILD: Warum lassen Sie es dann trotzdem immer wieder zu spektakulären Verhaftungen von Beitragsmuffeln kommen?

Wolf: Diese harten Maßnahmen werden nicht von uns, sondern von Gerichtsvollziehern durchgeführt. Wir versuchen durchaus, Einfluss auf die Vollstreckungsbehörden zu nehmen, dieser ist aber begrenzt. Unter anderem, um solche Eskalationen zu vermeiden, testen wir jetzt die Zusammenarbeit mit Inkasso-Unternehmen.

„Einen Beliebtheitspreis kriegen wir nicht“

BILD: Auf einer Beliebtheitsskala von eins bis zehn – wo, schätzen Sie, liegt der Beitragsservice in der Bevölkerung?

Wolf: Einen Beliebtheitspreis werden wir sicher nicht gewinnen. Ich würde uns auf so einer Skala bei vier einsortieren. Aber es gibt leider auch Menschen, die unsere Mitarbeiter am Telefon oder schriftlich übel beschimpfen und sogar bedrohen.

BILD: Gibt es für den Beitragsservice auch andere Bedrohungen wie zum Beispiel durch Hacker?

Wolf: Grundsätzlich ist die Bedrohungslage für alle Datenverarbeiter angestiegen. Wir verwalten zum Teil sehr sensible Informationen, wenn uns Leute mitteilen, dass sie wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit keinen Beitrag zahlen können. Wir schützen uns vor Angreifern und überprüfen das ständig. Eine neue Entwicklung sind Hobbyhacker, die Angriffsversuche starten. Das erleben wir täglich mehrfach. Über die Zahl wirklich ernst zu nehmender Angriffe möchte ich hier nicht sprechen. Die Zahl ist niedrig, aber so etwas kommt vor.

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